Umstrittene Nachbesetzung: Der Fall des Professors
Viele huldigten ihm. Doch Michael Gnant, 58, Gefäßchirurg und einst Leiter der prestigeträchtigen Wiener Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie, hatte auch Feinde. Ihre Stunde schlug 2018, als interne Revisoren den Professor am Wiener AKH ins Visier nahmen. Gnant hatte sich auf Brustkrebs spezialisiert. Auf vielen Protokollen schien er als Erst-Operateur auf, obwohl die Eingriffe – laut Aufzeichnungen des Pflegepersonals – nicht von ihm durchgeführt worden waren.
Seine Patientinnen waren nicht im Bild. Sie wurden vom AKH Wien über den Verdacht informiert, nicht der berühmte Professor könnte das Skalpell geführt haben, sondern jemand anderer. Im Juli des Vorjahres klagte die Staatsanwaltschaft Wien den Chirurgen wegen des Verdachts der Täuschung an. Die Causa endete vor einem Wiener Bezirksgericht mit einer Diversion. Gnant zahlte in Summe 13.000 Euro als Schadensgutmachung. Im Beschluss heißt es, „der unbescholtene Angeklagte steht zur Tat“.
Ein Freispruch ist das nicht. Der Verzicht auf ein Strafverfahren ist möglich, wenn der Sachverhalt hinlänglich geklärt und das Delikt gering ist. Täuschung gilt als selten angeklagtes Vergehen. Ein Schuldspruch entfällt. Allerdings bleibt die Diversion justizintern zehn Jahre lang aktenkundig. Damit wäre ein eher ruhmloses Kapitel im Leben eines ruhmreichen Brustkrebsforschers geschlossen gewesen.
Gnant, der laut Rektorat an der Medizinischen Universität Wien (MUW) hier nicht mehr mit Patientinnen zu tun hat, sondern vor allem forscht, bewarb sich in Graz um den Lehrstuhl für Allgemeinchirurgie. Das rief erneut Kritiker auf den Plan. Soll jemand mit dieser Vorgeschichte junge Chirurgen ausbilden?
Die profil-Anfrage an Gnant beantwortet sein Anwalt Stefan Prochaska. Er lässt wissen, dass es um Täuschung „von lediglich vier Patientinnen“ ging, das Verfahren mit Diversion endete und daher „rechtlich kein objektiv feststellbarer Sachverhalt“ bestehe, was „wirklich passiert ist“. Dessen ungeachtet habe sich Gnant mit seinen Patientinnen besprochen. Das sei besser als eine, etwa von der Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz, eingemahnte öffentliche Entschuldigung. Sein Mandant sei einer der „publikatorisch erfolgreichsten klinischen Forscher des Landes“, habe jahrelang – sehr erfolgreich – eine Klinik geleitet, außerdem operiere er regelmäßig, vergangene Woche etwa in einem privaten Spital gleich drei Mal an einem Tag. Die falschen OP-Berichte qualifiziert Prochaska als Geschichte von „Unachtsamkeit und Dokumentationsdiskrepanzen“, zudem „alt“ und „auf jeder Ebene, auch auf der persönlichen“, abgearbeitet.
Wie es um die Disziplinarverfahren im Wissenschaftsministerium und in der Ärztekammer steht, brachte profil dort nicht in Erfahrung. Gnants Anwalt berichtet: „Seitens der Bundesdisziplinarbehörde wurde eine vorläufige Suspendierung aus dem Jahr 2018 als rechtswidrig aufgehoben.“ Und: Der Ehrenrat der Ärztekammer habe einstimmig empfohlen, Gnants „ärztliche Vertrauenswürdigkeit nicht infrage zu stellen“. Auch dieses Verfahren sei abgeschlossen.
Mit vier Patientinnen, die sich als Privatbeteiligte dem Strafverfahren anschlossen, sei man gütlich übereingekommen. In der Kanzlei ihres Anwalts Timo Gerersdorfer, der lange für einen Gerichtsprozess gekämpft hatte, entschuldigte sich Gnant vergangene Woche in aller Form. „Er hat aufmerksam zugehört und sein Verhalten nicht schöngeredet“, schildert Gerersdorfer: „Am Ende sind alle mit Handschlag und ohne Groll auseinandergegangen.“
In Graz scheint sich das Blatt indes zu wenden. Auf dem Dreiervorschlag für die Professur „Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie“ war Gnant erstgereiht. Der Rektor der Medizinischen Universität, Hellmut Samonigg, lässt auf profil-Anfrage ausrichten, nach Sondierungen trete man nun mit einem „Mitbewerber von Professor Gnant in konkrete Berufungsverhandlungen“ ein, „dies mit dem Ziel, ein positives Verhandlungsergebnis zu erreichen“. Mit Gnants Vorgeschichte habe das nichts zu tun. Rektor Samonigg sagt, man habe „weder rechtliche noch sachliche Gründe“ gesehen, seine Bewerbung hintanzustellen, zumal er dem Ersuchen um detaillierte Stellungnahme in der heiklen Causa „umfassend nachgekommen“ sei.
Die Stelle in Graz soll im Oktober jedenfalls nachbesetzt sein.
Mitarbeit: Franziska Dzugan