Der Haken daran: Ist es nicht. Weder die Schwingung des Magens noch die heilende Wirkung von Stromstößen durch den Körper. Der Healy ist reine Esoterik. Doch diese Art von Esoterik hat nichts mit Pendeln, Wünschelruten und Räucherstäbchen zu tun. Es ist eine neue Form von Esoterik, die in den vergangenen Jahren an Fahrt gewonnen hat. Es sind Produkte und Therapien, die mit den uns bekannten Naturgesetzen nicht vereinbar und wissenschaftlich nicht bewiesen sind, die also das Unsichtbare, Unerklärliche und letzten Endes Übernatürliche bemühen – diesen Umstand aber mit Hochglanztechnik und aus Physik, Chemie und Elektronik geborgtem Vokabular zu verschleiern versuchen. Die neue Esoterik benutzt Quanten, Frequenzen, Elektromagnetismus und Skalarwellen, ohne genau zu wissen, was sie damit eigentlich sagen will – vermutlich im Vertrauen darauf, dass die Kundschaft es ebenso wenig weiß.
Geheimnisvolle Frequenzen
Frequenzen spielen auch in dem Produkt der Geonado GmbH eine wichtige Rolle. Laut Geschäftsführer Christian Allinger ist die Tiroler Firma spezialisiert auf den „energetischen Ausgleich von geopathischen und künstlichen Störzonen“. Der sogenannte e.Chi-Frequenzchip soll mit „in reiner und effektiver Form“ gespeicherten Frequenzen das gestörte Energiefeld des Körpers auf Vordermann bringen. Ohne Strom allerdings, allein durch einen Magnet und „Schwingungen der stärksten Kraftplätze der Erde“, so die Information auf der Website. Was da wo gespeichert wird und wie diese „Frequenzen“ auf den Chip gelangen, verrät Allinger auf Nachfrage nicht. Die Auswahl und der Ursprung der Frequenzen sowie die verwendeten Speicherprozesse seien Betriebsgeheimnis. Etwa 100 Euro kostet so ein Chip, der mittels Pflaster auf die Haut geklebt wird.
Humbug für den ganzen Körper
Einige Beispiele, wie angeblich wissenschaftlich begründete Gerätschaften die Gesundheit verbessern sollen. Die jüngste Generation esoterischer Produkte benutzt Begriffe aus Technik, Elektronik und Quantenphysik, um Wissenschaftlichkeit und Erfindergeist vorzugaukeln. Erwiesen ist nichts davon.
- Healy: Ein kleines Kästchen, dessen Elektroden mit den Handgelenken verbunden werden können, soll wahre Wunder wirken – von der Schmerzbekämpfung bis zur Linderung von Depressionen. Belegt oder plausibel ist nichts davon.
- Bioresonanz: Der Name ist vermutlich bewusst gewählt, um Verwechslungen mit etablierten medizinischen Verfahren hervorzurufen. Doch Bioresonanz ist reine Pseudowissenschaft.
- e.chi-frequenzchip: Der Frequenzchip wird wie ein Pflaster auf die Haut geklebt und soll das gestörte Energiefeld des Körpers aufpeppen. Wie das völlig abwegige Verfahren funktionieren soll, wird nicht verraten. Das Land Tirol fördert den Hersteller trotzdem mit rund 140.000 Euro an Steuergeld.
- Neuro Socks: Ein mysteriöses Gewebe in den Socken sollte Informationen ans Nervensystem leiten und so der Gesundheit nützen. Der Hersteller wurde mittlerweilewegen irreführender Werbung gerichtlich verurteilt.
Vor allem dank massiven Marketings in sozialen Medien sind Produkte dieser Art bekannt und werden gekauft. Doch obwohl es in der Werbung von Fachbegriffen aus Physik, Elektrotechnik und Chemie wimmelt – belastbare wissenschaftliche Arbeiten dazu oder eine schlüssige Erklärung, wie diese Produkte funktionieren, sucht man vergeblich. Was ist dran an den Quanten, Frequenzen und Schwingungen?
Tibor Grasser ist Professor für Quantenelektronik an der Technischen Universität Wien. Er hat sich die Werbung rund um den Healy, den Frequenzchip und ähnliche Produkte genau angesehen. Sein Urteil: „Das alles hat nichts mit Physik oder gar Quantenphysik zu tun. Da werden Fachbegriffe willkürlich aneinandergereiht, die in diesem Kontext absolut keinen Sinn ergeben, um Unwissende zu beeindrucken.“ Und warum begegnen wir Quanten so auffallend oft bei derartigen Produkten? „Quanten sind dafür furchtbar gut geeignet, weil in den Köpfen der meisten Menschen Quanten gleichbedeutend sind mit Magie“, sagt Grasser. In dieselbe Kategorie fällt die Bioresonanz. Auch sie geht von angeblich gestörten, niemals nachgewiesenen „Schwingungen“ als Krankheitsursache aus. Das Konzept: je eine Kugel oder ein Stab aus Metall in jeder Hand sowie ein Gerät, von dem niemand genau weiß, was in seinem Inneren passiert. Am Ende spuckt es Diagnosen aus und bescheinigt Vitaminmangel oder Allergien.
Die Leiche erfreut sich bester Gesundheit
Wie diese Geräte zu ihren Ergebnissen kommen, ist ein Rätsel. Laut Grasser besonders entlarvend: „Bioresonanzgeräte sind in ihrer Funktionsweise nicht vorhersagbar. Wird ein Patient mehrfach gemessen, kommt es zu unterschiedlichen Ergebnissen.“ In einer legendären Studie testeten Forschende ein Bioresonanzgerät an Gesunden, Kranken, einer Leiche, einem feuchten Lappen und einem Leberkäse. Grasser: „Das Gerät erkannte nicht nur keine Unterschiede, es lieferte auch vollkommen willkürliche Ergebnisse.“ Der Leiche bescheinigte es beste Gesundheit.
Quantenelektroniker Tibor Grasser
„Das alles hat nichts mit Physik oder gar Quantenphysik zu tun. Da werden Fachbegriffe willkürlich aneinandergereiht, die in diesem Kontext absolut keinen Sinn ergeben, um Unwissende zu beeindrucken.“
Grasser nimmt an, dass die Ergebnisse bei der Bioresonanz durch einen Zufallsgenerator zustande kommen. Und dürfte damit richtigliegen: Im Jahr 2022 verurteilte ein deutsches Gericht Mitarbeiter der Herstellerfirma des Geräts „Bioscan“ wegen gewerbsmäßigen Betrugs. Die beiden Geschäftsführer sitzen derzeit eine zweijährige Haftstrafe ab. Die betreffenden Bioscan-Geräte wurden auch in Österreich eingesetzt, ausgerechnet in Apotheken.
Trotz dieses Urteils und wiederkehrender Kritik scheint die Bioresonanz in Österreich nach wie vor beliebt. Einen Grund dafür sieht Grasser in der Namensähnlichkeit mit etablierten medizinischen Verfahren wie Magnetresonanztomografie oder Biofeedback. Die Verwechslungsgefahr hält er nicht für zufällig, sie sei bewusst gewählt, um Wissenschaftlichkeit vorzugaukeln.
Dass sich Esoterik unter dem Deckmantel der Wissenschaft und Medizin in das Leben so vieler Menschen einschleichen kann, hat auch mit Apotheken zu tun. Die meisten Menschen sehen sie als Gesundheitseinrichtung. Doch Apotheken sind Geschäfte. Schätzungen zufolge macht eine Apotheke rund ein Drittel ihres Umsatzes mit nicht rezeptpflichtigen Gütern – Nahrungsergänzungsmitteln, Medizinprodukten, Kosmetika und hauseigenen Produktlinien. Die Apotheken sind also auf den Verkauf dieser Produkte angewiesen und haben Interesse daran, sie zu vermarkten. Weder Nahrungsergänzungsmittel noch Medizinprodukte müssen ihre Wirksamkeit beweisen. Es reicht, dass sie nicht schaden. Das legitimiert Esoterik-Produkte, indem es ihnen einen seriösen Anstrich verleiht.
Der Technik-Trick
Bisher war Esoterik klar als solche erkennbar. Das Problem derzeit ist aber, dass Produkte wie der Healy, die Bioresonanz oder der Frequenzchip nach echter Medizin aussehen, basierend auf scheinbar raffinierter Technologie. Oft werben Anbieter denn auch mit angeblich wissenschaftlichen Arbeiten, die die Wirksamkeit belegen sollen – einer Prüfung aber praktisch nie standhalten. Verlässliche Aussagen wären nur auf Basis klinischer Studien möglich, die nach strengen, akzeptierten und nachvollziehbaren Kriterien gestaltet sind und etwa Placebo-Effekte ausschließen. Oft sind die Studien aber nicht nur mangelhaft, sondern fehlen völlig, was gerne mit mangelndem Geld erklärt wird. Als Ausrede gilt das freilich nicht: Firmen dürfen nichts behaupten, was sie gar nicht untersucht haben.
Genauso sieht es auch das Gesetz. Denn gesundheitsbezogene Werbung ohne entsprechenden wissenschaftlichen Beleg ist verboten. „Gesundheitsbehauptungen in der Werbung sind nur erlaubt, wenn sie auch belegt sind. Alles andere verstößt gegen das Gesetz“, sagt Barbara Bauer, Juristin beim Verein für Konsumenteninformation (VKI).
Was hält Juristin Bauer vom beliebten Argument, dass das Betriebsgeheimnis der Beantwortung von Fragen zum genauen Wirkmechanismus solcher Produkte im Weg stehe? Spätestens vor Gericht würde das Betriebsgeheimnis nicht viel taugen, so Bauer. „Ein Hersteller ist zwar nicht verpflichtet, zu erklären, wie genau sein Produkt funktioniert. Werden solche Informationen aber vorenthalten, wird ein Gericht das wahrscheinlich zum Nachteil der Firma auslegen. Fehlende Informationen haben meist einen Grund.“
Auch zum Healy werden keine Informationen zur genauen Wirkweise oder gar zu wissenschaftlichen Studien übermittelt. Eine Anfrage beim Mutterkonzern bleibt unbeantwortet.
Muss man an Naturgesetze glauben?
Eine weitere Strategie der Anbieter: Man könne nicht oder noch nicht erklären, wie das Produkt wirkt. Auch dass nicht alles auf der Welt wissenschaftlich erklärbar und messbar sei, ist ein häufiges Argument (wenn auch ein seltsames, schließlich haben die Unternehmen die Apparate selber konstruiert). Quantenelektroniker Grasser lässt derlei Ausflüchte nicht gelten: „Schwingende Organe oder Frequenzen von Kraftplätzen widersprechen den Naturgesetzen. Wir vertrauen den Naturgesetzen jedes Mal, wenn wir in ein Flugzeug steigen. Ein Flugzeug funktioniert nicht nur vielleicht, und man muss nicht daran glauben. Man kann exakt voraussagen, wie es funktioniert.“
Man könnte noch viele weitere Beispiele nennen. Pflaster zum Aufkleben etwa, die Wunder wirken sollen. Derzeit drängen sie unter dem Namen „Superpatch“ in Social-Media-Feeds. Sie sollen uns von Schmerzen, Müdigkeit und Stress befreien, ganz ohne Wirkstoff, nur durch ein Rillenmuster in den Pflastern. Angeblich neurowissenschaftlich bestätigt,
tatsächlich neue Esoterik. Nicht mehr ganz so neu ist dagegen eine andere Art von Pflaster: solche, die uns vor schädlichen Umwelteinflüssen schützen sollen. Aufs Handy oder auf den Körper geklebt, sollen sie schädliche Mobilfunkstrahlung „harmonisieren“. Physikalisch erklärbar ist nichts davon.
Ebenso wie das in Österreich vielleicht prominenteste Beispiel esoterischer Gerätschaften: die Wasserbelebung nach Grander. Die vom Tiroler Unternehmer Johann Grander erfundene angebliche Technologie verspricht nun schon seit 50 Jahren gesünderes Wasser. Während Hotels, Schwimmbäder und sogar Krankenhäuser noch vor nicht allzu langer Zeit stolz darauf hingewiesen hatten, bei ihnen käme Grander-wasser aus der Leitung, haben viele derartige Hinweise mittlerweile still und heimlich wieder verschwinden lassen. Immerhin darf die „Grander-Technologie“ inzwischen nach einem Gerichtsurteil als esoterischer Unfug bezeichnet werden.
Magische Socken
Als Wissenschaft getarnte Esoterik ist auch das Produkt eines anderen österreichischen Unternehmens. Die sogenannten Neuro Socks schienen plötzlich überall zu sein, nachdem Firmengründer Wolfgang Cyrol sie 2019 in der Start-up-Fernsehshow „2 Minuten 2 Millionen“ vorgestellt hatte. Das Versprechen: Ein in die Socken eingewebtes Muster soll Informationen an das Nervensystem übermitteln und die Gesundheit fördern. Das Unternehmen ist mittlerweile wegen irreführender Gesundheitswerbung verurteilt und seit Kurzem insolvent. Das Urteil war eindeutig: Es mangelte nicht nur an Studien, die zeigen konnten, dass die Socken eine Wirkung haben. Es fehlte auch eine plausible Erklärung, wie ein Muster in den Socken die Gesundheit beeinflussen soll. Der Name „Neuro Socks“ sollte wohl ebenfalls gezielt Assoziationen mit Wissenschaft und Medizin wecken.
Freilich: Auf ein derart enttarntes Produkt kommen mindestens fünf andere, mindestens ebenso unwissenschaftliche. Besonders die Pandemie habe einen Wildwuchs im Geschäft mit der Gesundheit hervorgebracht, beobachtet Bauer. Wir können nicht gegen alle vorgehen. Dazu fehlen uns einfach die Ressourcen“, sagt die Juristin.
Manch ein Anbieter neuer Esoterik hat es da besser. Die Firma Geonado, Erfinderin des e.Chi-Frequenzchips, wird sogar von der Politik gefördert. Für die Entwicklung des Chips schoss das Land Tirol letztes Jahr knapp 140.800 Euro zu. Auf Nachfrage erklärt das Amt der Landesregierung, der e.Chi-Frequenzchip habe „die notwendigen Kriterien der Tiroler Innovationsförderung erfüllt“. Was die nicht unspannende Frage aufwirft, wie die Kriterien für die Förderung esoterischen Unfugs mit Steuergeld aussehen mögen.
Jana Meixner
ist Medizinerin, Wissenschaftsjournalistin und Mitglied im Team von „Medizin-transparent“ (medizin-transparent.at). Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter dieser Gruppe prüfen an der Universität Krems Gesundheitsbehauptungen aus Medien und Werbung auf ihren Wahrheitsgehalt, indem sie in internationalen Datenbanken nach seriösen Studien zum Thema suchen.