Der Anthropologe posiert im urzeitlichen Kostüm in Wien 1878.
Anthropologie

Skelette, Mumien, Raubkunst: Der Sammelwütige Felix von Luschan

Felix von Luschan ist einer der Gründerväter der Anthropologie und war ein obsessiver Menschensammler. 100 Jahre nach seinem Tod fragt man sich in Museen: Was tun mit dem Erbe aus der Kolonialzeit?

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Fad wurde dem Anthropologenpaar Emma und Felix von Luschan wahrlich nie. Auf der Rückreise von Südafrika im Oktober 1905 nutzten die beiden „einige müßige Stunden im Roten Meer“, um die Körper der „11 Damen und 84 Herren“ britischer Abstammung an Bord der S. S. Durham Castle nach dem damaligen Stand ihres Fachs zu vermessen. Sie verfuhren mit den Schiffsreisenden ebenso penibel wie mit indigenen Völkern aus aller Welt, wie die beiden später in einem Artikel berichteten – mit einem Unterschied: „Eine Messung des Rumpfes und der Extremitäten war durch die Umstände von Vornherein ausgeschlossen; so mußte unsere Arbeit sich auf die wichtigsten Kopfmaße und die Bestimmung der Körpergröße beschränken.“ Für Ersteres hätten sich die Mitglieder der British Association for the Advancement of Science, darunter „manch hervorragende Leuchten“ der Wissenschaft, „völlig nackt vor uns hinstellen und sich eine halbe oder eine ganze Stunde lang von uns betasten, abgreifen, anpinseln und abzirkeln lassen“ müssen. Das wollte man den edlen Damen und Herren dann doch nicht zumuten.

Felix von Luschan, dessen Todestag sich am 7. Februar zum 100. Mal jährt, gilt in den USA als Urvater der Anthropologie. In Europa sind der 1854 im niederösterreichischen Hollabrunn geborene Forscher und seine wissenschaftlich ebenso begabte Frau Emma hingegen umstritten. Tausende menschliche Skelette, tätowierte Hautproben, Mumien, Schmuck, Raubkunst wie die Benin-Bronzen, Kleidung und Waffen landeten durch die unstillbare Sammelwut der Luschans in Berlin und Wien – und sorgen heute für hitzige Debatten in Museen und Sammlungen.

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort, ihre Schwerpunkte sind Klima, Medizin, Biodiversität, Bodenversiegelung und Crime.