René Mayrhofer
"Massenüberwachung muss man ausschließen"

Digitaler Führerschein: "Massenüberwachung muss man ausschließen"

2020 werden die ersten Staaten den digitalen Führerschein auf dem Smartphone einführen – Österreich könnte bald folgen. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis der elektronische Ausweis auch den Pass ersetzt, sagt der Informatiker René Mayrhofer.

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INTERVIEW: FRANZISKA DZUGAN

profil: Wie wird der elektronische Führerschein funktionieren? Mayrhofer: Die internationale Norm sieht zwei Varianten vor, zwischen denen eine Behörde wählen kann. Zum einen soll es einen Führerschein geben, der direkt von der Behörde auf das Smartphone zugestellt wird. Bei einer Fahrzeugkontrolle hat die Polizei ein Endgerät, das beim Zusammenführen der beiden Geräte den Führerschein auslesen kann, ähnlich wie beim Zahlen im Supermarkt.

profil: Wie sieht Variante zwei aus? Mayrhofer: Dabei werden die Daten auf einem Server gespeichert; das Handy weiß lediglich, wo die Daten liegen. Will die Polizei sie abfragen, muss sie eine Verbindung zur Cloud herstellen.

profil: Schreit das nicht förmlich nach Datenmissbrauch? Mayrhofer: Die Risiken sind wegen der Zentralisierung größer als bei der ersten Variante, die wir Forscher empfehlen.

profil: Wann wird der digitale Führerschein in Österreich kommen? Mayrhofer: Das ist eine politische Entscheidung. Die Staatsdruckerei hat aber bereits erste Prototypen in Arbeit.

profil: Und wenn das Handy gestohlen wird? Mayrhofer: Man kann den Ausweis aus der Ferne sperren lassen, wie eine verlorene Bankomatkarte. Das kann auch die Behörde beim Führerscheinentzug.

profil: Der Plan ist, auch den Pass, sämtliche Fahrscheine, die Supermarktkarte und die meisten Passwörter durch eine digitale Identität zu ersetzen. Wie sicher ist so ein digitales Ich? Mayrhofer: Seit 2014 erforschen wir, wie wir gefährliche Verknüpfungen von digitalen Ausweisen verhindern können. Fazit: Man kann sicherstellen, dass meine digitale Supermarktkarte auf dem Handy mich nicht zuordnen kann, wenn ich mit demselben Handy im selben Supermarkt mein Alter nachweise, um Alkohol zu kaufen.

Wir Wissenschafter empfehlen Systeme mit möglichst wenig externen Abhängigkeiten.

profil: Welche Vorteile bringt das? Mayrhofer: Bei digitalen Ausweisen kann ich auswählen, welche Daten ich herzeige. Bei der Anmeldung einer SIM-Karte wird häufig der Ausweis kopiert. Damit werden unnötige Daten gesammelt.

profil: Wie kann man verhindern, dass der Staat eine Sammelleidenschaft entwickelt wie in China, wo Sozialleistungen bereits vom Verhalten der Bürger abhängen? Mayrhofer: Massenüberwachung muss man von vornherein ausschließen, weil niemand weiß, was künftige Regierungen im Sinn haben. Eine Möglichkeit, Cloud-Lösungen in Zukunft besser zu schützen, besteht darin, dem Bürger seine Daten selbst in die Hand zu geben. Er soll entscheiden können, ob er sie einem staatlichen Server, seiner Hausbank oder einem privaten Anbieter anvertraut – oder sie auf verschiedene Server verteilt. Auch Wechseln muss einfach möglich sein.

profil: Sie waren von 2017 bis Mitte 2019 Sicherheitschef bei Googles Betriebssystem Android. Google fällt immer wieder durch Datenlecks auf, zuletzt mit der Cloud G-Suite, die Passwörter seit 2005 unverschlüsselt speicherte. Wie erklären Sie das Menschen, die Angst um ihre Daten haben? Mayrhofer: Ich war für die Sicherheit des Endgeräts zuständig, mit der Cloud hatte ich kaum zu tun. Aber es stimmt, dass wir vielen Anbietern großes Vertrauen entgegenbringen müssen. Wir Wissenschafter empfehlen deshalb Systeme mit möglichst wenig externen Abhängigkeiten.

profil: Quantenkryptografie gilt als abhörsicher. Kann sie unsere Daten sicherer machen? Mayrhofer: Die Kommunikation zwischen zwei Computern wird dadurch abhörsicher. Das schützt aber die Daten auf den Endgeräten in keiner Weise. Die Quantentechnologie birgt sogar eine Gefahr, mit der sich bereits ein eigener Forschungszweig befasst: Quantencomputer werden es mit ihrer extrem hohen Rechenleistung schaffen, manche heutige Algorithmen zu knacken. Das gilt es zu verhindern.

Zur Person

René Mayrhofer leitet seit 2014 das Institut für Netzwerke und Sicherheit der Johannes Kepler Universität Linz und arbeitet in der Internationalen Organisation für Normung (ISO) am neuen Standard für digitale Ausweise mit. Vergangene Woche sprach er in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien über die Zukunft der digitalen Identität.

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort, ihre Schwerpunkte sind Klima, Medizin, Biodiversität, Bodenversiegelung und Crime.