Impfpass mit HPV im Fokus
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HPV: Impfquote bei Männern soll drastisch erhöht werden

Peniskrebs, Anuskrebs, Genitalwarzen – was würden Männer nicht dafür tun, um nie an so etwa zu erkranken? Dabei gäbe es eine ganz einfache Möglichkeit: gegen HPV impfen lassen. Trotzdem tun das viel zu wenige.

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Es gibt eine Infektion, von der 80 Prozent aller Menschen in ihrem Leben mindestens einmal betroffen sind: HPV. Am häufigsten stecken sich Männer zwischen 25 und 29 Jahren an, zeigen Zahlen aus der Schweiz. HPV kann Krebs auslösen und jedes Jahr sterben Menschen an den Folgen einer Infektion. Obwohl es seit 2007 eine Impfung dagegen gibt, an deren Entwicklung Österreich sogar federführend beteiligt war, sind nur 10 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher zwischen 21 und 30 Jahren immunisiert. Die Impfung schützt bis zu 90 Prozent vor einer Infektion, und damit vor Genitalwarzen und Krebs. Am häufigsten lösen HPV-Viren Gebärmutterhalskrebs aus, 130 bis 180 Frauen sterben jedes Jahr daran in Österreich. 

Aber HPV kann nicht nur zu Gebärmutterhalskrebs führen: 90 Prozent aller Karzinome im Anus-Bereich sind mit HPV-assoziiert, 60 Prozent am Penis. Und in den USA tritt durch HPV-Stämme ausgelöster Krebs im Mundhöhlen-, und Rachenbereich bei Männern mittlerweile häufiger auf als Gebärmutterhalskrebs. Bei beiden Geschlechtern verläuft die Infektion meistens still und unbemerkt – und wird gerade deswegen so häufig weitergegeben. Männer sind die häufigsten Überträger. Genitalwarzen betreffen Männer und Frauen gleich oft, Krebs tritt seltener auf. Bei Männern am häufigsten im Mund-, und Rachenbereich.

Noch bis Ende Juni 2026 ist die HPV-Impfung für unter 30-Jährige gratis. Die Regierung fährt alle Geschütze auf, um noch zum Impfen zu bewegen: Plakatkampagnen, Influencer-Kooperationen, Werbung auf allen Kanälen. Aber es gibt eine Gruppe, die trotzdem schwer zu erreichen bleibt: die Männer. 

Falscher Fokus rächt sich jetzt

Nur fünf Prozent aller Männer zwischen 21 und 30 Jahren sind laut Zahlen des HPV-Cockpit gegen HPV geimpft. Bei Frauen sind es 15. Bei den 14 bis 20-Jährigen sind es bei Männern 42 Prozent, bei Frauen 61. Das WHO- und EU-Ziel wären eigentlich 90 Prozent bei beiden Geschlechtern. Die EU hat angekündigt, die Durchimpfungsrate bei Buben und Männern signifikant steigern zu wollen. Aber wie kann das gelingen?

Das Problem: lange Zeit wurde HPV nur mit Gebärmutterhalskrebs assoziiert und Männer wenn überhaupt lediglich als Überträger angesprochen, erklärt Florian Boschek vom Verein „HPV Impfung Jetzt“: „Es fehlt an Aufklärung, es sind die Patientenwege nicht immer klar, es gibt nicht genügend Informationen. Es braucht in manchen Bundesländern schon viel Recherche, um überhaupt herauszufinden, welche Ärztinnen und Ärzte im Impfprogramm dabei sind“, sagt Boschek.

Ein junger Mann vor dem Parlament mit einem Schild für die HPV Impfung
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Florian Boschek vom Verein „HPV Impfung Jetzt“ vor dem Parlament an dem Tag, an dem die Impfung für alle Unter-30-Jährigen gratis wurde.

Fehlende Tests und Tabus

Was HPV alles bei Männern anrichten kann, weiß Shahrokh Shariat, der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie (OeGU) und Leiter des Comprehensive Cancer Centers der Medizinischen Universität Wien. Neue Forschungen zeigen, dass fast jeder dritte Mann mit mindestens einem HPV-Typ im Genitalbereich infiziert ist und jeder fünfte Mann mit einem oder mehreren Hochrisiko-Typen. Diese Hochrisiko-Typen können dann Krebs auslösen. Bei den Männern sind Tumore im Mundrachenbereich die häufigste onkologische Folge von HPV-Infektionen: Im Jahr 2023 wurden in Österreich 1.315 bösartige Neubildungen im Kopf- und Halsbereich neu diagnostiziert, über 70 Prozent davon bei Männern. Diese Tumore waren für rund drei der jährlichen Krebsneuerkrankungen und Krebssterbefälle verantwortlich. Meistens kommen Patienten wegen Genitalwarzen zu Shariat. Eine vergleichsweise milde HPV-Form.

Die Infektion bleibt tendenziell lange unbemerkt, denn es fehlt an Screenings. Bei Frauen gehören PAP-Abstriche schon lange zur Routine beim Frauenarzt-Besuch. Ab 30 wird zusätzlich alle drei Jahre ein HPV-Test empfohlen. Für Männer gibt es solche Tests nicht. 

Generell kümmern sich Männer viel zu wenig um ihre Gesundheitsvorsorge, meint Shariat. Wenn sie nicht zum Urologen kommen, könne der sie nicht über HPV und die Impfung informieren. Deswegen liegt auch im Männergesundheitsmonat November ein Fokus auf Bewusstseinsbildung. Der Urologe kennt die Vorurteile: „Männer müssen tough sein, sie sind nicht krank oder haben Schmerzen.“ 

Und es kommt noch ein Faktor dazu: HPV ist die häufigste sexuell übertragbare Krankheit. Und wie andere sexuell übertragbare Krankheiten ist sie stark stigmatisiert: „Es ist noch immer ein Tabu und es gibt viele Mythen.“ 

Das bestätigt auch Boschek. Er und sein Verein holen für ihre Kampagnen Betroffene vor den Vorhang und lassen sie ihre Geschichten erzählen. Aber viele Männer sind hier zurückhaltend: „HPV ist immer noch sehr schambehaftet. Viele lehnen es ab, offen über ihre Erkrankung zu sprechen.“

Trotzdem hat der Verein viele Influencer an Bord, die helfen, die Botschaft in die Welt zu tragen. Zum Beispiel Michael Buchinger, der in einem Video für „HPV Impfung Jetzt“ sagt: „Das ist so ein beliebter Irrglaube, ah HPV, das betrifft ja nur die Frauen. Nein, das betrifft uns alle.“ Auch das Gesundheitsministerium will Ende November mit einer neuen Kampagne dezidiert auf Influencer setzen, und zwar beider Geschlechter „um eine ausgewogene Ansprache aller Zielgruppen zu gewährleisten“, wie es heißt.

Geimpfter Fußballtrainer als Vorbild

Shariat begrüßt das, es brauche coole, männliche Vorbilder. Aber nicht nur Influencer, sondern auch in der direkten Umgebung. Zum Beispiel den Fußballtrainer, der sein Team aufklärt. Er rät dazu, das Thema offen zu besprechen. Vor allem bei neuen Sexualpartnern. „Man muss einfach jede Möglichkeit nutzen, man erreicht immer ein paar Leute. Und mit jeder Person, die wir erreichen, haben wir etwas Gutes getan.” 

Viele junge Männer erreicht zweifelsohne das Bundesheer. Dort gibt es die Möglichkeit, sich impfen zu lassen. Das Bundesheer stellt seinen Soldatinnen und Soldaten sowie Bediensteten ein breitgefächertes Impfangebot zur Verfügung – darunter Impfungen gegen Zecken, Grippe und HPV.  Genial findet Boschek. Junge Frauen hören oft bei ihrer Gynäkologin das erste Mal über HPV. Und junge Männer nun eben beim Bundesheer.

Nicht nur die Regierung fährt jetzt noch einmal ihre Kampagne hoch: Momentan tourt die mobile Impfstation der Österreichischen Gesellschaft vom Goldenen Kreuze (ÖGGK) durchs Land. Bei den zehn Stopps im ersten Halbjahr 2025 haben 2246 junge Menschen das Angebot genutzt. Obwohl das ÖGGK auch bemerkt, dass es schwieriger ist, Männer zu erreichen, sei es ihnen gelungen, beide Geschlechter anzusprechen. Tatsächlich kamen sogar mehr Männer vorbei:  48,9 Prozent Frauen und 50,8 Prozent Männer (0,3 andere) ist die Bilanz. Vielleicht bewegt sich ja doch etwas.

Maria Prchal

Maria Prchal

ist seit 2025 Redakteurin im Digitalteam. Sie ist seit über zehn Jahren im Journalismus engagiert. Sozialpolitik, Klima, und nerdige Themen interessieren sie besonders.