Von den Wassermassen mitgerissen.
Wissenschaft

Hochwasser-Katastrophe: Wie die Katwarn-App des BMI versagte

In der Steiermark und dem Burgenland herrschte Land unter, doch die Warn-App des Innenministeriums blieb stumm. Wer war Schuld?

Drucken

Schriftgröße

„Im Norden von Graz und Deutschfeistritz wurde Zivilschutzalarm ausgegeben. Die Autos türmen sich nach Unwettern, und die Sirenen sind im Dauerton. Die App: Alles chillig! Keine Warnung in ganz AT.“ Einige User der Katastrophen-App Katwarn waren zu Recht irritiert. Was war da schiefgelaufen? Beim Innenministerium ist man sich keiner Schuld bewusst: „Ob für ein Ereignis Katwarn ausgelöst wird und, wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, für welches Gebiet und mit welchem Inhalt, liegt immer im Ermessen der jeweils zuständigen Behörde. Details, wann, welche und nach welchen Kriterien Warnungen für Ereignisse übermittelt werden, wären daher bitte bei den Behörden/Ländern zu erfragen“, heißt es aus dem Ressort von Gerhard Karner (ÖVP).

Burgenland nutzte App erst gar nicht

Doch auch die Länder fühlten sich offenbar nicht verantwortlich. Im Burgenland hält man recht wenig von der Durchschlagskraft der App. Katwarn ergänze „bestenfalls die vorhandenen Warnmöglichkeiten wie Sirenen, Lautsprecher und Medien, kann diese aber keinesfalls ersetzen. Im Falle des jüngsten Katastrophenszenarios im Südburgenland wurde von behördlicher Seite auf die bewährten (weil verlässlichen) Informationsmethoden zurückgegriffen!“, heißt es aus der Presseabteilung der Burgenländischen Landesregierung.

Die Zugriffszahlen auf Katwarn sind tatsächlich bescheiden. 106.000 Österreicherinnen und Österreicher luden sich die seit 2017 existierende App laut Innenministerium aufs Handy, 8000 nutzen den SMS-Dienst.

Vorwurf aus der Steiermark: Erinnerungslücken beim BMI

Aus der Steiermark erreichte profil folgende Stellungnahme: „Offensichtlich ist dem Innenministerium die seinerzeitige Vereinbarung, wonach Unwetterwarnungen direkt von der ZAMG einzumelden sind, nicht mehr erinnerlich, was mit zahlreichen Personalwechseln in der zuständigen Organisationseinheit zusammenhängen könnte“, schreibt Harald Eitner, Leiter der Fachabteilung Katastrophenschutz und Landesverteidigung des Amts der Steiermärkischen Landesregierung. „Alle in der Vergangenheit ausgesendeten Katwarn-Warnungen im Zusammenhang mit Unwettern wurden nach kurzer, vorheriger telefonischer Kontaktaufnahme mit der Landeswarnzentrale von der ZAMG bzw. GeoSphere ausgelöst. Warum dies am 08.06.2024 in der Steiermark nicht der Fall war, kann von uns nicht beantwortet werden“, so Eitner.

Offensichtlich ist dem Innenministerium die seinerzeitige Vereinbarung, wonach Unwetterwarnungen direkt von der ZAMG einzumelden sind, nicht mehr erinnerlich.

Harald Eitner

Amt der Steiermärkischen Landesregierung

Geosphere: Kurzzeitwarnungen gar nicht möglich

Dem staatlichen Wetter- und Erdbebendienst GeoSphere wiederum zufolge, ist die App für kurzfristige Gewitterwarnungen ungeeignet: „Das Spezifische an Gewitterwarnungen liegt darin, dass die ‚punktgenaue‘ Prognose, wo ein Gewitter dann tatsächlich nieder geht, erst dann möglich ist, wenn sich die Gewitterzelle zu bilden beginnt. D.h. diese spezifischen Warnungen haben nur eine kurze Vorlaufzeit von 30 bis 45 Minuten. Eine Chance, um zu erkennen, dass ein intensives Gewitter mit extremen Regen z.B. im Bereich Deutschfeistritz niedergehen wird, hat man daher nur sehr zeitnah. Im Alarm- und Warnsystem Katwarn Österreich/Austria können jedoch (automatisierte) Gewitter-Kurzzeitwarnungen nicht kommuniziert und versendet werden“, schreibt Bernhard Niedermoser, Bereichsdirektor Meteorologie und Regionalstellen bei GeoSphere Austria.

Fazit: Niemand fühlt sich zuständig für eine App, die nichts weniger will, als die Bevölkerung vor Gefahrenlagen zu warnen. Von einer „Informationsplattform am Puls der Zeit“, welche die Website des Innenministeriums verspricht, kann keine Rede sein. Bleibt zu hoffen, dass der von Minister Karner ursprünglich für den Sommer angekündigte Smartphone-Katastrophenalarm besser funktioniert. Er soll über ein System namens Cell-Broadcast laufen, das automatisch Nachrichten an alle in einer bestimmten Region eingeloggten Handys verschickt. Wann soll der neue Alarm nun genau kommen, für den man keine App mehr herunterladen muss? „Derzeit laufen nichtöffentliche Tests. Der Start von Cell Broadcast soll noch im Jahr 2024 erfolgen“, so das Innenministerium. 

 

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

war bis Oktober 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.