Fördert Religion die Moral? Eher nicht, wie jüngere Studien zeigen.
Die wichtigsten Antworten der modernen Moralstudien

Verhalten sich religiöse Menschen besonders moralisch?

Seit wann und warum gibt es Fairness und Ehrlichkeit?

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Verhalten sich religiöse Menschen besonders moralisch?

Eher nein, obwohl das häufig angenommen und Religion als Rüstzeug für eine moralische Lebensweise betrachtet wird. In besonders gläubigen Gesellschaften gelten Atheisten als höchst suspekt und aufgrund angeblich mangelnder Werte für höhere Ämter ungeeignet. Jüngere Studien deuten darauf hin, dass eher das Gegenteil der Fall ist. 2015 berichteten Wissenschafter aus Chicago von einem Experiment mit 1100 fünf-bis zwölfjährigen Kindern von verschiedenen Kontinenten und aus diversen Glaubensgemeinschaften. Bei dem Test ging es darum, wie großzügig sich die Kinder anderen Jugendlichen gegenüber verhalten und wie bereitwillig sie mit ihnen teilen. Es zeigte sich: Je mehr Einfluss die Religion auf die Prägung eines Kindes hat, desto weniger freigiebig war es.

Kinder aus Atheistenfamilien verhielten sich am großzügigsten. Religiosität und Moral scheinen demnach wenig zu korrelieren. Für dieses Phänomen gibt es eine mögliche Erklärung, die Psychologen auch in anderen Zusammenhängen kennen: das "moral licensing".

Salopp ausgedrückt, bedeutet dies: Da ich mich sonst ohnehin normgerecht und gut verhalte, darf ich mich ruhig einmal danebenbenehmen. In Spielsituationen fanden kanadische Forscher heraus, dass Menschen, die gerne Bioprodukte kaufen, auffallend häufig lügen, betrügen und die anderen übers Ohr hauen - offenbar sind sie der Meinung, schon eine gute Tat begangen zu haben und nun die "Lizenz" zum Schummeln zu besitzen.

Ähnliches lässt sich bei Radfahrern beobachten, die rote Ampeln ignorieren oder Fußgänger gefährden: Sie schonen dabei schließlich die Umwelt. Umgekehrt kennt man auch "moral cleansing" - die Tendenz, nach einer moralisch üblen Tat etwa soziales Engagement zu beweisen, um das Gewissen zu erleichtern.

Alwin   Schönberger

Alwin Schönberger

Ressortleitung Wissenschaft