Mehr Elons für Europa: Ein Österreicher leitet die europäische NASA

Der Tiroler Josef Aschbacher ist der erste Österreicher an der Spitze der Europäischen Weltraumorganisation ESA - und will sie konkurrenztauglich und diverser machen.

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Schon als Kind sah Josef Aschbacher am elterlichen Bergbauernhof im Tiroler Ellmau fasziniert auf zu den Sternen. Später, nachdem sein Wunsch Astronaut zu werden gescheitert war, machte der Meteorologe und Geophysiker vor allem im Bereich der Erdbeobachtung Karriere und kam so dem Weltraum immer näher. Seit 1. März ist er als erster Österreicher Chef der Europäischen Weltraumorganisation ESA und verhandelt mit der NASA darüber, die ersten Europäer auf den Mond zu bringen.

Während die NASA vor Kurzem medienwirksam die Landung des Mars-Rovers "Perseverance" feiern konnte, ist ihr europäisches Äquivalent, die European Space Agency, etwas ins Hintertreffen geraten. Der Start der neuen Trägerrakete Ariane 6 vom "Weltraumbahnhof" Kourou in Französisch-Guyana musste auf 2022 verlegt werden. Wann genau sie starten kann, soll nun eine von Aschbacher eingesetzte Kommission klären. In Teilen dürfte sie dann aber schon überholt sein im Vergleich zu jenen Raketen, die Elon Musk mit SpaceX bereitstellt. Musk läuft den Europäern momentan den Rang ab, was den preiswerten Transport von Satelliten ins All angeht.

Diese zunehmende Privatisierung und Kommerzialisierung der Raumfahrt macht der ESA zu schaffen und somit auch Josef Aschbacher. Vom Silicon Valley will er sich drei Dinge für die ESA abschauen: "Talente, Geld und Geschwindigkeit." Geniale Köpfe habe man, so Aschbacher im Pressegespräch, aber beim Zugang zu Geld und bei der Geschwindigkeit der Entwicklung hapert es noch. Die ESA ist eben eine Organisation, in der 22 Mitgliedsstaaten mitreden wollen. Die Auslagerung von Forschung an private Unternehmen könnte eine Möglichkeit sein, Prozesse zu beschleunigen: "Firmen wie SpaceX bringen uns voran. SpaceX konnte aber nur deswegen so erfolgreich sein, weil die NASA insgesamt 10 Milliarden in das Unternehmen investiert hat." Das solle auch die Rolle der ESA sein.

Aschbacher sieht die ESA als Entwicklungsagentur: "Unsere Aufgabe ist es, für private Firmen Möglichkeiten zu schaffen und ihnen zu helfen, sich am kommerziellen Markt zu etablieren, da muss Europa nachholen". Dafür hätte er gerne mehr Geld zur Verfügung, eventuell auch von privaten Investoren. Das Budget der ESA betrage mit 6,5 Milliarden aus den Mitgliedsbeiträgen im Jahr 2021 nur einen Bruchteil dessen, was andere Weltmächte ausgeben: "Wir müssen uns fragen, ob Europa weiterhin so wenig für Raumfahrt ausgeben will."

Die Sinnfrage ist für Aschbacher in Zeiten des Klimawandels schnell geklärt: Nicht nur den Anstieg des Meeresspiegels könne man am besten mit Satelliten messen. Für ihre Technologie zur Erdbeobachtung ist die ESA weltweit angesehen, sie fühle "den Puls des Planeten". Ein Thema, das Aschbacher am Herzen liegt, war er doch bis zuletzt selbst Direktor des Erdbeobachtungsprogrammes. Auch mit den USA zeichnet sich unter Präsident Joe Biden in Sachen Klimawandel wieder eine verstärkte Zusammenarbeit ab. "Die technologische Entwicklung trägt natürlich auch bei zum CO2-Fußabdruck, aber der Nutzen ist weit größer", so Aschbacher, "wir sollten die Erde schützen und uns auf sie konzentrieren, bevor wir überlegen uns am Mars eine zweite Erde aufzubauen, was nicht so einfach ist".

Die ESA selbst wolle ebenfalls grüner werden, auch angesichts der politischen Entwicklungen in Europa: "Immer mehr junge Leute wählen grün". In dieselbe Kerbe schlagen Initiativen für mehr Diversität in der Organisation. Ab Ende März sucht die ESA nach Kandidaten für ihr Astronauten-Programm, dabei will man vermehrt Frauen ansprechen: "Zum ersten Mal werden außerdem auch Para-Astronauten gesucht, also Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen."

Um Menschen für die Raumfahrt zu begeistern, brauche es auch in Europa mehr mediale Events wie die Landung von Perseverance, die Aschbacher gemeinsam mit seiner 8-jährigen Tochter gespannt verfolgte: "Wir brauchen sowas auch und wir haben ja auch diese fantastischen Leistungen, 2014 schaffte es die ESA zum Beispiel mit Rosetta als Erste auf einem Kometen zu landen."

Die Gründung von Weltraumstreitmächten, wie der "Space Force" in den USA, sieht Aschbacher entspannt. Auch wenn es in den kommenden Jahren deutlich hektischer zugehen dürfte im Weltall, gäbe es kaum Konfliktpotenzial. Die militärischen Einheiten dienen laut Aschbacher vor allem dazu, die eigenen Satelliten zu schützen und Cyberangriffe möglichst früh zu unterbinden. 

Das größere Zukunftsproblem sieht er vielmehr im Weltraummüll. Über 5000 funktionierende und alte Satelliten kreisen momentan um die Erde, durch Kollisionen und Explosionen entstehen weitere Trümmerteile. Immer öfter müsse man Ausweichmanöver fliegen, um Weltraumschrott zu umgehen.

Die ESA will hier Abhilfe schaffen. Ab 2025 soll "Adrios" Aufräumarbeiten in der Erdumlaufbahn durchführen - eine Art Abschleppwagen für den Weltraum, der Satelliten mit seinen Roboterarmen erfasst und in eine Bahn führt, in der sie schließlich in der Atmosphäre verglühen. Ganz nach dem Motto, das Aschbacher auch in seiner Arbeit als Generaldirektor der ESA verfolgen will: "Make space for Europe."