Eva Blimlinger: „Hallo, geht’s noch?“
profil: Einige Medien wollen vor Kurzem einen riesigen Skandal um unseriöse Journale und Pseudokonferenzen aufgedeckt haben. Wissenschafter könnten „Fake Science“ oft nicht von echter Forschung unterscheiden, so der Vorwurf. Sind Sie schon einmal auf die Einladung zu einer unseriösen Konferenz hereingefallen? Blimlinger: Natürlich nicht. Solche Angebote sind auf den ersten Blick erkennbar und landen sofort im Papierkorb. Es ist schon seltsam, uns eine solche Blödheit zu unterstellen. Hallo, geht’s noch? An den Universitäten sitzen ja keine Idioten herum! profil: Auch der Vorwurf der Korruption stand im Raum. Blimlinger: Es gibt in allen Bereichen der Gesellschaft Korruption und Freunderlwirtschaft – auch in der Wissenschaft. Aber die Überprüfung ist hier besonders ausgeprägt, denn der Neid ist groß in der Community: Sobald jemand etwas publiziert, stürzen sich mindestens zehn Kollegen darauf, um die Studie bis ins kleinste Detail zu zerpflücken. Fehler, unsaubere Methoden oder dubiose Auftraggeber kommen schnell ans Licht. Die Berichterstattung der vergangenen Wochen erweckte den Eindruck, alle Universitäten Österreichs seien von Fake-Geschäftsmodellen unterwandert. Dabei ist das Problem völlig marginal – und altbekannt. Ich schätze die gemeinsamen Recherchen von Journalisten und Journalistinnen sehr, aber warum man hier ein Randthema skandalisiert, ist mir nicht klar.
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen bedient seit Jahren den Sektor der Pseudowissenschaft.
profil: Sie haben erst nach der profil-Coverstory „Eine Streitschrift für die Wissenschaft“ (profil 31/2018) auf die Vorwürfe reagiert. Warum so spät? Blimlinger: Um ehrlich zu sein: profil ist mir zuvorgekommen, weil ich im Ausland war. In meinem Leserbrief habe ich mich dafür bedankt, dass profil redlich arbeitende Wissenschafterinnen und Wissenschafter vor pauschalen Vorwürfen in Schutz genommen hat. profil: Darin erwähnen Sie auch „entsprechende Schritte gegen Fehlverhalten“. Was tun Sie gegen schwarze Schafe? Blimlinger: An den Universitäten wird schon aus finanziellen Gründen genau geprüft, an welchen Kongressen ihre Mitarbeiter teilnehmen. Außerdem befasst sich die Agentur für Wissenschaftliche Integrität nicht nur mit Plagiaten, sondern auch mit Pseudojournalen. profil: Die Stadtzeitung „Falter“ war auf einer Pseudokonferenz in Wien. Was halten Sie von der Reportage? Blimlinger: Der aktuelle Artikel erweckt den Anschein, als würden Heerschaaren österreichischer Universitätsassistenten und Professorinnen zu unlauteren Konferenzen pilgern. Das ist natürlich Blödsinn.
profil: Woher kommt dieses Misstrauen? Blimlinger: Der Grund ist, denke ich, die allgemeine Skepsis gegenüber der Forschung. Diese ist laut Eurobarometer-Umfragen in Österreich so extrem hoch wie in keinem anderen EU-Land. Es kommt mir vor, als wären einige Journalisten von dieser Stimmung geleitet. Dabei sollte sich speziell der ORF selbst an der Nase nehmen: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen bedient seit Jahren den Sektor der Pseudowissenschaft. In vielen seiner Gesundheitsprogramme wird esoterischer Schwachsinn verbreitet, von Klangschalen bis zum Grander-Wasser. Hademar Bankhofer, ein selbst ernannter Gesundheitspapst, der gar kein Arzt ist, darf in vielen deutschen Medien nicht mehr auftreten, weil er angeblich Schleichwerbung für Pharmaprodukte betrieben hat und seine Ratschläge sehr oft nicht aus wissenschaftlichen Ergebnissen abgeleitet sind. Im ORF ist er immer noch präsent. Ich würde mir stattdessen Programme wünschen, die erklären, dass das gute Leben, das wir heute führen, ohne Forschung nicht möglich wäre.
Mit Wissenschaftsminister Heinz Faßmann läuft es gut. Alles andere ist kompliziert.
profil: Was unternehmen Sie, um das Misstrauen zu verringern? Blimlinger: Es ist nicht leicht in einem politischen Umfeld, in dem wissenschaftliche Erkenntnisse wie der Klimawandel negiert oder verharmlost werden. Wissenschaftliche Studien und Gutachten verschwinden unter Schwarz-Blau in der Schublade, wenn die Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprechen. Das ist nicht im Sinne der Wissenschaft. profil: Das gab es auch unter anderen Regierungen. Blimlinger: Ja, aber nicht in diesem Ausmaß. Denken Sie an die Studie über die Auswirkungen der von der SPÖ gestarteten „Aktion 20.000“ zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein will sie nicht herausrücken, offensichtlich weil die Aktion wohl gewirkt hat. Dieses Ergebnis passt der neuen Regierung aber nicht. Jeder Arzt nimmt wissenschaftliche Erkenntnisse als Grundlage seines Handelns, und das erwarte ich auch von ihm. Es ist mir schleierhaft, warum Politiker und Politikerinnen das nicht tun.
profil: Sie sind als Chefin der Universitätenkonferenz Hauptansprechpartnerin für die Regierung. Wie schwer tun Sie sich mit Schwarz-Blau? Blimlinger: Mit Wissenschaftsminister Heinz Faßmann läuft es gut. Alles andere ist kompliziert. Zum Beispiel ist die Novelle des Fremdenrechtsgesetzes für Studierende aus Drittstaaten eine Katastrophe. Warum muss eine Sängerin aus Japan schon zu Studienbeginn Deutschkenntnisse vorweisen, obwohl sie Deutsch erst im dritten Semester braucht? Diese Regierung ordnet alles der Ausländerfeindlichkeit unter – gleichzeitig wird von den Universitäten Internationalisierung verlangt. Da kann ich nur fragen: Was wollt ihr eigentlich?
Zur Person Eva Blimlinger, 56, ist Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien und Präsidentin der Universitätenkonferenz. Die studierte Germanistin und Historikerin ist zudem wissenschaftliche Koordinatorin für Provenienzforschung, stellvertretende Vorsitzende des Kunstrückgabebeirats und war lange Jahre Publikumsrätin im ORF.
Interview: Franziska Dzugan, Foto: David Payr