Neue Erkenntnisse zum Ursprung von SARS-CoV-2: Wuhan-Labor legt Daten vor
Die Virologin Shi Zhengli stand seit Beginn der Pandemie unter Generalverdacht: War das Virus SARS-CoV-2 aus ihrem Labor in Wuhan entkommen? Sie hatte tatsächlich seit 2004 Proben von Fledermäusen in Südchina gesammelt, analysiert – und immer wieder vor der Gefährlichkeit von Fledermaus-Viren gewarnt. Gegen die Vorwürfe hatte sich Shi Zhengli aber stets gewehrt und beteuert, keine der in ihren Kühlschränken gelagerten Proben komme dem Covid-19 auslösenden Virus genetisch nahe.
Nun legte die vielfach ausgezeichnete Virologin, die heuer in ein Labor in Guangzhou wechselte, neue Beweise vor. Sie entschlüsselte die DNA von 56 Betacorona-Viren, die sie zwischen 2004 und 2021 gesammelt und zu denen sie noch keine Studien veröffentlicht hatte. Bei einer Konferenz zu Coronaviren in Awaji, Japan, stellte sie die Daten zahlreichen Kolleginnen und Kollegen vor. Ihr Fazit: „Keine Gensequenzen sind nahe Verwandte von SARS-CoV-1 oder 2.“
Kann man den neuen Beweisen aus dem Wuhan-Labor trauen?
Durchaus, wie Experten bestätigen. Evolutionsbiologe Jonathan Pekar von der University of Edinburgh sagte im Fachblatt „Nature“: „Die Daten stützen, was sie immer gesagt hat.“ Der Virologe Leo Poon von der Uni Hong Kong sieht das ähnlich. Die nächsten Verwandten von SARS-CoV-2 wurden in Fledermäusen in Laos und Yunnan in Südchina gefunden – aber es seien Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vergangen, seit sie sich von ihrem gemeinsamen Vorfahren mit dem Virus, das COVID-19 verursacht, getrennt haben. „Shi Zhengli hat im Grunde viel von dem gefunden, was wir erwartet hatten“, sagt Leo Poon.
SARS-CoV-2: Laborthese oder Wildtiermarkt?
Shis Daten stützen einmal mehr die These, die der Großteil der Wissenschaft seit Langem für die wahrscheinlichste hält: Das Virus sprang von Fledermäusen auf Wildtiere, die man auf dem Markt in Wuhan verkaufte – wo sich schließlich Menschen infizierten.
Der unwissenschaftliche US-Untersuchungsbericht
Umso erstaunter war die Wissenschaft über das Ergebnis einer zweijährigen Untersuchung durch US-Abgeordnete. SARS-CoV-2 sei „wahrscheinlich durch einen Labor- oder Forschungsunfall aufgekommen“, hieß es in dem Anfang Dezember publizierten 520-Seiten-Bericht eines Unterausschusses des Repräsentantenhauses. Das zeige, wie „unwissenschaftlich die Untersuchung war“, sagte Fabian Leendertz vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Greifswald kürzlich im „Spiegel“. Objektiv ist der Bericht bei näherer Betrachtung nicht: Er entpuppte sich als politische Abrechnung mit Joe Bidens Regierung – und als Lobeshymne auf Donald Trump. Auch profil hat die Corona-Pandemie kürzlich in einer Coverstory aufgearbeitet, nachzulesen hier und hier. Und, sehr empfehlenswert, der neue profil-Podcast "No Bullshit" zum Thema: War Corona eine große Lüge?
„Krankheit X“: Vorsichtige Entwarnung im Kongo
Aus dem Kongo gab die Weltgesundheitsorganisation WHO bezüglich einer möglichen Epidemie vorsichtig Entwarnung. In der abgelegenen und bitterarmen Region Kwango litten ab Oktober mehr als 400 Menschen an einer vorerst unbekannten Krankheit, 31 starben. „Auf überregionaler und globaler Ebene ist das Risiko aktuell gering“, so die Einschätzung der WHO. Man müsse aber wachsam bleiben, vor allem, um eine Ausbreitung in Richtung Angola zu vermeiden.
Unbekannte oder altbekannte Erreger?
Aktuell gehen die Expertinnen der WHO nach dem Ausschlussverfahren vor. Sie testen auf Masern, Influenza, Lungenentzündung, E.coli-Infektionen, COVID-19 und Malaria. Zuletzt mehrten sich die Hinweise auf Malaria, das in mehreren Proben gefunden wurde. Auch könnten mehrere Krankheiten zu den vielen Todesfällen geführt haben – aber auch ein völlig neuer Erreger kann noch nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
Hauptsächlich Kinder betroffen
In den Dörfern der schwer erreichbaren Region ist die Lage weiterhin dramatisch: Die schweren Verläufe betreffen vor allem Kinder unter fünf Jahren, viele davon sind durch Unterernährung geschwächt. Sie leiden zuerst an Fieber, Husten, Abgeschlagenheit und Schnupfen; viele starben in der Folge an Atemnot, Blutarmut und Unterernährung. Die Teams der WHO müssen sich mitten in der Regenzeit in das zwei Tagesreisen von Kinshasa gelegene Gebiet vorkämpfen und die Proben wieder in die Hauptstadt schaffen. Bewaffnete Gruppen würden den Einsatz zusätzlich erschweren, so die WHO.