Genderforschung: Warum arbeiten Frauen mehr als Männer?
Die Pandemie hat es wieder einmal gezeigt: Im Homeoffice waren es die Frauen, die zwischen Videokonferenzen, Haushalt, Homeschooling und Kinderbetreuung jonglieren mussten, während sich viele Männer oft ausschließlich auf ihre Arbeit konzentrieren konnten. Woher kommt dieses ewige Ungleichgewicht der Geschlechter? Die britische Anthropologin Ruth Mace und ihr Team machten sich auf nach Tibet, um dem Phänomen auf die Spur zu kommen. Sie beobachteten den Alltag von 500 Bäuerinnen und Bauern, befragten sie nach der Zeit, die sie täglich mit Hausarbeit, auf den Feldern und Viehweiden verbrachten – und nach ihrer Freizeit. Mit Schrittzählern überprüften die Forscherinnen deren Angaben. Erstes Fazit: Beide Geschlechter arbeiteten hart, die Frauen allerdings um einiges härter. Die Studie, erschienen in der Fachzeitschrift "Current Biology", finden Sie hier.
Die Hochzeit: Wer zieht zu wem?
Die weit verstreuten Dörfer, in denen sechs verschiedene ethnische Gruppen vertreten waren, hatte Mace nicht zufällig gewählt: Sie fand dort nicht nur die weltweit häufigste Form der Ehe vor, in der die Frau ihre Familie verlässt, um bei der Familie ihres Mannes zu leben. Dort leben auch viele Paare, die gemeinsam in einem neuen Dorf von Null begonnen haben oder Männer, die in die Familie ihrer Frauen gezogen sind. Getrennt wohnende Paare fand Mace ebenfalls, wenn auch nur wenige.
Er bleibt im bequemen Nest, sie rackert
Die breite Palette an Familienkonstellationen ermöglichte es der Forscherin, ihre Hypothese zu überprüfen, die da lautete: Jene Frauen arbeiten am härtesten, die in die Familie ihres Mannes einheiraten – wie es der Großteil der Frauen bis heute tut. Ruth Mace hat mit ihrer Vermutung nicht nur ins Schwarze getroffen, es kommt sogar noch schlimmer für die Frauen. „Eine Frau, die in die Familie ihres Mannes zieht, vermisst nicht nur ihre eigene Familie, sondern muss auch ein enormes Arbeitspensum absolvieren. Wenn beide Eheleute ohne ihre Familien in der Umgebung leben, arbeiten beide hart, die Frauen aber immer noch härter“, sagt die Anthropologin.
Das Familienmodell mit der geringsten Ungleichheit
Etwas Gerechtigkeit fand die Forscherin dann aber doch. „Gleichheit zwischen den Geschlechtern herrscht am ehesten dann, wenn der Mann in die Familie der Frau zieht.“ Außerhalb des eigenen Netzwerks aus Eltern, Tanten, Schwestern, Brüdern mussten sich die Männer in den neuen Familien deutlich mehr anstrengen. Mace’ Fazit: „Unsere Studie zeigt, warum die Frauen in der Regel umziehen und nicht die Männer. Der Umzug kostet die Männer mehr.“
Der Nachhall im Homeoffice
Der Ausflug nach Tibet zeigt: Der Automatismus, mit dem Frauen Haushalt, Kindererziehung und die Pflege von Verwandten auch in modernen Familien übernehmen, hat tiefe Wurzeln. Aber er ist nicht unüberwindbar.