Problemzone: Schmerzbehandlung in Österreich

Wer in Österreich an chronischen Schmerzen leidet, ist arm dran.

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Die meisten Patienten mit chronischen Leiden werden von Allgemeinmedizinern behandelt. Sie haben nicht die Zeit, die für die Behandlung von chronischen Schmerzpatienten notwendig ist. Eine Umfrage unter Ärzten ergab, dass diese bei Nervenschmerzen primär antirheumatische Medikamente wie Voltaren verschreiben - obwohl Antirheumatika bei dieser Art von Schmerz nachweislich nicht wirken. Bei einem Viertel der Patienten dauert es länger als ein Jahr, bis ihnen überhaupt die korrekte Diagnose gestellt wird. Jeder Zehnte betreibt das sogenannte "Doktorshopping“, das Pilgern von Arzt zu Arzt, mitunter fünf Jahre lang, bis er - vielleicht - endlich erfährt, woran er leidet.

Ausbildungsproblem

Das Problem ist unter anderem die Ausbildung der Mediziner: Während des Studiums hören die angehenden Jungärzte wenig über Analgetika und so gut wie nichts über multimodale Therapien - sie sind führenden Schmerzexperten zufolge derzeit die einzige zielführende Lösung für schmerzgeplagte Menschen. In Klagenfurt befindet sich das österreichweit einzige Schmerzzentrum, in dem ein Team aus Fachärzten, Psychologen, Ergotherapeuten, Sozialarbeitern und Physiotherapeuten für jeden Patienten eine individuelle Therapie erarbeitet. Die wenigen Schmerzambulanzen in heimischen Krankenhäusern fallen immer wieder dem Sparstift zum Opfer.

Eine Rückenoperation ist für viele Österreicher mit Kreuzschmerzen die letzte Hoffnung auf dauerhafte Linderung. Doch ist hier äußerste Vorsicht geboten: Ein Modellprojekt aus Deutschland zeigte, dass ein Großteil der Eingriffe am Rücken unnötig ist. Die Techniker Krankenkasse (TK) hatte ihren Versicherten vor fünf Jahren ermöglicht, vor Wirbelsäulenoperationen kostenlos eine Zweitmeinung in einem Schmerzzentrum einzuholen. 1700 Patienten nahmen das Angebot an, das Ergebnis: 85 Prozent blieben Operation und Klinikaufenthalt erspart - sie erhielten stattdessen Physio- und Schmerztherapie. Die deutsche Bundesregierung überlegt bereits, Patienten bei bestimmten Operationen das Einholen einer zweiten Meinung zu ermöglichen. Obwohl auch hierzulande die Zahl der unnötigen Eingriffe am Kreuz groß sein dürfte, gibt es in Österreich keine Initiativen in diese Richtung.

Hilfe zur Selbsthilfe finden Betroffene bei der Patientenorganisation Schmerz-Allianz.at

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort, ihre Schwerpunkte sind Klima, Medizin, Biodiversität, Bodenversiegelung und Crime.