Eieruhr: Wie berechnet man Ostern und den Frühlingsbeginn?
Ostern hat keinen fixen Platz im Kalender. Der Grund dafür ist nur zum Teil religiöser Natur. Wann wir Ostereier verstecken und wann die Kinder Ferien genießen dürfen, hängt vor allem davon ab, wie sich die Erde und der Mond durchs Weltall bewegen.
Ostern wird bekanntlich in Gedenken an jenen Tag gefeiert, an dem Jesus auferstanden sein soll. Laut Bibel geschah das während des jüdischen Pessachfests, das am 14. Nisan begangen wird. Nisan war der erste Monat des jüdischen Kalenders, der Frühlingsmonat, mit dem das Jahr begann. Der Kalender, den wir heute verwenden, ist ein Sonnenkalender und basiert auf der scheinbaren Bewegung der Sonne am Himmel, also in Wirklichkeit auf der Bewegung der Erde um die Sonne. Der jüdische Kalender dagegen berücksichtigt auch den Lauf des Mondes um die Erde. Der erste Tag jeden Monats beginnt mit dem ersten Licht des neuen Mondes immer dann, wenn nach dem Neumond zum ersten Mal wieder eine dünne Mondsichel sichtbar wird. Der Vollmond folgt knapp zwei Wochen später. Wenn das Pessachfest am 14. Nisan beginnt, liegt es immer auch in zeitlicher Nähe zum Vollmond.
Streit um Osterdatum
Als die frühen Christen ihre ersten Osterfeste feierten, war man sich allerdings nicht einig, wann genau sie stattfinden sollten. Da gab es zum Beispiel die Gruppe der kleinasiatischen Quartodezimaner, die Ostern regelmäßig am 14. Nisan feierten, egal auf welchen Wochentag dieses Datum fiel. Die so genannten Protopaschisten indes legten Ostern stets auf den ersten Sonntag nach dem 14. Nisan. Dieser Osterstreit um das Datum und die richtige Art und Weise, es zu bestimmen, wurden in der jungen Kirche zum hitzig debattierten Thema. Schließlich waren kalendarische Berechnungen damals nicht so einfach wie heute.
Um einen Kalender zu erstellen, brauchte man astronomisches Wissen sowie die Fähigkeit, astronomische Beobachtungsdaten schlüssig auszuwerten. Sollte Ostern zum Pessachfest oder am Sonntag nach dem Beginn des Pessachfestes stattfinden, musste man naturgemäß wissen, wann der Vollmond zu sehen ist und wann nicht. Und da Pessach während des ersten Vollmonds im Frühling gefeiert wurde, bedurfte es überdies der Kenntnis, wann der Frühling überhaupt beginnt. Um den Anfang der Jahreszeiten zu bestimmen, mussten die Menschen anfangs große Bauten aus Holz und Stein errichten. Stonehenge oder die jahrtausendealten Kreisgrabenanlagen in Niederösterreich dienten nicht nur religiösen Zwecken, sondern auch dazu, den Lauf von Sonne und Mond zu verfolgen. Heute brauchen wir dazu nur auf den nächsten Wandkalender zu schauen oder eine App auf dem Smartphone zu starten. Die frühen Christen trieben zwar keinen Aufwand in Stonehenge-Dimensionen mehr, mussten aber immerhin komplizierte Tabellen konsultieren und ausgedehnte Kalkulationen durchführen.
Dennoch ließen sich der Beginn des Frühlings oder die Tage des Vollmonds nur mühsam für lange Zeiträume im Voraus bestimmen. Dafür waren die astronomischen Beobachtungsmöglichkeiten und das Verständnis der Bewegung der Himmelskörper nicht ausgereift genug. Damals wurde bekanntlich noch die Meinung vertreten, die Erde sei das Zentrum des Universums und alles bewege sich um sie herum. Heute wissen wir freilich, dass das nicht stimmt, aber um zu berechnen, wann der Frühling beginnt, ist es einfacher, so zu tun, als drehe sich die Sonne um die Erde. Die Astronomen nennen das sphärische Astronomie.
Dabei ignoriert man bewusst die Tatsache, dass sich die Erde durch das Weltall bewegt und betrachtet nur die Bewegung der anderen Himmelskörper, wie sie sich von unserem Standort aus darbietet. Die Sonne geht jeden Tag im Osten auf und im Westen unter und wandert dazwischen über den Himmel. Diese Bewegung ist natürlich nur eine scheinbare und wird durch die Rotation der Erde um ihre eigene Achse verursacht. Würde die Erdachse exakt senkrecht auf der Ebene der Erdbahn stehen, wäre die scheinbare Bewegung der Sonne immer gleich. Die Erdachse ist aber ein wenig geneigt, und deshalb ändert sie sich im Lauf eines Jahres. Im Sommer steht die Sonne zu Mittag höher am Himmel als im Winter. Sie beschreibt einen längeren Bogen über den Himmel, weshalb die Sommertage länger als jene im Winter sind. Nur an zwei Tagen im Jahr sind Nacht und Tag exakt gleich lang: Wissenschafter nennen dies Äquinoktien, der Volksmund Tag-und-Nacht-Gleiche. Wenn die Tage nach dem Äquinoktium wieder länger werden, beginnt der Frühling. Im anderen Fall beginnt der Herbst.
Gnädige Meteorologen
Auf der Nordhalbkugel der Erde ereignet sich die Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche stets am 19., 20. oder 21. März. Sie findet deshalb nicht immer am selben Tag statt, weil unser Kalenderjahr nicht exakt mit der Umlaufzeit der Erde um die Sonne übereinstimmt. Der Kalender umfasst normalerweise 365 Tage. Die Erde braucht aber 365 Tage, fünf Stunden, 48 Minuten und 45,216 Sekunden für eine Runde um die Sonne. Dank moderner Atomuhren lässt sich diese Zeit exakt wie nie zuvor bestimmen, und die Wissenschafter bauen immer präzisere Uhren. An der Physikalisch Technischen Bundesanstalt in Braunschweig wurde kürzlich eine Atomuhr konstruiert, die in 300 Millionen Jahren nur um eine Sekunde falsch geht.
Eine Abweichung von fast sechs Stunden zwischen Kalenderjahr und realer Umlaufzeit können wir demnach nicht einfach ignorieren. Um diesen Unterschied auszugleichen, wird alle vier Jahre ein Schalttag eingefügt. Doch durch diese Korrektur dauert das Kalenderjahr nun insgesamt ein wenig länger als die Umlaufzeit der Erde, weshalb das Schaltjahr alle 100 Jahre ausgesetzt wird. Aber auch diese neuerliche Korrektur ist nicht perfekt, und alle 400 Jahre muss man auf die Korrektur der Korrektur verzichten, um die Abweichungen nicht zu groß werden zu lassen. Und selbst diese Schaltregeln können die Differenz zwischen Kalenderjahr und realer Umlaufzeit der Erde um die Sonne nicht gänzlich ausgleichen.
Unser Kalender geht im Vergleich mit der Bewegung der Erde momentan ein wenig vor. Deswegen startet der Frühling in den kommenden Jahrzehnten immer am 19. oder 20. März. Erst im nächsten Jahrhundert hat sich der Unterschied so weit verringert, dass sich die Tag-und-Nacht-Gleiche wieder am 21. März ereignen wird, und zwar im Jahr 2102.
Im Gegensatz zu der komplizierten Definition der Astronomen haben sich die Meteorologen gnädig auf ein relativ simples Vorgehen geeinigt. Demnach fällt der Frühlingsanfang immer auf den 1. März. Der Sommer beginnt stets am 1. Juni, der Herbst am 1. September, der Winter am 1. Dezember. So dauert jede Jahreszeit genau drei Monate, und es fällt deutlich leichter, Statistiken zu erstellen und Wetterdaten zu vergleichen. Auf der Erde funktioniert das friktionsfrei, denn die Jahreszeiten sind zwar auf den verschiedenen Hemisphären unterschiedlich und trotzdem gleich lang. Der Frühling auf der Nordhalbkugel dauert im Durchschnitt genauso lange wie jener auf der Südhalbkugel auch wenn dieser erst stattfindet, wenn im Norden schon wieder Herbst ist.
Was auf der Erde hinlänglich verstanden ist, wird im Hinblick auf andere Planeten aber immer noch intensiv beforscht. Der Mars zeigt beispielsweise unterschiedlich lange Jahreszeiten. Auf der nördlichen Hälfte dauert der Frühling fast 200 Tage, der Herbst dagegen nur 145. Der Sommer im Süden kann um bis zu 30 Grad wärmer sein als jener im Norden; dafür sind auch die Marswinter auf der südlichen Hälfte deutlich kälter. Die komplexe Abfolge der Jahreszeiten auf dem Mars ist nach wie vor Gegenstand aktueller Forschung, vor allem weil sie extreme Wettererscheinungen hervorrufen kann. Während wir uns im Frühling auf warme Temperaturen freuen und uns über ein wenig Regen im April ärgern, ist das Wetter des Marsfrühlings so richtig mies. Es können Staubstürme entstehen, die den ganzen Planeten einhüllen und eine Gefahr für die Mars-Rover darstellen, die sich dort befinden.
Ein Grund für die ungewöhnlichen Jahreszeiten liegt in der Bahn des Mars um die Sonne. Im Gegensatz zur Erde, die einer fast kreisförmigen Bahn folgt, ist der Orbit des Mars oval. Wenn die Südhalbkugel Sommer hat, ist der Mars der Sonne deutlich näher als im Südwinter. Beim Mars bestimmt also nicht nur die Neigung der Rotationsachse die Abfolge der Jahreszeiten, sondern auch der jeweilige Abstand zur Sonne. Wäre die christliche Religion auf dem Mars entstanden, wäre die Osterrechnung noch komplizierter.
Es war aber auch auf der Erde schon kompliziert genug, weshalb die Kirche beschloss, den Sachverhalt zu vereinfachen. Beim Ersten Konzil von Nicäa im Jahr 325 bemühte man sich, die vielen Osterregeln zu vereinheitlichen und entschied, dass Ostern jeweils am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling gefeiert werden sollte. Und der Frühling sollte laut Dekret des Konzils immer am 21. März beginnen. Trotzdem erwies es sich in der Praxis als verzwickt, das Datum konkret zu bestimmen. Erst im Jahr 525 bat Papst Johannes I. den Mönch Dionysius Exiguus um eine endgültige Regelung. Exiguus berechnete so genannte Ostertafeln, die für die Jahrhunderte danach als Grundlage der Osterrechnung dienten.
Man musste aber immer noch in komplizierten Tabellen nachschlagen, wenn man wissen wollte, wann Ostern gefeiert wurde. Erst im Jahr 1800 löste der große Mathematiker Carl Friedrich Gauß das Problem und veröffentlichte einen Algorithmus. Statt verwirrender Tabellen schuf er eine einheitliche Rechenvorschrift (siehe Kasten am Ende).
Was Gauß schuf, war nichts anderes als ein simples Computerprogramm, wenn auch ohne Computer. Bis heute kann mit dem Algorithmus von Gauß freilich längst mit Computerunterstützung das Osterdatum schnell und problemlos für jedes beliebige Jahr berechnet werden. Und ist dieses einmal fixiert, stehen auch die anderen Feiertage fest: Christi Himmelfahrt wird exakt 39 Tage nach Ostern gefeiert, Pfingstsonntag 49 Tage nach Ostern, und Fronleichnam findet am 60. Tag nach dem Ostersonntag statt.
Das Einzige, wobei uns selbst die modernsten Computerprogramme nicht helfen können, ist die Lösung der Frage, ob wir die Ostereier im Schnee oder auf einer saftig grünen Frühlingswiese suchen. Das hängt immer noch vom Wetter ab, und dieses widersetzt sich seit Jahrhunderten erfolgreich jeder exakten Vorhersage.
Hintergrund I
Das Frühjahr ist relativ
Warum der Frühling Portugiese ist und sich mit 1,6 Stundenkilometern fortbewegt.
Was auch immer Astronomen oder Meteorologen sagen: Für uns beginnt der Frühling, wenn es draußen endlich warm wird, die Bäume grünen und die Pflanzen blühen. Dieser so genannte phänologische Frühlingsbeginn wird durch die Blühzeiten bestimmter Pflanzen definiert und hängt von der jeweiligen geografischen Lage ab. Der Vorfrühling beginnt zum Beispiel, wenn die ersten Schneeglöckchen und Märzenbecher sprießen. Das passiert im warmen Süden früher als im kalten Norden, im Tal früher als in den Bergen; in den Parks der Städte meist früher als auf dem kalten Land. Der Vollfrühling ist dann erreicht, wenn die ersten Apfelbäume blühen. Deren Blüten galten schon immer als Zeichen, dass der Frühling endgültig angekommen ist.
Aus geografischer Sicht startet der Frühling in Portugal und arbeitet sich langsam über Mitteleuropa bis nach Skandinavien vor, wo er gegen Ende Mai eintrifft. Im Schnitt bewegt sich der Frühling mit etwa 1,6 Kilometern pro Stunde fort. Wer wollte, könnte dem Frühling also problemlos zu Fuß davonlaufen.
Hintergrund II
Ostern, mathematisch
Wie Carl Friedrich Gauß das Osterdatum berechnete.
Der große Mathematiker Carl Friedrich Gauß hat zwar die Osterformel nicht erfunden, und genau genommen ist es auch keine Formel, sondern eine Gruppe von Rechenvorschriften. Die Leistung von Gauß bestand aber in der Vereinfachung der kompletten Osterrechnung auch wenn das der Laie möglicherweise angesichts der folgenden Zahlenkolonne nur schwer glauben mag. Doch statt in komplizierten Ostertafeln nachschlagen zu müssen, genügte nun die Beherrschung der Grundrechenarten.
- Der Algorithmus beginnt mit der Jahreszahl J des Jahres, für das das Datum berechnet werden soll. Diese Zahl dividiert man durch 19, durch 4 und durch 7 und bestimmt den Rest, der bei der Division übrig bleibt. Die drei Reste sind die Zahlen a, b, c.
- Dann dividiert man das Jahr noch durch 100 und ignoriert den Rest, der übrig bleibt. Das Ergebnis dieser Division ist k. Nun dividiert man k durch 3 und durch 4 und erhält die Zahlen p und q (wieder wird der Rest ignoriert).
- Aus all diesen Zahlen werden nun zwei weitere Zahlen berechnet. Die erste erhält man, wenn man zuerst 15 + k p q berechnet und das Ergebnis durch 30 dividiert. Der Rest dieser Division ist die Zahl M.
- Danach berechnet man 4 + k q und dividiert das Ergebnis durch 7. Der Rest ist die Zahl N. Dasselbe Prozedere wird noch einmal durchgeführt, um die zwei endgültigen Zahlen zu berechnen. Man multipliziert a mit 19 und addiert M. Das Ergebnis wird durch 30 dividiert und der Rest der Division ist die Zahl d.
- Nun rechnet man 2*b + 4*c + 6*d + N und dividiert durch 7. Der Rest ist die Zahl e. Mit den Zahlen d und e kann schließlich das Osterdatum bestimmt werden. Man addiert d und e und fügt 22 dazu. Das Ergebnis bestimmt den Tag im März, an dem Ostern gefeiert wird! Ist die Zahl größer als 31, liegt Ostern im April (der 32. März entspricht dem 1. April, und so weiter).
Gauß nahm an diesem Algorithmus aus dem Jahr 1800 noch ein paar Korrekturen vor, und bis heute wird nach Vereinfachungen gesucht was aber schwierig ist, denn die Grundlage der Osterrechnung bildet ja immer noch die komplexe Bewegung der Himmelskörper, die sich nicht vereinfachen lässt.
Hintergrund III
Die Osterformel
Die allgemeine Rechenvorschrift und die konkrete Herleitung für das Jahr 2013.
Der Algorithmus wird mathematisch wie folgt geschrieben:
a = J mod 19
b = J mod 4
c = J mod 7
k = J div 100
p = k div 3
q = k div 4
M = (15 + k p q) mod 30
N = (4 + k q) mod 7
d = (19a + M) mod 30
e = (2b + 4c + 6d + N) mod 7
Ostern am (22+d+e)ten März
Das Rechenbeispiel für das aktuelle Jahr:
a = 2013 mod 19 = 18
b = 2013 mod 4 = 1
c = 2013 mod 7 = 4
k = 2013 div 100 = 20
p = 20 div 3 = 6
q = 20 div 4 =5
M = (15 + 20 6 5) mod 30 = 24
N = (4 + 20 5) mod 7 = 5
d = (19*18 + 24) mod 30 = 6
e = (2 + 16 + 36 + 5) mod 7 = 3
Ostern am (22+6+3)ten März = 31. März
profil-Autor Florian Freistetter studierte Astronomie an der Universität Wien, forschte an den Universitäten Wien und Heidelberg und arbeitet seit 2011 als Wissenschaftspublizist.