James-Webb-Teleskop: Die schärfsten Bilder des Universums
Das Wissenschaftsjournal „Science“ hatte keine Zweifel: Das James Webb Space Telescope war der Durchbruch des Jahres 2022. Im Dezember des Vorjahres war das komplizierteste Weltrauminstrument, das je von Menschenhand gebaut wurde, nach 25 Jahren Entwicklungszeit zu seinem Einsatzort gestartet: zum Lagrange-Punkt L2 in 1,5 Millionen Kilometern Entfernung zur Erde. Vor exakt einem Jahr sah die Öffentlichkeit die ersten Bilder des von der NASA sowie den europäischen und kanadischen Raumfahrtagenturen ESA und CSA konstruierten Superteleskops.
Das James Webb Space Telescope (JWST), bestückt mit einem fast sieben Meter durchmessenden Spiegel und einem tennisplatzgroßen Sonnensegel, fängt mit vier optischen Instrumenten Licht im Infrarotbereich ein – und späht damit auch durch Gas- und Staubwolken, die sichtbares Licht schwer durchdringen könnte. Die enorme Präzision und Empfindlichkeit der Optiken erlaubt es, weit entfernte Galaxien zu studieren, deren Licht sehr lange unterwegs war. Das gleicht einem Blick in die Vergangenheit: Das JWST fing bereits Licht ein, das von Galaxien vor 13,4 Milliarden Jahren ausgestrahlt wurde – in kosmischen Dimensionen kurz nach dem Urknall.
Neue Erkenntnisse über den Beginn des Universums sind ein zentrales Missionsziel, es gibt aber weitere: Bereits jetzt liegen spektakuläre Bilder über weit entfernte Galaxien vor, über die Geburt und den Lebenszyklus von Sternen, über Exoplaneten, Schwarze Löcher und vormals zwar vermutete, aber nicht nachgewiesene Moleküle, die als Grundbausteine des Lebens infrage kommen. Und auch die Planeten unseres Sonnensystems sehen wir in neuer Pracht.
Dabei hat das Abenteuer gerade erst begonnen: Mindestens zehn Jahre soll das JWST, der Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops, Daten aus dem All liefern. Aller Wahrscheinlichkeit nach kann es jedoch länger in Betrieb bleiben, weil die Positionierung problemlos und energiesparend verlief. So werden wir im Lauf der Jahre noch viel neues Wissen gewinnen – über das Universum und die kleine Nische darin, die wir bewohnen.
Best of James Webb Telescope: Eine Reise durch die Weiten des Kosmos
Eine Kinderstube der Sterne
Dieses Bild, veröffentlicht am 26. Juni 2023, zählt zu den eindrucksvollsten Aufnahmen des Webb- Teleskops. Es zeigt den „Orion Bar“, eine Region des Orionnebels, deren innere Bereiche etwa 1400 Lichtjahre von der Erde entfernt sind. Im Orionnebel entstehen massereiche Sterne. Die chemischen und physikalischen Prozesse der Sternentstehung sollen sich mit dem leistungsstarken Teleskop besser studieren lassen als je zuvor. Dieses Bild wurde mit der NIRCam (Near-Infrared Camera) aufgenommen und mit Filtern bearbeitet. Das Webb-Teleskop fing auch ein Kohlenstoffmolekül ein, das die Bildung komplexerer kohlenstoffbasierter Moleküle begünstigt – Grundbaustoffe des Lebens.
Bizarre Weltraumarchitektur
Hier sehen wir die berühmten „Säulen der Schöpfung“, die bereits durch ikonische Aufnahmen des Hubble-Teleskops bekannt wurden. Die Pillars of Creation, so die offizielle Bezeichnung, befinden sich im 7000 Lichtjahre entfernten Adler-Nebel. Die bizarren Formationen bestehen aus interstellarer Materie, die sich über Lichtjahre hinweg ins All erstreckt. Das James Webb Space Telescope fertigte dieses Bild, das Ende November 2022 veröffentlicht wurde, mittels zweier Kameras an. Die Szene fängt Unmengen von Sternen ein, darunter viele neu entstandene. Darauf deuten die orangen Bereiche des Bildes hin.
Ein neuer Blick auf Uranus
Am 6. Februar dieses Jahres schoss das JWST dieses Bild von Uranus, dem siebten Planeten unseres Sonnensystems. Aufgenommen mit der NIRCam (Near-Infrared Camera), zeigt es den Eisriesen sowie sein Ringsystem. Der helle Bereich markiert die der Sonne zugewandte Region, an dessen Rand sowie links sind Wolken zu sehen, die sehr wahrscheinlich durch Stürme entstanden sind. Für diese Aufnahme wurden mehrere Datensätze kombiniert und mit Filtern bearbeitet.
Cliffs im Nebel
Diese Aufnahme stammt aus der ersten Serie von Bildern des Webb-Teleskops und wurde am 12. Juli 2022 publiziert. Sie zeigt eine Struktur namens „Cosmic Riffs“, 7600 Lichtjahre entfernt und im Carina-Nebel gelegen. Mittels Infrarotlicht eingefangen, liefern die Aufnahmen völlig neue Einblicke in die Geburt von Sternen – die extrem schwierig zu beobachten sind, weil sich die sehr frühe Phase der Sternbildung über die nach kosmischen Maßstäben kurze Zeitspanne von 50.000 bis 100.000 Jahren erstreckt. Die hier sichtbaren Formationen entstanden durch hochenergetische Strahlung von massiven, heißen Sternen.
Das Jubiläumsfoto
Am vergangenen Mittwoch, exakt ein Jahr nach dem ersten Bild des James Webb Space Telescope, veröffentlichte die NASA diese Aufnahme: Sie zeigt eine Region in etwa 390 Lichtjahren Entfernung, die voller Sterne in jugendlichem Alter ist. Das Teleskop fing rund 50 junge Sterne ein, von denen viele eine ähnliche Masse besitzen wie unsere Sonne. Die roten Strukturen entstehen durch molekularen Wasserstoff, der von Materiefontänen der Sterne erhellt wird.
Abschied von der Erde
Der letzte Blick auf das James Webb Space Telescope (JWST) nach dem Start am 25. Dezember 2021. Hier sieht man das noch zusammengefaltete Teleskop, das eine Startmasse von 6,2 Tonnen hatte, auf dem Weg zu seinem Einsatzort: dem Lagrange-Punkt L2, einer 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernten Position. Die extrem komplizierte Entfaltung des 6,6 Meter großen Spiegels, der Instrumente und des Sonnensegels erstreckte sich über mehrere Tage und erfolgte in 300 einzelnen Schritten. Die ersten, mit Spannung erwarteten Aufnahmen des komplexesten je gebauten Teleskops wurden der Öffentlichkeit am 12. Juli 2022 präsentiert.
Beobachtungsposten im Weltall
Die wichtigsten Komponenten des James-Webb-Teleskops und sein Orbit in 1,5
Millionen Kilometern Entfernung zur Erde. Die Spiegel fangen mithilfe von vier enorm empfindlichen Instrumenten Infrarotlicht ein, der Sonnenschild schirmt das Teleskop vor störenden Lichteinflüssen ab, besonders von der Sonne.