Gentechnik-Pionier Ingo Potrykus im Jahr 2001 an der ETH Zürich.
Wissenschaft

Genetiker Ingo Potrykus: „Ich bat um ein Gewächshaus aus Panzerglas“

Ingo Potrykus entwickelte einen Reis, der Millionen Kinder retten sollte. Doch wütende Proteste verhinderten den Anbau über Jahrzehnte hinweg. Ein Gespräch über die Angst vor Genpflanzen, die Macht der großen Saatgutkonzerne und den späten Triumph seines Getreides.

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Im Juli 2000 wähnte sich Ingo Potrykus gleichzeitig am Zenit und am Ende seiner Karriere. Er stand kurz vor der Pensionierung an der ETH Zürich, als sein Gesicht das Cover des „Time Magazins“ zierte. Es zeigte den Pflanzenforscher inmitten eines Reisfelds, Ähren umspielten seinen grau melierten Bart. „Dieser Reis könnte eine Million Kinder pro Jahr retten“, stand daneben in großen, schwarzen Buchstaben. Gemeinsam mit dem Freiburger Biologen Peter Beyer war Potrykus eine Sensation gelungen. Sie hatten die Gene eines Reiskorns so verändert, dass die Pflanze, die daraus wächst, in ihren Früchten den Farbstoff Betacarotin ausschüttet. Das können sonst nur Karotten, Spinat und ein paar andere Obst- und Gemüsesorten.

Das Ziel: Der Goldene Reis, wie ihn seine Erfinder wegen der Farbe der Körner nannten, sollte eine der am weitesten verbreiteten Mangelerkrankungen der Welt bekämpfen. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO erblinden jährlich bis zu 500.000 Kinder wegen des Mangels an Vitamin A, das der Körper aus Betacarotin gewinnt. Die Hälfte der erblindeten Kinder stirbt binnen zwölf Monaten. Das Hauptnahrungsmittel in Entwicklungsländern ist Reis. Die Unterzeile auf dem „Time“-Cover enthielt ein prophetisches „aber“, das Potrykus den gesamten Ruhestand kosten sollte: „… aber Demonstranten glauben, gentechnisch veränderte Pflanzen sind schlecht für uns und unseren Planeten“.

Um die Jahrtausendwende feierten Sie Ihren großen Durchbruch. Hielten Sie das für den Startschuss, sehr viele Kinder zu retten?
Potrykus
Ja, das glaubten wir zu Recht. Binnen vier, fünf Jahren hätten die ersten Kinder den Goldenen Reis bekommen können. Aber wir hatten Greenpeace übersehen – durch deren massive Kampagnen dauerte es fast 20 Jahre. Die Arbeit mit transgenen Pflanzen unterliegt einem unglaublichen Berg von Vorschriften.