Blutspurensuche

Konservierung von Nabelschnurblut: Stammzellenbank im Verdacht der Täuschung

Medizin. Stammzellenbank im Verdacht der Konsumententäuschung

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Bedeutsame Fragen des täglichen Lebens werden heute gerne im Kreis von Gleichgesinnten in Internetforen diskutiert. Für junge Frauen ist naturgemäß das Thema Schwangerschaft von hoher Relevanz. Unlängst stand das Stichwort "Nabelschnurblut einlagern“ zur Debatte. "Hat das jemand von euch gemacht? Es gibt ja mehrere Nabelschnurblutbanken in Österreich“, wollte eine Teilnehmerin wissen. Die Antworten kamen prompt: "Freunde haben bei Cord Blood Center eingelagert“, berichtete eine junge Frau, "glaube, die waren zufrieden“. Eine andere Diskutantin vermeldete: "Vom Preis-Leistungs-Verhältnis soll wirklich Cord Blood Center am besten sein.“ Eine dritte fügte hinzu: "Von vielen Seiten immer wieder Cord Blood Center empfohlen bekommen.“

Womöglich würden die Frauen ihre Tipps überdenken, wäre ihnen jene Kritik bekannt, mit der sich das Unternehmen nun konfrontiert sieht. Diese mündet in der Frage: Können dessen Klientinnen sicher sein, dass ihr Nabelschnurblut wirklich, wie versprochen, nach modernen Standards in Österreich aufbewahrt wird?

Alleskönner unter den Zellen
Es geht dabei um einen medizinischen Service, der vor allem in Privatkliniken offeriert wird. Das Blut der Nabelschnüre, so die zentrale Aussage, sei viel zu kostbar, um nach der Geburt eines Kindes einfach entsorgt zu werden. Stattdessen möge, wer ernsthaft Verantwortung für den Nachwuchs trage, Blutproben aus Nabelschnur oder Plazenta bei spezialisierten Anbietern einlagern. Denn Nabelschnurblut enthält Stammzellen - jene Alleskönner unter den Zellen, welche das Potenzial besitzen, sich in fast jede Art von Gewebe zu verwandeln. Sollte das Kind eines Tages von einer gravierenden Krankheit wie Krebs oder einem neurologischen Leiden heimgesucht werden, könnte es im Wege einer Transplantation mit frischem körpereigenem Material behandelt werden.

Diese Verheißungen haben dazu geführt, dass in den vergangenen Jahren immer mehr Unternehmen auf den Markt drängten, welche die private Entnahme und Konservierung solcher Blutproben im Kryotank anbieten - die langfristige Lagerung bei bis zu minus 196 Grad. Diese Betriebe heißen Vita34, Vivocell, Vitacord oder eben Cord Blood Center, und deren Geschäftsmodell ist stets ähnlich: Sie schließen Kooperationsverträge mit Kliniken wie dem Wiener Goldenen Kreuz oder dem Wiener Rudolfinerhaus ab und schicken Entnahmeteams in die Kreißsäle, die nach erteiltem Einverständnis der werdenden Mütter die Blutproben mithilfe spezieller Sets einsammeln und der Einlagerung zuführen.

Bis zu 3000 Euro für die Stammzellvorsorge
Der vermeintliche medizinische Jackpot hat seinen Preis: Bis zu 3000 Euro kostet die Chance, in ferner Zukunft vielleicht schwere Leiden mittels Stammzelltherapie zu kurieren, hinzu kommen meist laufende Gebühren für die Einlagerung. Doch nicht nur deshalb scheint die Bereitschaft vieler Frauen, ein paar tausend Euro ins Prinzip Hoffnung zu investieren, keineswegs so ausgeprägt zu sein, wie sich das die Blutbanken einst ausmalten. Zudem mag auch kaum ein renommierter Arzt die Stammzellvorsorge vorbehaltlos empfehlen. "Ich spreche dieses Thema niemals offensiv an, allerdings werde ich von Patientinnen oft danach gefragt“, sagt Peter Husslein, Leiter der Klinik für Frauenheilkunde an der Medizinischen Universität Wien. Seine Replik sei stets dieselbe: Man erwerbe ein äußerst kostspieliges Abonnement für etwas, "das wahrscheinlich niemals relevant sein wird“. Ähnlich sieht das Christina Peters, Oberärztin und Stammzellexpertin am St. Anna Kinderspital: "Es gibt bislang keine Evidenz, dass die Einlagerung dieses biologischen Materials tatsächlich von Nutzen ist“, sagt Peters.

Überzogene medizinische Heilsversprechen
Umso heftiger rittern die Betreiber der Blutbanken um Marktanteile - nicht immer mit den feinsten Methoden. Regelmäßig werfen die Unternehmen einander überzogene medizinische Heilsversprechen oder irreführende Werbung vor. Um einander auszustechen, wird offensichtlich auch von manchen gerne die Brieftasche gezückt. "Für eine Empfehlung erhält man 150,- aufs Hebammenkonto“, heißt es in einem Protokoll über die Keilerstrategien eines der Unternehmen - also eine Provision, wenn eine Hebamme eine Frau an die betreffende Firma vermittelt. "Wir haben teils massive Schwierigkeiten, Zutritt zu den Krankenhäusern zu finden, weil Private schon gezahlt haben“, berichtet Christian Gabriel, Primar beim Linzer Roten Kreuz, das ebenfalls Nabelschnurblut einlagert - allerdings nicht in Form von kostenpflichtiger Eigenvorsorge, sondern als Spende für die Allgemeinheit. Am privaten Sektor ermöglicht in Österreich gegenwärtig nur die Grazer Vivocell Fremdspenden.

Abgesehen von den manchen Unschärfen im Geschäftsgebaren der Branche liegen profil nun Dokumente speziell in Bezug auf Cord Blood Center vor, die folgende Fragen aufwerfen: Ist das Unternehmen - jedenfalls nach eigenen Angaben Österreichs größte Nabelschnurblutbank und in Europa die Nummer zwei mit insgesamt 130.000 Kunden - überhaupt in der versprochenen Form in Österreich aktiv? Oder handelt es sich, wie Kritiker behaupten, bloß um eine Art Scheinpräsenz?

Letzteres würde sich kaum mit der Erwartungshaltung der betuchten Klientinnen decken. Immerhin wird auf der Website von Cord Blood Center unzweideutig verkündet: "Ihr Nabelschnur- und Plazentablut wird in Österreich gelagert, wo die CBC Gruppe eine vom Österreichischen Gesundheitsministerium nach dem Gewebesicherheitsgesetz zertifizierte Gewebebank betreibt.“

Genau das, sagen profil-Informanten, sei aber nicht korrekt. De facto sei das Unternehmen, das gerne mit prominenten Testimonials wie dem Sportler Thomas Morgenstern und dessen Lebensgefährtin wirbt, in Österreich praktisch inexistent. In Wirklichkeit würden die Blutproben außer Landes gebracht.

Alles böswillige Unterstellungen und Intrigen verleumderischer Konkurrenten, hält Cord Blood Center dagegen. Mit Lügen und übler Nachrede werde versucht, die Firma in Misskredit zu bringen.

Doch was stimmt nun?

Im österreichischen Firmenbuch wurde die Cord Blood Center AT GmbH per 8. Mai 2009 eingetragen, alleinige Eigentümerin ist die Cord Blood Center s. r. o. mit Sitz in Bratislava. Beschäftigtenstand des Österreich-Zweiges laut Online-Firmendatenbank: 1.

Domiziliert ist die Österreich-Niederlassung in einem Businesspark bei Wiener Neustadt, in dem den Mietern Büros und Lagerhallen zur Verfügung stehen. Dort belegt Cord Blood Center das Objekt 3.4.F mit einer Fläche von 195 Quadratmetern. Die Nutzung genau dieser Räumlichkeiten ließen den Verdacht keimen, dass die werdenden Mütter womöglich nicht ganz jenen Service bei der Konservierung ihrer Nabelschnurstammzellen erhalten, den sie sich vermutlich vorstellten, als sie den Vertrag unterzeichneten - und damit zustimmten, an Cord Blood Center zwischen 1290 und 2790 Euro zu überweisen, je nach gewähltem Paket.

Erste Merkwürdigkeiten zeichneten sich ab, als die Justiz Schriftstücke an die Firmenadresse zustellen wollte - und scheiterte. Im Zusammenhang mit einem Wettbewerbsverfahren notierte ein Gerichtsvollzieher im März, dass das Hinterlegen von Post nicht möglich sei, weil das Büro "nur ein bis zwei Mal im Jahr von der verpflichteten Partei besucht wird“. Folglich erklärte sich das Bezirksgericht Wiener Neustadt in der Causa für unzuständig: "Da (…) keinerlei Geschäfts- und Verwaltungstätigkeit in Wiener Neustadt festzustellen war und sich auch sonst keinerlei Adresse in Österreich ergeben hat, (…) ist davon auszugehen, dass der Sitz der Hauptverwaltung in der Slowakei ist.“

Mitarbeiter eines Mitbewerbers versuchten ebenfalls, Angestellte von Cord Blood Center in dem Businesspark aufzustöbern. Sie fanden kein Firmenschild, befragten deshalb Nebenmieter sowie die Hausverwaltung und bekamen zu hören: nie etwas von der Firma gehört; kennen wir nicht; bestenfalls sporadisch jemand anzutreffen.

Einen ähnlichen Eindruck vermitteln Fotos, welche die als Nabelschnurblutbank ausgewiesene Lagerhalle zeigen: vorwiegend gähnende Leere, bloß zwei Gerätschaften sind darin geparkt. Bei einem Apparat handelt es sich um einen Kryotank, allerdings zu einem Gutteil in Plastikfolie eingewickelt und nicht angeschlossen. Im oberen Bereich des Tanks ist ein Monitor zu erkennen, der üblicherweise die Temperatur im Inneren des Tanks anzeigen würde. Kann man auf diese Weise hochsensible Stammzellen für Jahre oder gar Jahrzehnte bunkern? Entspricht dieses Setting den für das Hantieren mit humanem Gewebe gängigen Reinraumbedingungen?

Keinesfalls, sagen zwei Experten, denen profil die Bilder zur Beurteilung vorlegte. Abgesehen davon, dass die Apparaturen außer Funktion seien, sei es beispielsweise erforderlich, zumindest zwei solcher Tanks parallel zu betreiben, damit das biologische Material rasch umgelagert werden könne, wenn ein System ausfalle.

Besonders verwirrend erscheint allerdings, dass diese eher rudimentär bestückte Lagerhalle hochoffiziell als Gewebebank zugelassen ist, und zwar nach erfolgter Inspektion der zuständigen Behörde im April 2012. Derlei Kontrollen fallen in die Kompetenz des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG), eines Departments der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), die im Auftrag des Gesundheitsministeriums aktiv wird.

Doch was genau haben die Kontrolleure damals begutachtet? Zwei nicht mal am Stromnetz hängende Maschinen, von denen es einer, Detail am Rande, sogar an der Luft in den Reifen mangelt?

Selbstverständlich sei das Unternehmen geprüft worden, bevor es auf jener Liste stehen durfte, auf der nach Paragraf 29 des Gewebesicherheitsgesetzes sämtliche österreichischen Gewebebanken und Entnahmeeinrichtungen verzeichnet sind - ein Konvolut von immerhin 26 Seiten. Dies erklärt Christoph Baumgärtel, Pressesprecher der AGES, der zwar bestätigt, dass jene Infrastrukturen, die auf den Bildern zu sehen sind, nicht den Standards einer in Betrieb befindlichen Gewebebank entsprechen, im Anschluss aber präzisiert: "Es liegt eine Zertifizierung als Entnahmeeinrichtung sowie eine Bewilligung als Gewebebank vor. Die Verarbeitung der gewonnenen Zellen und Gewebe erfolgt in der Slowakei. Es gelten damit die Qualitätsstandards der Slowakei.“ Es liege auch eine Bestätigung der slowakischen Behörden über die dortige Zulassung des Unternehmens vor. "Rein rechtlich, aus Sicht des Gewebesicherheitsgesetzes, spricht nichts gegen die Durchführung der Tätigkeiten, welche im Umfang der Zertifizierung respektive Bewilligung der Cord Blood Center Österreich enthalten sind.“ Dass den Klientinnen ausdrücklich eine Lagerung in Österreich versprochen werde, mute zwar seltsam an, sei aber nicht Gegenstand der behördlichen Kontrolltätigkeit.

Dass in der Österreich-Niederlassung faktisch niemand anzutreffen sei, müsse man dagegen wohl hinterfragen, so Baumgärtel: "De facto muss jemand in Österreich greifbar sein, das wird von uns auch gefordert.“ Deshalb werde man bei der nächsten Überprüfung genauer auf diese Umstände achten. Gelegenheit dazu ist bereits am Montag dieser Woche: Da ist eine Inspektion bei Cord Blood Center angesetzt - ein rein zufälliges zeitliches Zusammentreffen mit den profil-Recherchen, wie beteuert wird. Ein ebensolches Ereignis wohl auch, dass just der Leiter des Bereichs Überwachung der AGES vorige Woche seines Postens enthoben wurde.

Die Kontaktaufnahme zu Cord Blood Center selbst gestaltet sich anfangs etwas schwierig, doch schließlich reagiert der Geschäftsführer selbst - Zohdy Hamid, Chef der Zentrale in Bratislava, wobei die Konversation auf Englisch stattfindet. Hamid antwortet ziemlich ausführlich, beklagt eingangs, dass, statt die medizinischen Aspekte der Nabelschnurblutkonservierung zu würdigen, sein Unternehmen ständig als "dubios“ bezeichnet oder gar in die Nähe der "Mafia“ gerückt würde und immer noch Vorurteile gegen "Ostblockfirmen“ bestünden.

Den konkreten Vorhalt, Cord Blood Center sei in Österreich kaum präsent, kontert Hamid wie folgt: Er verweist zunächst auf die amtliche Zertifizierung durch die AGES sowie einen aufrechten Mietvertrag in Wiener Neustadt. Dass die Wiener Neustädter Lagerräume derzeit nicht unbedingt üppig ausgestattet seien, könne er erklären: Die Infrastrukturen seien zwar bereit zur Einlagerung von Nabelschnurblut und voll funktionstauglich, allerdings sei die Zahl jener Proben, die zur Konservierung in Österreich bestimmt seien, noch zu gering, um einen kompletten Tank zu füllen. Doch sobald das erste Behältnis gänzlich befüllt sei - voraussichtlich im Sommer -, werde es der permanenten Lagerung in Österreich zugeführt. Hamid: "Zurzeit ist der erste Behälter zur Einlagerung in Wiener Neustadt noch nicht komplett befüllt und noch nicht zum Transport bereit.“

Dass die Aussagen auf der Website anderes suggerieren, räumt Hamid ein: "Der Text könnte missverständlich sein, es war aber keineswegs die Absicht, die Leute irrezuführen.“ Er werde die Angaben auf der Website ändern lassen. Im Aufklärungsgespräch, so Hamid, würden aber die Kunden stets korrekt informiert, dass das Blut vorerst ins Labor nach Bratislava käme. Und sollte dennoch eine Überstellung einer Probe nach Wiener Neustadt gewünscht sein, könne man das sofort bewerkstelligen. Bislang sei das aber noch nie eingefordert worden.

Eine Auffrischung des Wissensstandes dürften auch jene Kliniken begrüßen, die Verträge mit Cord Blood Center unterhalten. Im Wiener Rudolfinerhaus heißt es, man habe "über die Modalitäten der Einlagerung keinerlei Kenntnis“. Das Goldene Kreuz reagierte inzwischen: Die profil-Recherchen hätten "den letzten Anstoß gegeben, die Geschäftsbeziehung mit dem Cord Blood Center zu kündigen“. Klare Worte findet auch David Kleiner, Prokurist des Sanatorium St. Leonhard: Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, "schmeiß ich sie raus“.

Alwin   Schönberger

Alwin Schönberger

Ressortleitung Wissenschaft