Eine wenig bekannte Masern-Folge: Wenn das Immunsystem vergisst
Seit zwei Monaten wachsen die Zahlen beständig: Rund 300 Masernfälle traten in Texas seit Ende Jänner auf, zwei Menschen starben an der Infektionskrankheit. Da die Todesrate bei ungefähr ein bis zwei Promille liegt, geht man davon aus, dass die Dunkelziffer der Erkrankten deutlich höher liegt – bei zumindest 1000 Personen.
Der aktuelle Ausbruch in Texas ist ungewöhnlich heftig, doch auch in europäischen Ländern wurden zuletzt relativ hohe Infektionszahlen registriert: 542 Fälle waren es in Österreich im Vorjahr, 57 seit Jahresbeginn 2025. Das mag nach wenig klingen, etwa im Vergleich zur Influenza, aber eigentlich könnten die Masern längst ausgerottet sein. Statt dessen flammen die Infektionen deutlich stärker auf als in der jüngeren Vergangenheit.
Seit zehn Jahren Forschungsthema
Zwar dürfte sich inzwischen weitgehend herumgesprochen haben, dass es sich bei den Masern keineswegs um eine harmlose „Kinderkrankheit“ handelt, sondern um eine virale Infektion, die gravierende gesundheitliche Folgen nach sich ziehen kann, darunter Lungen- und Gehirnentzündungen sowie Frühgeburten. Doch eine Folgeerscheinung ist immer noch relativ unbekannt, weshalb sie hier kurz erwähnt und erklärt sei: die sogenannte Immunamnesie.
Dabei handelt es sich um ein ziemlich seltsames Phänomen, das die Wissenschaft seit ziemlich genau zehn Jahren erforscht: Eine Infektion mit dem Masernvirus kann dazu führen, dass unser Abwehrsystem frühere Kontakte mit Krankheitserregern „vergisst“ und so das Immungedächtnis gleichsam gelöscht wird. Die Folge: Eine Empfänglichkeit für Krankheitserreger, vor denen man bereits geschützt war.
Eigentlich gehört es zu den großartigen Leistungen unseres Immunsystems, dass es die Profile von Erregern abspeichern kann, wofür bestimmte Arten von Immunzellen zuständig sind. So wird ein Immungedächtnis aufgebaut, sowohl durch Infektionen als auch durch Impfungen. Beim nächsten Kontakt mit dem jeweiligen Erreger ruft das Immunsystem dessen Steckbriefe gleichsam aus dem Gedächtnis ab, ist daher vorbereitet und kann flott seine Abwehrmechanismen aktivieren und in Gang setzen.
Verlust von Antikörpern
Das Masernvirus kann nun genau jene Immunzellen zerstören, die für die Merkfunktion benötigt werden. Außerdem beeinträchtigt es Zellen, die für die Produktion von Antikörpern verantwortlich sind. Auf diese Weise wird bei zehn bis 20 Prozent der Infizierten das Immungedächtnis gelöscht. Und je nach Schweregrad der Infektion beträgt der Verlust von Antikörpern 33 bis 40 Prozent.
Die Folge: Wir sind plötzlich vielen viralen Infektionen ziemlich schutzlos ausgeliefert – und zwar auch solchen, die der Körper zuvor problemlos in Schach gehalten hätte. Eine große Vergleichsstudie, die Kinder aus den USA, Großbritannien und Dänemark einschloss, gab Hinweise auf das Ausmaß: Maserninfektionen korrelierten deutlich mit einer nachfolgenden Sterblichkeit an anderen Krankheiten. Dieser Zusammenhang ließ sich 18 bis 30 Monate nach der Infektion beobachten.
Es gäbe ein simples Rezept gegen derlei Komplikationen: die Impfung gegen das Masernvirus. Angst vor dem immunologischen Vergessen muss man dabei auch nicht haben. Eine Immunamnesie tritt nur bei Infektionen mit dem Virus auf, nicht aber nach Impfungen.