Nach wenigen Schlucken satt: Sind Trinkmahlzeiten wie yfood gesund?
„Wenn ich essen gehe, dann schling ich alles in mich rein, wie eine hungrige Hyäne“, wirbt ein Influencer für die Trinknahrung von yfood. Seine Lösung: Eine Flasche yfood auf dem Weg zu einem Date trinken, dann komme man „leicht“ gesättigt im Restaurant an und brauche nur noch Bruschetta bestellen.
yfood wirbt nicht nur damit, zu besonderen Anlässen den Hunger zu stillen. Das Unternehmen verspricht alle wichtigen Nährstoffe einer gesunden Mahlzeit, verpackt in einer 0,5-Liter-Plastikflasche. Egal ob vor einem Marathon, bei Festivals, in der Uni oder im Büro: Wer keine Zeit zum Kochen habe, brauche nur ein Schoko-, Vanille- oder Erdbeershake um 3,99 beim Billa kaufen.
Der Inhalt: 500 Kilokalorien, 34 Gramm Protein, 8,2 Gramm Ballaststoffe, 26 Vitamine und Mineralstoffe. Getrunken in nur wenigen Minuten, sollen sie für bis zu fünf Stunden satt halten.
Doch kann man wirklich von einer Mahlzeit sprechen, wenn sie aus einer Plastikflasche kommt? profil hat mit Ernährungsberaterinnen gesprochen, die davor warnen, ausschließlich Flüssignahrung zu sich zu nehmen.
Kein Ersatz für feste Nahrung
yfood verkaufte seit der Gründung 2017 Millionen Drinks, auf der Webseite wirbt es mit 124 Millionen verkauften „Mahlzeiten“. Im Jahr 2022 machte das Münchner Startup laut Eigenangaben 120 Millionen Euro Umsatz. Ihr Goldesel sind die Joghurtdrinks, auf denen dick und fett „This is food“ steht – für alle, die noch Zweifel hatten, was das eigentlich ist. Die Drinks sollen eine ausgewogene Mahlzeit ersetzen, so die Werbebotschaft. Konkurrenten wie Huel oder Mana versprechen Ähnliches.
Dabei bedienen sich die Anbieter einem alten Konzept: Trinkmahlzeiten werden in Form von sogenannten bilanzierten Diäten an Kranke, kürzlich Operierte oder ältere Menschen verschrieben, die Nährstoffe aus gesundheitlichen Gründen nicht aufnehmen können. Die verschriebenen Produkte sind dabei auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmt.
500 Kalorien: Das ist soviel wie eine Tafel Schokolade, eine große Portion Pommes bei McDonald's oder ein Liter Cola. Das Start-Up yfood will die gesündere Alternative zu Fast-Food zu sein und es seinen Konsumenten „ermöglichen, sich auch in stressigen Situationen ausgewogen zu ernähren“, schreibt das Presseteam in einer Stellungnahme gegenüber profil. Viele Menschen würden vor der Herausforderung stehen, dass sie aufgrund von Zeitmangel in schlechte Essgewohnheiten zurückfallen. yfood, Huel und Co. scheinen wie gemacht für den Zeitgeist der sogenannten „hustle culture“, in der es schick geworden ist, gestresst zu sein.
Fiona Steinberger ist freiberufliche Diätologin. Sie warnt vor dem hohen Zucker- und Fettgehalt in den gehypten Getränken, deren Geschmack im Internet mit Schokoriegeln verglichen wird. „Ernährung“, so Steinberger, „ist mehr als Nährstoffzufuhr“. Die Kalorienmenge, die in den Getränken steckt, könnte niemand binnen weniger Minuten hinunterschlucken. Kauen gehöre zur Nahrungsaufnahme dazu und lasse „das Essen mit allen Sinnen wahrnehmen“.
Und was passiert, wenn jemand seine Nahrung nicht bewusst kaut und sie nicht langsam im Magen verarbeitet wird? „Der Körper nimmt es auch nicht als Mahlzeit wahr und die Sättigung tritt erst verzögert ein.“ Die Konsequenz: Man führe mehr Energie zu als man benötige . Bald verlangt der Körper zwei Flaschen von der „ausgewogenen Trinkmahlzeit Fresh Berry“ statt einer.
Auf profil-Anfrage hat yfood keine Bedenken: „Unsere Trinkmahlzeiten liefern ein vollständiges Nährstoffprofil mit Proteinen, Ballaststoffen, Fetten und 26 Vitaminen in einem ausgewogenen Verhältnis wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) als vollwertig definiert. Eine yfood Trinkmahlzeit deckt 25% des Energie-Tagesbedarfs eines durchschnittlichen Erwachsenen - der enthaltene Zuckeranteil (Beispiel yfood classic choco) deckt dabei 24%, und der Fettanteil 32% der jeweils empfohlenen Tagesmenge entsprechend der EU-Lebensmittelinformationsverordnung.“
Eine Empfehlung, die das deutsche Unternehmen dabei verschweigt: In einer Flasche – also einem angeblichen Mahlzeit-Äquivalent – stecken 22 Gramm Zucker und 24 Gramm Fett. Um einen ganzen Tag lang seinen Kalorienbedarf von beispielsweise 2000 Kilokalorien zu decken, müsste man theoretisch vier Flaschen trinken. Und damit auch ganze 88 Gramm Zucker. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt einen Konsum von maximal 50 Gramm Zucker pro Tag.
Schneller Gewöhnungseffekt
Wer in einem stressigen Beruf – etwa im Krankenhaus – arbeitet, greift schon einmal zu einem schnellen Snack. Bianca Itariu weiß, wie es ist, am Arbeitsplatz keine Zeit zum Essen zu haben. Bis vor einem Jahr war sie als Fachärztin für Innere Medizin in einem Wiener Krankenhaus tätig, nun hat sie sich selbstständig gemacht. Trotzdem sind Produkte wie yfood für die Ärztin „wie Kraftfutter für Tiere“: Eine schnelle Lösung, die kurzzeitig den Hunger stillt und langfristig zu Übergewicht führen kann. Itariu weiß, wovon sie spricht: Eines ihrer Spezialgebiete sind adipöse Menschen. Die Expertin empfiehlt, Trinkmahlzeiten möglichst selten zu konsumieren – wenn, dann nur als Snack oder zum Zunehmen und nicht zum Abnehmen, wie das so oft auf Social Media geraten wird.
Gesunde Menschen benötigen laut Itariu keine Trinkmahlzeiten, da ihr Körper in der Regel aus einer abwechslungsreichen Ernährung die notwendigen Nährstoffe gewinnen kann. Alternativ zum yfood-Trinkjoghurt rät Itariu zu einem Apfel mit Naturjoghurt und Nüssen oder einem Vollkornbrot mit Cottage-Cheese. Damit sei man ebenfalls für einige Stunden gesättigt, mit weniger Kalorien – und „mit mehr Gaumenfreude“.
yfood ist seit einem Auftritt im deutschen Fernsehformat „Höhle der Löwen“ im Jahr 2018 bekannt, bei dem Start-Ups nach Financiers suchen. Damals stieg Investor Frank Thelen mit 200.000 Euro ins Unternehmen ein – für 20 Prozent der Firmenanteile. Vergangenes Jahr kaufte der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé Anteile des Unternehmens.
Besonders geschadet haben dürfte es dem Unternehmen nicht: Längst ist yfood der Sprung in die USA gelungen. Ein Blick auf TikTok zeigt: Für viele Influencer steht das 3,99 €-Joghurtgetränk trotz vielfacher Kritik und Warnungen – auch vom österreichischen VKI (Verein für Konsumenteninformation) – nach wie vor am flüssigen Tagesmenü.