Gleich zu Beginn des Artikels verweisen die Forschenden darauf, dass Pasta häufig eine Quelle der Inspiration für Physiker darstellte. Der berühmte Richard Feynman wunderte sich, dass Spaghetti stets in drei oder mehr Teile zerbrechen, niemals aber in zwei. Andere Wissenschafter studierten das Aufquellen von Pasta beim Kochen oder untersuchten experimentell, wann Nudeln wirklich „al dente“ sind.
Die gefürchtete Mozzarella-Phase
Nun Cacio e pepe: Dabei handelt es sich um ein traditionelles Gericht aus der italienischen Region Latium, das zwar sehr simpel ist, zugleich aber gründlich schiefgehen kann. Neben Pasta benötigt man als Zutaten lediglich Pecorino, Pfeffer und mit Stärke angereichertem Wasser. Letzteres erhält man, indem man Nudeln kocht, die dabei kleine Mengen Stärke abgeben. Der heikelste Schritt ist die Anfertigung einer Sauce, die durch das Mischen und Verrühren von Kochwasser und Pecorino entsteht. Ist das Wasser zu heiß und stimmt das Mengenverhältnis von Wasser, Stärke und Käse nicht ziemlich exakt, denaturieren Eiweißstoffe im Käse – und statt einer cremigen Sauce serviert der unglückliche Koch einen unappetitlichen, klumpigen Fraß. „Mozzarella-Phase“ nennen die Physiker dieses Missgeschick, wenn der Käse, statt eine geschmeidge Sauce zu bilden, zu hässlichen Klumpen erstarrt.
Genau das passierte auch den Mitgliedern der Forschergruppe, was auch den Anstoß zu der Studie gab. „Wir haben festgestellt, dass wir Cacio e pepe ständig ruinierten“, berichtet Fabrizio Olmeda. „Da sahen wir eine Gelegenheit, einen interessanten Artikel zu verfassen, der die Zubereitung eines der berühmtesten römischen Gerichte mit Physik verbindet.“
Systematisches Sauce-Studium
Wie aber kommt es zu dem unerwünschten Effekt? Und wie lässt er sich vermeiden? Um dies herauszufinden, schreiben die Forschenden, „charakterisieren wir das Phasenverhalten der Lösung aus Wasser, Stärke und Käse“. „Unser Ziel war es, systematisch die Struktur der Sauce zu studieren, indem wir die Menge von Käse, Wasser und Stärke variieren, die man auch als Zutat betrachten kann, wenn auch als versteckte“, erklärt Olmeda.
Physiker Fabrizio Olmeda
„Wir sahen wir eine Gelegenheit, einen interessanten Artikel zu verfassen, der die Zubereitung eines der berühmtesten römischen Gerichte mit Physik verbindet.“
Ergebnis: Neben der Temperatur des Kochwassers ist vor allem der Stärkegehalt darin entscheidend. Dabei gilt: Eine höhere Stärkekonzentration verzögert die Klumpenbildung, die dann erst bei höheren Temperaturen eintritt. Damit bestätigte die Wissenschaft, was jede italienische Großmutter aus Erfahrung weiß: Pasta-Wasser ist eine Zutat für sich und eignet sich in diesem Fall, um eine gelungene, cremige Sauce zu produzieren.
Das Physikerteam schloss noch weitere Parameter in die Experimente und Modellrechnungen ein, beispielsweise den Einfluss von Molke und des Proteins Casein im Käse. Olmeda: „Dann haben wir eine Theorie formuliert, die die wichtigsten Faktoren einschließt: Käseprotein, Stärke und Wasser. Abschließend präsentieren die Physiker ein „wissenschaftliches Rezept“ zum Nachkochen zu Hause – für den Fall, dass man nicht in der glücklichen Situation ist, eine italienische Großmutter daheim zu haben.
Das wissenschaftliche Rezept
Entscheidend sei, betonen die Wissenschafter dabei erneut, die richtige Balance, das perfekte Verhältnis von Stärke zu Käse. Beträgt der Stärkegehalt weniger als ein Prozent der Käsemasse, ist die Sauce ziemlich sicher ruiniert und die Mozarella-Phase fast unvermeidlich. Mehr als vier Prozent Stärkegehalt führen dagegen zu einer ungenießbaren Pampe. Der Idealbereich liege somit bei zwei bis drei Prozent Stärke, gemessen an der Pecorino-Menge.
Wie aber bekommt man exakt diesen Anteil beim Kochen korrekt hin? Erfahrene Köche mögen dies intuitiv wissen, allen anderen empfehlen die Physiker, nicht Pastawasser zu verwenden, die sogenannte Risottata, sondern vier Gramm Stärkepulver (Mais- oder Kartoffelstärke) in 40 Gramm erwärmtem Wasser zu verrühren, bis sich eine klare Flüssigkeit bildet. Diese vermische man nach kurzer Abkühlung mit 160 Gramm Pecorino und würze anschließend mit Pfeffer.
Sollte die Konsistenz noch nicht passen und man eine etwas flüssigere Sauce bevorzugen, könne man doch noch vorsichtig ein paar Löffel Nudelwasser hineinrühren, das man parallel dazu zwecks Zubereitung von 240 Gramm Pasta aufgesetzt hat – vorzugesweise Tonnarelli, Spaghetti seien aber auch okay. Die Methode, sind die Forschenden jedenfalls überzeugt, biete eine „simple und dennoch präzise“ Möglichkeit, jedes Mal zuverlässig Cacio e pepe zuzubereiten.