Was kann das Moralempfinden verändern?
Das Trolley-Dilemma
Ein Waggon rast auf fünf Gleisarbeiter zu. Stellen wir uns zwei Situationen vor: In der ersten betätigen Sie eine Weiche. Der Zug würde auf ein Nebengleis geleitet und dort einen Menschen töten. Sie hätten fünf Personen gerettet. In Variante zwei müssten Sie für dasselbe Resultat einen dicken Menschen von der Brücke stoßen. Welche Entscheidung halten Sie für vertretbar?
Was kann das Moralempfinden verändern?
Wovon moralische Urteile abhängen (und wie wenig reine Ratio angesichts einer konkreten Situation zählt), zeigt sich noch deutlicher, wenn man die Bedingungen des Trolley-Dilemmas weiter variiert. So erklärten es spanische Forscher ihren Versuchspersonen in einer Fremdsprache. Augenblicklich waren mehr Menschen bereit, den dicken Mann von der Brücke zu stürzen.
Begründung: Das Verständnis einer Fremdsprache aktiviert kognitive Bereiche des Gehirns -und die emotionale Aufladung sinkt. Noch einmal anders fallen die Entscheidungen aus, wenn man Menschen aus dem asiatischen Raum fragt; diese würden in beiden Situationen selten eingreifen. Schließlich kann man nicht wissen, welche langfristigen Folgen das Einschreiten hat: Der Mann auf der Brücke könnte ein hochtalentierter Arzt sein, der durch seine Heilkunst viel mehr als fünf Menschen das Leben rettet. Andererseits könnte unter den fünf Geretteten auf dem Gleis einer sein, der später zum Massenmörder wird.
Das Trolley-Problem gilt als eine Art Blaupause für Dilemmata, bei denen Menschen in eine moralische Zwickmühle geraten. Eine Abwandlung davon präsentiert der deutsche Rechtsanwalt und Autor Ferdinand von Schirach mit seinem Theaterstück "Terror", in dem er die Frage aufwirft, ob man ein Flugzeug mit 164 Insassen zum Absturz bringen darf, um ein Attentat auf ein Stadion mit 70.000 Menschen zu verhindern. Die Passagiere würden dabei zwar ohnehin sterben -aber macht man sich trotzdem schuldig, wenn man deren Tod selbst herbeiführt?