Beschlagnahmte Produkte im Archiv des Naturhistorischen Museums. In der Mitte ein von einer Brillenschlange umschlungener Mungo.
Wissenschaft

Operation Kobra: Zu Besuch im DNA-Labor für Wildtierkriminalität

Erschossene Seeadler, illegal gehandeltes Elfenbein und Krokodillederstiefel: Bei Mord und Totschlag setzt die Kriminalpolizei schon lange auf Gendatenbanken. Nun zieht der Artenschutz nach.

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In einer WhatsApp-Gruppe des österreichischen Zolls werden Bilder geteilt, deren Betrachtung einen guten Magen voraussetzt. Da finden sich Trophäen von Zebras oder seltenen Wildziegen, Mäntel aus Ozelot-Fell, Stiefel aus Krokodilleder oder Schlangenschnaps: eine in eine kleine Flasche gestopfte Schlange, garniert mit einem giftigen Skorpion, übergossen mit Hochprozentigem. Die Whats-App-Gruppe ist hochkarätig besetzt: Expertinnen und Experten vom Tiergarten Schönbrunn, vom Haus des Meeres, von der Artenschutzbehörde des Klimaministeriums und vom Naturhistorischen Museum Wien (NHM) erkennen oft auf den ersten Blick, ob es sich bei den am Flughafen Schwechat entdeckten Spezies um eine illegal gehandelte Art handeln könnte.

Bei Amphibien und Reptilien ist Silke Schweiger vom NHM am Zug. Identifiziert sie auf den Fotos vom Zoll ein Tier, das im Washingtoner Artenschutzabkommen CITES gelistet sein könnte, bekommt sie das Exemplar zur näheren Bestimmung geliefert. Das 1975 in Kraft getretene Abkommen regelt den Handel mit derzeit mehr als 35.000 bedrohten Tier- und Pflanzenarten, in vielen Fällen verbietet es ihn komplett. In Schweigers Büro und der herpetologischen Sammlung finden sich ausgestopfte Schlangen mit gereckten Hälsen, Panzerteile von Meeresschildkröten und Schnapsflaschen mit allerlei Getier. Manchen gelten Letztere als Arznei oder Potenzmittel. „Trinken würde ich das im Leben nicht. Der Bodensatz ist meist voller Gewebeteile, der Alkohol von geringer Qualität“, sagt Schweiger.

Kürzlich landete ein Haufen beschlagnahmter Jacken auf ihrem Schreibtisch: Das Leder stammte von Lämmern, der Fellbesatz von Kaninchen, so weit alles legal. Nur die Applikationen auf Schultern und Armen waren höchst verdächtig. Handelte es sich um Krokodil-, Schlangenleder – oder gar um einen Mix aus beidem?

Wenn Silke Schweiger sichergehen will, wendet sie sich an ihre Kollegin Luise Kruckenhauser. Sie ist stellvertretende Leiterin des DNA-Labors im NHM, das die genetischen Fingerabdrücke von bedrohten Tieren bestimmt. Und nicht nur das: Kruckenhauser und ihr Team tragen die Ergebnisse je nach Fall in heimische und internationale Datenbanken ein. Bei Kapitalverbrechen setzt die Kriminalpolizei schon lange auf zentral gespeicherte DNA-Proben – im Artenschutz bedient man sich nun derselben Methodik. Die Register helfen, Wilderer-Routen aus Afrika und Asien nachzuverfolgen, aber auch illegale Abschüsse heimischer Luchse, Wölfe und Greifvögel aufzuklären. Eine kürzlich im Fachblatt „Science“ erschienene Analyse zeigt: Die DNA ist mittlerweile die Königsdisziplin bei der Aufklärung von Wildtierkriminalität.

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort, ihre Schwerpunkte sind Klima, Medizin, Biodiversität, Bodenversiegelung und Crime.