Das Künstlerkollektiv Captain Boomer installierte einen täuschend echt aussehenden Wal, um auf die Folgen des menschengemachten Klimawandels hinzuweisen.
Wissenschaft

Klimakonferenz: Bizarre Show und letzte Rettung

Polternde Diktatoren, Trumps Wiederwahl, Öl- und Gas-rekorde: Auf den ersten Blick wirkt die Weltklimakonferenz in Baku wie eine bizarre Show. Warum die jährlichen Verhandlungen trotzdem unsere letzte Rettung sind.

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Die Welt erinnert immer mehr an Tangier Island. Die Inselgruppe vor der Küste Virginias, 150 Kilometer südlich von Washington, D.C., droht im Meer zu versinken. Schon jetzt können die knapp 450 Einwohnerinnen und Einwohner bei Flut ihre Vorgärten nur noch mit Gummistiefeln betreten; ihre Häuser haben sie auf Stelzen gehoben, Autos und Motorräder stehen auf erhöhten Plattformen statt in der Garage. Seit die Inseln im Jahr 1850 zum ersten Mal vermessen wurden, haben sie zwei Drittel ihrer Fläche ans Wasser verloren. Aufgrund des Klimawandels steigt der Meeresspiegel unaufhaltsam, die Erosion tut ihr Übriges. Forschende haben vorgerechnet: Je nachdem, wie schnell die Menschheit den Ausstoß der Treibhausgase in den Griff bekommt, wird die Stadt Tangier in einigen Jahren, spätestens in vier Jahrzehnten unbewohnbar sein.

An den Klimawandel glaubt auf Tangier Island trotzdem kaum jemand. Am wenigsten der seit gut 15 Jahren amtierende Bürgermeister James Eskridge. 2017 sagte er dem Fernsehsender CNN, seine Insel leide einzig und allein an der Erosion, mit dem Klimawandel habe das nichts zu tun. Den damaligen Präsidenten Donald Trump forderte er auf: „Helfen Sie uns, bauen Sie eine Mauer um unsere Insel.“ Wenige Tage später rief Trump ihn persönlich an. Der Bürgermeister solle sich keine Sorgen machen, sagte er, den steigenden Meeresspiegel gebe es nicht. Tangier Island habe es schon vor Jahrhunderten gegeben, daran werde sich nichts ändern. 2020 wählten 87 Prozent der Insulaner Trump; heuer bekam er 88,1 Prozent der Stimmen.

Bis zum Hals im Wasser zu stehen und trotzdem nicht wahrhaben zu wollen, dass man untergehen könnte – das ist nicht nur auf Tangier Island zu beobachten. Seit vergangenen Montag tagen Verhandlungsteams aus aller Welt bei der 29. UN-Klimakonferenz (COP 29) in Baku, Aserbaidschan. Bei seiner Eröffnungsrede sagte Ilham Aliyev, der diktatorisch regierende Präsident des Petrolstaats, die Öl- und Gasvorkommen seines Landes seien „ein Geschenk Gottes“. Keinem Land solle „vorgehalten werden, sie zu haben und sie auf den Markt zu bringen. Denn der Markt braucht sie, die Menschen brauchen sie.“ Was kann nach solchen Ansagen noch herauskommen? War der bereits am ersten Tag durchgepeitschte Beschluss zum Emissionshandel ein Schnellschuss oder ein echter Durchbruch? Und was bringen die jährlich stattfindenden Verhandlungen überhaupt noch?

Emissionshandel: Greenwashing oder Durchbruch?

Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass COP 29-Präsident Muchtar Babajew bereits am Montagabend einen „großen Durchbruch“ verkünden würde. Die knapp 200 Staaten hatten sich binnen weniger Stunden auf einen von der UN kontrollierten globalen CO2-Handel geeinigt. Damit können Staaten und Unternehmen für Klimaschutzprojekte, etwa das Pflanzen von Bäumen, den Schutz von Lebensräumen oder das Ersetzen umweltschädlicher Brennstoffe durch saubere Alternativen, sogenannte Gutschriften erwerben. Eine Gutschrift entspricht einer Tonne eingesparten Kohlenstoffdioxids.

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.