Geschichte

Wettlauf um die Atombombe: Kurt Gödel, der gescheiterte Spion

Der „Oppenheimer“-Film räumte bei den Oscars ab. Anlass genug, eine fast unbekannte österreichische Anekdote der Kernforschung zu erzählen.

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Am Ende seiner beschwerlichen, fast zwei Monate dauernden Reise traf Kurt Gödel bei Albert Einstein in Princeton ein. Er bestellte einen schönen Gruß vom Wiener Physiker Hans Thirring, sonst sagte er nicht viel. Vor allem überbrachte er nicht jene Botschaft Thirrings, von der dieser gedacht hatte, das Schicksal der Menschheit könne davon abhängen: eine dringende Warnung vor der Atombombenforschung der Nazis.

Es war März 1940, die Nazis hatten Österreichs Universitäten von „liberal-jüdischen“ Wissenschaftern „gesäubert“. Viele der klügsten Köpfe der Zeit verloren damals ihre Professuren und Lehrbefugnisse. Auch Hans Thirring, ein bedeutender Physiker und Erfinder, der das Nazi-Regime verabscheute, stand unter argwöhnischer Beobachtung. Da er deshalb weder ausreisen noch heikle Korrespondenz mit dem Ausland führen konnte, verfiel er auf die Idee, den berühmten Logiker Kurt Gödel in seine Pläne einzubinden.

Gödel, das wunderliche Genie, der brillante Denker, der mit seinem Unvollständigkeitssatz die Mathematik als 25-Jähriger erschüttert hatte, hatte bereits Einladungen ans Institute of Advanced Study in Princeton wahrgenommen – ein Zentrum der internationalen Intelligenz und Zuflucht für Exil-Wissenschafter wie Albert Einstein, der vor dem „dumpfen und bösen Geschehen in Europa“ geflohen war. Das Foto oben zeigt Einstein und Gödel in Princeton.

Thirring dachte: Sollte es Gödel gelingen, noch einmal nach Princeton zu reisen, könnte er Einstein vielleicht dazu bewegen, seinen Einfluss als größter Wissenschafter der Epoche geltend zu machen und einen Brief an den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt zu verfassen: ein Schreiben mit einer eindringlichen Warnung vor den vermuteten Atombombenplänen Deutschlands.

Der historische Brief Albert Einsteins

Solch einen Brief Einsteins gibt es tatsächlich. Allerdings entstand er bereits im August 1939 und kam unter Beteiligung anderer Personen zustande. In dem Brief an Roosevelt skizzierte Einstein die Fortschritte bei der Erforschung des Elements Uran, die daraus resultierenden Möglichkeiten der Energiegewinnung und einer Kettenreaktion, die zum Bau neuartiger Bomben führen könnten. Der Brief gab den Anstoß zur Gründung des Manhattan Project unter Leitung J. Robert Oppenheimers. Die Verfilmung dieses Unterfangens, Nazi-Deutschland beim Bau der Atombombe auszustechen, räumte soeben sieben Oscars ab.

Alwin   Schönberger

Alwin Schönberger

Ressortleitung Wissenschaft