Science Busters: Zehn Jahre Lachen für die Wissenschaft
An einem Vormittag vor ein paar Jahren saßen wir in einem Wiener Kaffeehaus und unterhielten uns über den Erfolg der Science Busters. War Martin Puntigam immer überzeugt gewesen, dass das Konzept aufgehen würde? Hätte man mit der Idee, Naturwissenschaft in unterhaltsamer Verpackung auf die Bühne zu bringen, nicht auch kolossal scheitern können? Wäre es ebenso gut denkbar gewesen, sich mit einem Dasein als Minderheitenprogramm für hartgesottene Physik-Freaks bescheiden zu müssen?
Nein, sagte Puntigam. Er habe nie bezweifelt, dass es klappen würde - und zwar deshalb, weil der Gedanke einer in jeder Hinsicht sehr auffälligen Forschertruppe auf der Kleinkunstbühne einfach zu außergewöhnlich und zu attraktiv sei, um einen Flop zuzulassen. Ein Kabarettist mimt den Ahnungslosen und stellt scheinbar dumme Fragen, Wissenschafter müssen darauf so antworten, dass jeder sie versteht (andernfalls gnadenlose Nachfragen drohen, die ein Thema bis aufs Äußerste ausreizen). Garniert wird die Show mit Explosionen, Stinkbomben, Trockeneis, kulinarischen Kreationen und Live-Effekten - ob Proteindenaturierung, Blutwunder, Kornkreise, Martial-Arts-Kämpfe oder ein Flammenwerferinferno fürs Wohnzimmer. Schließlich mühen sich alle Beteiligten nach Kräften, die unvorteilhaften Seiten ihrer äußeren Erscheinung zu betonen.
Was sollte da schiefgehen?
Puntigam behielt recht. In diesen Wochen feiern die Science Busters ihr zehnjähriges Bestehen und blicken zurück auf rund 50 Programme, diverse TV-Staffeln, eine Fülle von Preisen, Kooperationen mit Kalibern wie Gerhard Polt und Harry Rowohlt sowie vier Bücher, wobei das jüngste pünktlich zum Jubiläum erscheint und den Titel trägt: "Warum landen Asteroiden immer in Kratern?“ Auf die 33 wichtigsten Fragen der Menschheit werden ebenso viele "Spitzenantworten“ geliefert*). Zum Beispiel: Ist der Leib Christi glutenfrei?
Wie lange gilt die Garantie aufs Universum?
Diese Art der Fragestellung ist auch ein durchgängiges Element der Shows: Wie lange kocht man ein Drei-Minuten-Ei? Bekommt man Sonnenflecken bei 40 Grad hinaus? Wann ist der Heilige Geist auch innen gut durch? Wie lange gilt die Garantie aufs Universum? Und kommt man mit einem Sarg aus Vollmondholz eher in den Himmel? Wer religiöse Gefühle besitzt, die man verletzen könnte, Esoterik für eine vernünftige Methode hält, um die Welt zu betrachten, oder Sarkasmus als sündigen Frevel einstuft, wird vermutlich keine ausufernde Freude mit solchen Gedankenspielen haben. Sehr vielen Menschen dürfte all dies jedoch nicht nachhaltig aufs Gemüt drücken - so vielen, dass nicht nur die Vorstellungen im Wiener Stadtsaal und in anderen Veranstaltungsstätten Österreichs ausverkauft sind, sondern auch viele Säle in Deutschland und der Schweiz, weshalb die Science Busters phasenweise permanent auf Tour sind.
Die Bezeichnungen der Programme lauten "Bierstern, ich dich grüße“ oder "Das Universum ist eine Scheißgegend“ (kürzlich übrigens in Buchform auch auf Spanisch erschienen: "El universo apesta“) und erfüllen denselben Zweck wie die vermeintlich absurden Fragen: Sie verblüffen oder verstören und erhöhen den Aufmerksamkeitsgrad für Inhalte, die sich dahinter verbergen. Ein derber Witz oder eine skurrile Ansage dienen als Einladung in die Welt des Wissens, als Aufforderung, diese Pforte ohne Scheu zu passieren. Die Science Busters sollten somit keinesfalls als Klamaukgruppe missverstanden werden. Es handelt sich um ein Team, das sich durch ernsthafte Fachliteratur wühlt und sich bei langen Proben intensiv den Kopf darüber zerbricht, mit welchem Witz Physik, Chemie, Astronomie, Genetik und Biologie am elegantesten in die Köpfe des Publikums rutschen.
Natürlich ist eine Wissensshow keine Lehrveranstaltung (selbst dann nicht, wenn sie, wie bei den Science Busters, drei Stunden dauert), aber sie bringt uns im besten Fall auf die Idee, dass es eine lustvolle Erfahrung sein kann, die Phänomene der uns umgebenden Welt zu begreifen und auf Basis neu erworbener Erkenntnissplitter vielleicht auch die eigene Urteilskraft zu stärken und manch unsinnige Folklore zu durchschauen. Wissen kann immunisieren, gegen Aberglauben und die Umtriebe von Rattenfängern, die Unkenntnis ausnutzen, um Menschen hinters Licht zu führen. Weiß man, was es mit angeblich energetisiertem Wasser auf sich hat und wie man zu Hause ein Wunder selber basteln kann, steigert dies die geistige Abwehrkraft. Deshalb heißt das Motto der Science Busters: Wer nichts weiß, muss alles glauben. Und wenn man den Menschen das Wissen "mit Humor aufs Brot schmiert, beißen sie oft eher zu“, ist Puntigam überzeugt.
Zweite Generation
Wie ließen sich die Faszination und Deutungsmacht der Wissenschaft eindrücklicher demonstrieren als anhand von Phänomenen des Alltags? Ein winziger Magnet am Kühlschrank führt leicht vor Augen, dass Elektromagnetismus viel stärker ist als die Schwerkraft: Der Magnet hält, obwohl die Gravitation der gesamten Erde an ihm zerrt. Oder nehmen wir das Programm "Glutamat möchte mit dir befreundet sein“. Das mag nach einem spekulativen Scherz klingen, doch Mikrobiologe Helmut Jungwirth erklärt detailreich, wie abwegig die Furcht vor dem Geschmacksverstärker ist, zumal ihn unser Körper in Form von Glutaminsäure unablässig selber produziert. Wenn von "Asteroidenbier“ die Rede ist, erläutert der Astronom Florian Freistetter die Bedeutung von Asteroiden für die Existenz unseres Planeten und allen Lebens im Kosmos. Und viele Mirakel der Partnerwahl büßen rapide an Rätselhaftigkeit ein, sobald die Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher den enormen Einfluss der Gerüche auseinandersetzt.
Die Genannten bilden gleichsam die zweite Generation der Science Busters, gemeinsam mit dem Chemiker Peter Weinberger, dem Molekularbiologen Martin Moder und Günther Paal alias Gunkl, Kabarettist, kompromissloser Verfechter einer rationalen Weltsicht sowie Nebenerwerbsmetallurge. (Wer Gunkl je über die Schmelzeigenschaften von Stahl referieren gehört hat, wird nie bezweifeln, dass tatsächlich Flugzeuge die Twin Towers in New York zum Einsturz brachten.)
Begonnen hat die Geschichte allerdings mit einer anderen Besetzung, und wir gestatten uns an dieser Stelle, kurz auf eine Betrachtung aus eigener Perspektive umzuschalten, nämlich aus jener von profil. Denn es gab über all die Jahre regen Austausch zwischen den Science Busters und profil, wir druckten Texte verschiedener Mitglieder und nahmen deren fachliche Beratung in Anspruch.
Der Erstkontakt zu einem Science Buster fand statt, als es die Truppe noch gar nicht gab. Werner Gruber war damals ein junger Physiker mit einem ansteckenden Faible für Naturwissenschaften sowie einem Mitteilungsbedürfnis, dem er vorzugsweise in volkstümlicher Sprache Ausdruck verlieh. Fortan schrieb er für profil eine Kolumne, in der er Physik für den Alltag präsentierte. Es dauerte dann nicht sehr lange, bis einander Martin Puntigam und Heinz Oberhummer über den Weg liefen. Letzterer war soeben als Professor für theoretische Physik an der technischen Universität Wien emeritiert worden und spielte mit dem Gedanken, den Hörsaal gegen die Bühne einzutauschen - er hatte Aufklärungsarbeit im Sinn und zugleich die Absicht, den Menschen die Hemmung vor der scheinbar spröden Physik zu nehmen. Niemand hätte das besser gekonnt als dieses vor Esprit sprühende Energiebündel, dessen in bester Wortbedeutung kindliche Begeisterung sich augenblicklich auf andere übertrug. Puntigam hatte sich in der Kleinkunstszene mit Texten von erlesener Bösartigkeit einen Namen gemacht, und weil er sich für ein Programm mit Quantenphysik befasste, wurde Oberhummer auf ihn aufmerksam. Zusammen mit Gruber gründeten sie 2007 die Science Busters, die "schärfste Science Boygroup der Milchstraße“.
"Wuchtbrummen der Physik“
Ein solches Format hatte es bis dahin tatsächlich nicht gegeben, und das betraf nicht nur den deutschsprachigen Raum. In aller Welt waren und sind viele großartige Wissensvermittler aktiv. Aber ein Master of Ceremony in schreiend pinkem T-Shirt ("um Glutamatunverträglichkeit mit textilen Mitteln darzustellen“) samt Plastiknippeln darunter (denen niemand widerstehen könne, sofern sie gekonnt im akademischen Kontext präsentiert würden) sowie zwei, Originalzitat, "Wuchtbrummen der Physik“, live gern auch als Baloo und Mogli oder Meister Eder und Pumuckl der Physik tituliert - das war definitiv neu. Sie lästerten rituell übereinander, jagten Dinge in die Luft, kochten Schweinsbraten und spielten auch sonst gern mit Essen. Rasch wurden die Science Busters Kult, füllten die Wiener Stadthalle und bekamen ihre TV-Nische.
Ein paar Jahre danach stach uns das Buch eines jungen Astronomen namens Florian Freistetter ins Auge. Es hieß "Krawumm“ und beschrieb die schönsten Weltuntergänge. E-Mail an Werner Gruber: Kennst du Freistetter? Gruber: Klar, der ist super. Also fragten wir Freistetter, ob er für profil schreiben wolle. Er wollte, und seit damals beliefert er uns mit höchst fachkundigen Texten über Astronomie. Wenig später stand Freistetter mit den Science Busters auf der Bühne. Puntigam und Oberhummer hatten beschlossen, die Runde zu erweitern und fallweise als "Science Busters & Friends“ aufzutreten. Sie wollten die Trio-Konstellation allmählich aufbrechen, um Stagnation zu vermeiden, und Freistetters Mitwirken war der erste Schritt.
Es ist von Belang, die Geschichte in dieser Reihenfolge zu erzählen. Denn im Herbst 2015 trat eine Verkettung von Ereignissen ein, die erstens, hätte man mit der Vergrößerung des Teams nicht vorgebaut, leicht das Ende der Gruppe hätten bedeuten können, und die zweitens erstmals zu bösen Medienberichten führten. Diese lauteten, kompakt zusammengefasst: Man gehe um der Karriere willen buchstäblich über Leichen.
Anlass dafür war eine Nachricht, die uns - so etwas vergisst man nicht - am späten Vormittag eines Mittwochs im November 2015 erreichte, unmittelbar nach Ende der Redaktionskonferenz. Heinz Oberhummer war völlig überraschend verstorben. Er war zuvor ein wenig kränklich gewesen, hatte die Nachwirkungen einer Infektion mitgeschleppt und ein paar Auftritte ausgelassen. Bei jenen, die er unbedingt spielen wollte, achteten die Kollegen darauf, ihn stets zu begleiten und ihm das Gepäck abzunehmen. Mit dem plötzlichen Tod hatte aber niemand rechnen können, und für wohl jeden, der diesen über alle Maßen herzlichen Menschen näher kannte, war es ein echter Schock. Dann stieg Werner Gruber aus, unter anderem aus gesundheitlichen Gründen.
Zeitgemäße Wissensvermittlung in kurzweiliger Form
Man hätte damit das Projekt Science Busters für beendet erklären können. Es geschah aber, was gemeinsam mit Oberhummer ohnehin angedacht gewesen war, nun aber eine unvorhersehbare, dramatische Notwendigkeit bekommen hatte: Die als "Friends“ vorgesehenen Gäste avancierten zur neuen Besetzung der Science Busters - alles logische Personalien, weil es sich um einige der profiliertesten Wissensvermittler des Landes handelte: Helmut Jungwirth ist der erste Professor für Wissenschaftskommunikation. Martin Moder sammelte abseits seiner Tätigkeit im Genlabor Bühnenerfahrung bei Science Slams (vergleichbar Poetry Slams, bloß dass man in wenigen Minuten ein Forschungsthema spritzig darstellt, wobei Moder im Kostüm einer Fruchtfliege auftrat). Elisabeth Oberzaucher kann nicht nur auf eine beeindruckend lange Publikationsliste verweisen, sondern ist auch Trägerin eines Ig-Nobelpreises und tourt mit einer eigenen Ig-Nobel-Show. Und Florian Freistetter wirkt wie eine wahre Wissensfabrik: Bücher, Blogs, Podcasts, Artikel für "Spektrum der Wissenschaft“ und profil.
Die heutigen Science Busters sind damit wesentlicher Teil und wohl die Speerspitze einer wachsenden und sehr präsenten Szene in Österreich, die zeitgemäße Wissensvermittlung in kurzweiliger Form beherrscht - mit starkem Fokus auf einer rationalen Weltsicht und einer lustvoll vorgetragenen Überzeugung, dass Naturgesetze ein exzellentes Instrument bieten, wesentliche Aspekte unserer Existenz zu begreifen. Die neuen Shows beinhalten eine Spur weniger Aktionismus, sind dafür vielfältiger und inhaltlich dichter. Puntigam selbst definiert das Rezept folgendermaßen: "Gute Unterhaltung, schöne Kostüme, gediegene Fortbildung und die Demonstration, dass es eine säkulare, naturwissenschaftliche Welt eine bessere Welt darstellt.“
Die vergangenen zehn Jahre, darf man wahrscheinlich sagen, spiegeln viele Aufwärtsbewegungen sowie eine kritische Zäsur. Erklärtes Ziel ist, auch in Zukunft keine Stagnation zuzulassen - zum Beispiel, indem man das Konzept über die Grenzen des deutschsprachigen Raums trägt: Die Sprache der Wissenschaft ist ohnehin Englisch, und erste Erfahrungen mit internationalen Gästen gibt es bereits, etwa in Form gemeinsamer Auftritte mit dem amerikanischen Physiker Ronald Mallett, der am liebsten erklärt, wie man Zeitmaschinen baut.
Ganz und gar internationales Format besitzt jedoch vor allem der "Heinz Oberhummer Award für Wissenschaftskommunikation“, der im Vorjahr erstmals verliehen wurde. In Gedenken an Oberhummer ins Leben gerufen, hebt dieser Preis Persönlichkeiten aufs Podest, die besondere aufklärerische Leistungen erbracht haben. Erster Preisträger war der Pionier und Übervater aller Skeptikerbewegungen, scharfzüngiger Aufdecker von Scharlatanerie und Parawissenschaften: James Randi, mittlerweile 89 Jahre alt, trat als Magier und Entfesselungskünstler auf, bis er entdeckte, dass manche Vertreter seines Gewerbes mit der Behauptung hausieren gingen, sie besäßen tatsächlich übersinnliche Fähigkeiten - und es bereitete Randi diebische Freude, der Welt zu zeigen, dass es sich nur um Taschenspielertricks handelte. Randi folgte der Einladung der Science Busters und reiste im vergangenen November nach Wien, um den Oberhummer-Award entgegenzunehmen. Er führte auf der Bühne ein paar Zauberkunststücke vor, stets mit den Symbolen des Aberglaubens kokettierend, und erntete bei der Übergabe des Awards Standing Ovations von rund 500 Leuten. Das Publikum würdigte damit aber letztlich zwei große Kommunikatoren des naturwissenschaftlichen Denkens: Randi und Heinz Oberhummer.
Und es ist keine Übertreibung zu konstatieren: Spätestens seit diesem Abend sind die Science Busters ihrerseits zur Instanz geworden.
*) Das Programm gleichen Titels hat am 23.10. Premiere im Stadtsaal Wien. Als Gast wird Franz Viehböck mitwirken.