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Scharfe Rechnungshof-Kritik an Betonhauptstadt Wiener Neustadt

Rechnungshof: Hohes Risiko für Hitzeinseln und Hochwasser steigt durch Bauvorhaben in Wiener Neustadt weiter. Wels wird hingegen gelobt.

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Wiener Neustadt wird den Ruf als Betonhauptstadt Österreichs nicht mehr los. Nun hat der Rechnungshof den Bebauungsplan der Stadt im Süden Wiens unter die Lupe genommen - und lässt kein gutes Haar daran. Er kritisiert vor allem die seit Jahren umstrittene Ostumfahrung, die weitere fruchtbare Äcker verschlingen und mitten durch ein Natura 2000-Schutzgebiet führen wird. Das Projekt stehe „in einem Spannungsfeld zu klima- und umweltpolitischen Zielen sowie zur Ernährungssicherheit, weil Boden versiegelt wird und landwirtschaftliche Flächen verloren gehen“, so der Rechnungshof. Ebenfalls schlecht bewertet er das Bauvorhaben „Maximilium am Stadtpark“. „Denn die geplante Bebauung – es sollen Wohnungen, Büroflächen, Lokale und ein Bildungscampus errichtet werden – könnte das bereits hohe Risiko von Hitzeinseln in der Innenstadt weiter erhöhen.“

Bürgermeister Schneeberger rechtfertigt sich

Gegen den Willen vieler Wiener Neustädter – hören Sie dazu den Podcast mit der dort ansässigen Karin Thiem (Mutter des berühmten Tennisspielers Dominic Thiem – verfolgt Bürgermeister Karl Schneeberger (ÖVP) das Projekt Ostumfahrung weiter. Im September wurde im südlichen Trassenabschnitt mit dem Bau begonnen. „Ja, wir sind für den Bau, weil er die Schadstoff-Emissionen im Stadtgebiet massiv reduzieren wird, wie Studien belegen, und weil er die Verkehrsbelastung in Wohnviertel massiv reduzieren wird. Die Versiegelung ist mit knapp fünf Hektar im Übrigen auf ein Minimum reduziert worden und geringer als bei jedem neuen Betriebsgebiet im Umkreis von Wiener Neustadt“, rechtfertigt sich Bürgermeister Schneeberger in einer Stellungnahme gegenüber profil. Er fände die RH-Prüfung „über Klimawandelanpassung unvollständig, verkürzt und populistisch“.

Wiener Neustadt bis 2050 zubetoniert?

In der Verkehrsplanungsforschung gelten Umfahrungen seit Jahren als nicht zielführend. Anders als von der Politik behauptet, sorgen diese nicht für eine Verkehrsentlastung, sondern für noch mehr Autos auf den Straßen. „Mit der Ostumfahrung plant sich Wiener Neustadt die Verkehrs- und Umweltprobleme der nächsten 50 Jahre“, sagt Verkehrsplaner Ulrich Leth von der Technischen Universität Wien. 

Wiener Neustadt könnte die erste komplett zugebaute Stadt Österreichs werden, davor warnte das Umweltbundesamt bereits 2018. Gehe das Betonieren weiter wie bis dato, würden noch vor 2050 keine Äcker und Wiesen mehr existieren, abgesehen von einem kleinen geschützten Wäldchen im Südwesten, so der Befund des Umweltbundesamts. Der Bürgermeister betont, „bereits 2022 Siedlungsgrenzen festgelegt und damit eine Verbauung außerhalb der bestehenden Siedlungsstruktur ausgeschlossen haben“.

Helmut Buzzi von der Plattform „Vernunft statt Ostumfahrung“ wehrt sich seit Jahren gegen die weitere Versiegelung der Stadt. „Der Widerstand in der Bevölkerung ist riesig. Deshalb will Bürgermeister Schneeberger auch keine Volksbefragung“, sagt Buzzi. Das Protestcamp in der Fischa-Au, einem Natura-2000-Gebiet am Nordende der geplanten Trasse, wurde nach der Räumung im Sommer wieder aufgebaut.

Lob für Entsiegelung in Wels

Die oberösterreichische Stadt Wels könnte hingegen „ein Vorbild für andere Städte sein“, so der Rechnungshofbericht. Dort ist ab 2025 eine Teilentsiegelung und Erweiterung des Volksgartens geplant. Für rund 15 Millionen Euro sollen alte Messehallen in der Nähe des Stadtzentrums abgerissen und durch eine moderne, kleinere Halle ersetzt werden; angrenzende Parkflächen sollen entsiegelt und mit dem Gelände des Volksgartens Teil einer rund zehn Hektar großen Parkanlage werden.

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort, ihre Schwerpunkte sind Klima, Medizin, Biodiversität, Bodenversiegelung und Crime.