Karl Landsteiner: Der Entdecker der Blutgruppen
Diesen Mann trugen die Österreicher lange in der Tasche, aber nicht im Kopf. Sein Bildnis zierte den 1000-Schilling-Schein. Der aus Wien stammende Karl Landsteiner (1868-1943) war wohl der bedeutendste Forscher der Wiener medizinischen Schule, aber seine Heimatstadt hat ihm nie die gebührende Anerkennung gezollt. Für die 1901 gemachte Entdeckung erhielt Landsteiner 1930 den Medizin-Nobelpreis.
Zwar ist in Wien-Ottakring eine Gasse nach ihm benannt, aber die Wiener Universität benötigte nach Landsteiners bahnbrechender Blutgruppen-Entdeckung gezählte 60 Jahre, um ihn mit einer Gedenktafel im Arkadenhof zu würdigen.
Entdecker des Rhesusfaktors
Unzulängliche Arbeitsbedingungen und andere Widrigkeiten vertrieben Landsteiner 1919 nach Holland, 1922 erhielt er eine Berufung ans Rockefeller Institute for Medical Research in New York. Dort entdeckte er 1941, zwei Jahre vor seinem Tod, gemeinsam mit Philip Levine den Rhesusfaktor. Erst Landsteiners Entdeckungen ermöglichten eine gefahrlose Bluttransfusion, was seither Millionen Menschen das Leben gerettet hat. Aber seine wissenschaftliche Bedeutung geht weit über die Entdeckung der Charakteristika des Blutes hinaus.
Im Ausland mit Ehrungen überschüttet
Der Bakteriologe, Immunologe und Serologe verfaßte 346 wissenschaftliche Arbeiten, etliche davon schrieben Medizingeschichte. So lieferte Landsteiner völlig neue Fakten zur Anatomie und Immunologie der Hämoglobinurie (Blutfarbstoff im Urin), Syphilis oder der Kinderlähmung. Er konnte erstmals beweisen, daß die Kinderlähmung nicht durch ein Bakterium, sondern durch ein Virus hervorgerufen wird. In den dreißiger Jahren wurde er im Ausland mit Ehrungen überschüttet. In der Laudatio der Harvard-Universität heißt es: "Er begründete eine Gedankenschule, die überall Eingang fand, wo Immunologen am Werk sind."
Landsteiner hat zeitlebens darunter gelitten, dass es in Österreich nie einen Versuch der Rückberufung gab. Umso mehr, als er in der Neuen Welt nie ganz heimisch wurde.
Landsteiner stammte aus liberalem, jüdisch-großbürgerlichem Haus. Sein Vater Leopold war ein bekannter Redakteur der 1848 gegründeten "Presse" und schließlich selbst Herausgeber mehrerer Blätter. Er starb frühzeitig, als der Sohn sechs Jahre alt war. Landsteiner lebte in der Folge mit seiner innig verehrten Mutter bis zu deren Tod 1915. Er trat zum katholischen Glauben über und heiratete 1916 in der Schottenkirche Helene Wlasto.
"Genialer Kopf"
Schon im Wasa-Gymnasium und später auf der Universität zeigte sich Landsteiners außergewöhnliche Begabung. Sein Universitätslehrer Max von Gruber bezeichnete ihn als "genialen Kopf". Seine Weggefährten beschrieben ihn als großgewachsen, schlank, als nobel und zurückhaltend, fast scheu, manchmal starrsinnig. Eine Eigenschaft des Wieners hatte er sich auch in New York bewahrt: Wegen seiner beständigen Mäkeleien über die engen fachlichen Grenzen, die ihm das Rockefeller Institute gesteckt hatte, bemerkte der Harvard-Immunologe Hans Zinsser einmal: "Karl, du bist ein alter Raunzer."
LANDSTEINERS WEGGEFÄHRTEN
Theodor Billroth (1829-1894), Pionier der Chirurgie und Lehrer Landsteiners.
Emil H. Fischer (1852-1919), dt. Chemiker, Entdecker des Schlafmittels Veronal (Chemie-Nobelpreis 1930), Lehrer Landsteiners in Würzburg.
Max von Gruber (1853-1927), Hygiene-Ordinarius in Wien und München, Entdecker der spezifischen Verklumpung von Zellen. Lehrer, der Landsteiner erstmals mit serologischen Fragen befaßte.
Julius Wagner-Jauregg (1857-1940), Psychiater, Mitarbeiter Landsteiners in Wien, Medizin-Nobelpreisträger 1927, der Landsteiner zum Nobelpreis-Kandidaten vorschlug.
Adriano Sturli (1873-1966), Mitarbeiter Landsteiners in Wien, der Landsteiners Blutgruppenforschung fortsetzte und (gemeinsam mit Decastello) die vierte klassische Blutgruppe - "ohne Typus", heute 0 - entdeckte.