Von Betten, Gier und Whistleblowern
Berge aus Müll getarnt mit Kunstrasen, mechanische Kühe, chirurgisch optimierte Tirolerinnen und Tiroler: Felix Mitterers vierter Teil der „Piefke-Saga“ hat mir in der Kindheit wüste Alpträume beschert. Die Causa Ischgl hat mich mit Gänsehaut daran erinnert. Vielen ging es wohl ähnlich, auch dem Drehbuchautor, wie er Wolfgang Paterno im neuen profil erzählt. „Das Ding schreibt sich weitgehend von selbst“, sagt Mitterer über Ischgls „saisonal wütenden Ballermann“, den er in der „Piefke-Saga“ Teil fünf verewigen wird. Er bedauert nur, Kurt Weinzierl als legendären Bürgermeister vermissen zu müssen. „Kurt lag auf dem Sterbebett und schwor mir, er spiele auch als Toter mit.“
Edith Meinhart seziert im neuen profil die Tiroler Seele und legt offen, wie eng diese mit dem Tourismus verwoben ist. Auf einen Bewohner kommen in Tirol jährlich über 60 Übernachtungen. In Wien sind es keine zehn. „Zum Boom gesellt sich bald die Gier. In einigen Regionen ist Betten vermieten wie Gold schürfen. Ischgl, Kitzbühel, St. Anton und Seefeld avancieren zu internationalen Top-Destinationen“, schreibt Meinhart. Anders als in Ortschaften, wo es auch Gewerbe oder Industrie gibt, haben hier Hoteliers, Seilbahn-Unternehmer und Immobilienentwickler das Sagen. „Der Tourismus, weniger euphemistisch: der Massentourismus, ist ein Bulldozer, der über alles drüberbrettert: Gletscher, Berggrate und auch Menschen“, sagt Markus Wilhelm. Der Ötztaler Landwirt und Publizist schaut den Mächtigen genau auf die Finger. Seine Website dietiwag.org wurde zur Plattform für Whistleblower.
Wilhlem machte öffentlich, dass der Zillertaler Bergbahnen-Betreiber Heinz Schultz ausgerechnet jenen ÖVP-Landesrat günstig in einem Penthouse-Appartement einquartierte, der auch für Raumordnung zuständig war. Als Wilhelm im Februar 2018 anonyme Vorwürfe gegen Gustav Kuhn, den Intendanten der Festspiele Erl veröffentlichte, begann Edith Meinhart zu recherchieren. Es dauerte Monate, bis Opernsängerinnen bereit waren, über Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe zu reden. Sie bezeugten ihre Erlebnisse vor Gericht, vier von ihnen machten sie in profil öffentlich. „Tirol ist ein Dorf, man kennt die Netzwerke und sieht den Filz. Unser Bürgermeister heißt Günter Platter. Für jemanden wie mich ist es hier scheußlich und gleichzeitig ideal“, sagt Markus Wilhelm. Es ist beruhigend, dass es Leute wie ihn gibt in Tirol.
Haben Sie einen guten Tag!
Franziska Dzugan
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