Drohen ausgerechnet heuer Engpässe bei Grippeimpfstoffen?

Und wie funktioniert eigentlich deren Bestellung?

Drucken

Schriftgröße

Unter niedergelassenen Ärzten herrscht derzeit Verunsicherung. Vier Apotheken habe er durchtelefoniert, jedoch ohne Erfolg, berichtet ein Mediziner in einem Online-Forum. "Wir wurden vertröstet, Lieferdatum unbekannt", schreibt eine Kollegin. Ein anderer fragt: "Wo bleibt der Aufschrei der Allgemeinmediziner?" Die Aufregung betrifft die offenbar schwierige Bestellung von Impfstoffen gegen die saisonale Influenza und kommt zur Unzeit. Denn die Österreicher werden bereits seit dem Frühjahr ermahnt, sich im Hinblick auf die Coronavirus-Pandemie heuer gegen Grippe impfen zu lassen, die chronisch niedrige Impfquote von unter zehn Prozent müsse unbedingt steigen. Doch im Vorfeld der Influenzasaison beklagen Ärzte, sie bekämen keine Impfstoffe.

Wie funktioniert die Impfstoffbestellung?

Zuerst muss bekannt sein, welche Virenstämme in der aktuellen Saison zirkulieren. Diese Stämme werden stets im Februar von der WHO bekannt gegeben, anschließend beginnt gleich die Produktion, die etwa ein halbes Jahr dauert. Eine frühzeitige Bestellung ist daher entscheidend, damit ausreichend Impfstoff im Land ist. Es war also auch im Frühjahr keine Überraschung, dass die Nachfrage heuer wohl groß sein wird: Da war die Pandemie bereits im Gange, weshalb die mitunter erhobene Behauptung nicht zutrifft, man habe im für Bestellungen kritischen Zeitfenster von SARS-CoV-2 nichts gewusst. Eher scheint man nicht überall im Land gleichermaßen in die Gänge gekommen zu sein. Denn wie so oft in Österreich gibt es auch bei der Impfstoffbestellung keine zentrale Organisation: Öffentliche Stellen konsultieren die Bundesbeschaffungsagentur, Ärzte wenden sich an Apotheken, diese wiederum an Großhändler.

Wie viel Impfstoff wird es geben?

Im Schnitt der vergangenen fünf Jahre wurden etwa 600.000 Dosen Grippeimpfstoff abgegeben, heuer sind es immerhin 1,25 Millionen. 350.000 davon wurden vom Bund für Kinder reserviert, überwiegend in Form von Nasensprays. "Damit hat erstmals der Staat Impfstoff angekauft",sagt Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller. Dies sei auch sinnvoll, da im Fall der Influenza Kinder eine große Rolle bei der Verbreitung spielen. Überdies beschaffte die öffentliche Hand 100.000 sogenannte Hochdosisimpfstoffe für Personen über 65 Jahre. Damit wären diese wichtigen Gruppen geschützt. Weitere 400.000 Dosen sicherte sich die Gemeinde Wien für die Gratisimpfaktion. Vor allem deshalb werden nun Klagen aus den Bundesländern laut, die Hauptstadt habe gleichsam den Markt leergekauft. Freilich ist es etwas seltsam, dem dafür verantwortlichen Wiener Gesundheitsstadtrat vorzuwerfen, sich zeitgerecht um die Gesundheit der Wiener gekümmert zu haben-andere Länder hätte auch niemand gehindert, entsprechend vorzusorgen. Gezeter im Spätsommer nützt ohnehin nichts mehr: Die Produktion der Chargen endet im August. In jedem Fall bleiben für den Kleinvertrieb, vor allem über Apotheken, nun etwa 400.000 Dosen. Dass diese noch nicht in den Arztpraxen angekommen sind, liegt wohl daran, dass die Lieferungen erst anlaufen: Diese hätten eben erst begonnen, heißt es aus dem Gesundheitsministerium, und würden sich noch über die nächsten Wochen und Monate erstrecken.

Kann die Nachfrage gedeckt werden?

Die Impfstoffe reichen für etwa 14 Prozent der Bevölkerung. Sollten also beispielsweise doppelt so viele Menschen wie sonst eine Grippeimpfung wünschen, genügen die Bestände nicht. Aber vielleicht haben wir Glück, und die Influenzasaison fällt schwach aus: aufgrund der Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus und der eingeschränkten Reisetätigkeit, was auch die Ausbreitung von Viren drosselt. Daten von der Südhalbkugel zeigten vorige Woche, dass dort deutlich weniger Menschen an Grippe erkrankten als in anderen Jahren.

Alwin   Schönberger

Alwin Schönberger

Ressortleitung Wissenschaft