Uhrenvergleich

Sieben Fragen zur Sommerzeit

Uhrenumstellung. Sieben Fragen zur Sommerzeit

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Von Florian Freistetter

1. Wann beginnt die ­Sommerzeit, und wer hat sie erfunden?

Immer am letzten Sonntag im März wird die Uhr um zwei Uhr nachts direkt auf drei Uhr vorgestellt. Ab dann gilt die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ). Die Uhren laufen der wahren Sonnenzeit nun eine Stunde voraus. Die Uhr zeigt schon den Mittag an, wenn die Sonne noch lange nicht ihren höchsten Punkt am Himmel erreicht hat, und damit verschiebt sich auch der Sonnenuntergang später in den Abend. Die Idee zur Sommerzeit hatte 1907 der britische Bauunternehmer William Willett. Das erste Mal konkret umgesetzt wurde sie aber erst am 30. April 1916 im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn. 1920 wurde sie wieder abgeschafft und erst in den Jahren 1940 bis 1948 wieder eingeführt. Bis 1980 war neuerlich Pause, und seitdem stellen wir in Österreich die Uhren jeden Frühling eine Stunde vor und am letzten Septemberwochenende um eine Stunde zurück. Die Sommerzeit ist hauptsächlich in Nordamerika, Teilen Südamerikas und Europa gebräuchlich. In Asien hat man sie wieder abgeschafft, in großen Teilen Afrikas nie eingeführt.

2. Was hat die ­Sommerzeit mit ­Religion zu tun?

Wenn die Uhren im Sommer eine Stunde nach vorn gestellt werden, ärgert das nicht nur diejenigen, die am Sonntag ein wenig länger schlafen wollen, sondern auch viele gläubige Juden und Muslime. Denn die verschiedenen Gebets- und Fastenzeiten richten sich nach dem Sonnenstand, also nach der Sonnenzeit. Die Zeitumstellung bringt diese Zeiten durcheinander und sorgt immer wieder für Unmut. In Israel endet die Sommerzeit daher vor dem Jom-Kippur-Fastentag. In Palästina ist sie während des Ramadans komplett ausgesetzt, damit die Wartezeit bis zum nächtlichen Fastenbrechen nicht zu lang wird. Und in der Grabeskirche in Jerusalem wird die Sommerzeit ebenfalls nicht beachtet, damit die verschiedenen Konfessionen bei den Gebetszeiten nicht durcheinanderkommen.

3. Was ist an der Zeit in Gmünd so besonders?

Die kleine Stadt im nördlichen Waldviertel ist generell eher unauffällig. In Gmünd geschieht selten etwas, das die Republik in Atem hält. Die Bezirkshauptstadt ist trotzdem ein ganz besonderer Ort in Österreich. Denn die Zeit, die auf den Gmünder Uhren angezeigt wird, ist zwar dieselbe, die auch überall sonst in Österreich gilt. Doch nur in Gmünd (und dem steirischen Trofaiach) stimmt diese Zeit auch mit der „Sonnenzeit“ überein, also jener Zeit, die vom scheinbaren Lauf der Sonne am Himmel vorgegeben wird. Denn Gmünd liegt genau 15 Grad östlich des Londoner Stadtteils Greenwich und damit exakt auf der Linie, für die unsere mitteleuropäische Zeit (MEZ) definiert ist. Die normale Uhrzeit gilt immer für eine komplette Zeitzone, die in diesem Fall von Spanien bis Polen und von Norwegen bis Italien reicht. Aber nur entlang des 15. Längengrads stimmen Sonnenzeit und Uhrzeit tatsächlich überein. Wer die „echte“ Zeit erleben will, muss daher nach Gmünd fahren.

4. Wie misst man die Sonnenzeit?

Die Sonnenzeit wird am besten mit einer Sonnenuhr gemessen. Während die Sonne über den Himmel wandert (nur scheinbar natürlich, in Wahrheit dreht sich bekanntlich die Erde um ihre eigene Achse), kriechen auch die Schatten über den Boden. Mithilfe einer Sonnenuhr kann man die Wanderung des Schattens verfolgen und so eine Uhrzeit bestimmen. Mittag ist immer genau dann, wenn sich die Sonne exakt im Süden befindet und am höchsten am Himmel steht. Da sich die Erde von Westen nach Osten dreht, geschieht dies an unterschiedlichen Orten zu verschiedenen Zeiten. Das bedeutet: Während in der einen Stadt schon Mittag ist und die Sonne dort am höchsten steht, muss eine Stadt weiter westlich noch ein bisschen warten, bis sich die Erde weit genug gedreht hat und die Sonne nun auch hier ihren höchsten Punkt erreicht hat. Im Osten ist also immer früher Mittag als im Westen.

5. Wieso gibt es überhaupt Zeitzonen?

Früher war es kein Problem, wenn jede Stadt ihre eigene Zeit hatte. Mittag war einfach, wenn die Sonne am höchsten am Himmel stand. Wenn das in der einen Stadt ein bisschen früher oder später war als in einer anderen, war das nicht weiter bemerkenswert. Fernreisen kamen damals selten vor, und die meisten Menschen verließen kaum ihre unmittelbare Umgebung. Das änderte sich, als im 19. Jahrhundert die Eisenbahn eine immer größere Rolle spielte. Nun konnte man schnell von Ort zu Ort fahren, und die Zeit war auf einmal enorm wichtig. Man musste wissen, wann ein Zug abfährt, wann er ankommt, und wenn an Start- und Zielort der Reise unterschiedliche Uhrzeiten verwendet wurden, machte das die Sache kompliziert. ­Eisenbahnlinien definierten sogar ihre jeweils eigenen Zeiten. Deswegen kam es 1884 zur Internationalen Meridiankonferenz, bei der sich die Länder der Erde darauf einigten, weltweit 24 Zeitzonen einzuführen, in denen nicht mehr die individuelle Sonnenzeit gelten sollte, sondern eine einheitliche „Zonenzeit“. Der Längengrad, der durch die Sternwarte von Greenwich in London verläuft, wurde als Nullpunkt festgelegt, und die Sonnenzeit, die dort gemessen wurde, war die „Weltzeit“, an der sich alle anderen Zeitzonen orientierten. In jeder Zeitzone unterschied sich die Zeit um eine Stunde von der benachbarten Zone. Richtung Osten kam eine Stunde dazu, im Westen zog man eine Stunde ab. Die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) entspricht der Sonnenzeit auf dem 15. Längengrad östlich von Greenwich und ist London damit um eine Stunde voraus.

6. Wer hat die seltsamste Zeitzone?

Eigentlich sollten die 24 gleichmäßig über die Erde verteilten Zeitzonen sicherstellen, dass die Abweichung zwischen Sonnenzeit und Uhrzeit nirgendwo auf der Welt zu groß wird. Aber in der Realität verlief die Umsetzung nicht ganz so glatt. Einige Nationen wollten nicht, dass in ihrem Land unterschiedliche Zeiten herrschen, und beschränkten sich auf eine einzige Uhrzeit, auch wenn sich das Land über mehrere Zeitzonen erstreckte. China zum Beispiel ist so groß, dass es gleich fünf Zeitzonen überdeckt. Trotzdem herrscht offiziell nur eine einzige Uhrzeit im ganzen Land. Seit 1949 die Kommunistische Partei die Macht übernahm, gilt überall die Zeit des 120. östlichen Längengrads (sieben Stunden Differenz zur MEZ), der in der Nähe von Peking liegt. In der chinesischen Hauptstadt sind die Unterschiede zwischen Sonnenzeit und Uhrzeit daher nicht so bedeutsam. In den östlichen und westlichen Provinzen des Landes weichen Uhren und Sonnenstand dagegen stark voneinander ab. Im Westen erreicht die Sonne erst um 15 Uhr am Nachmittag ihren höchsten Punkt am Himmel, während sie im Osten schon um elf Uhr an der Mittagsposition steht. Anderswo bestimmten politische Erwägungen die Wahl der Zeitzone. In Nepal beispielsweise wollte man sich unbedingt vom großen Nachbarn Indien abgrenzen und führte deswegen eine Uhrzeit ein, die vier Stunden und 45 Minuten von der MEZ abweicht – und 15 Minuten von der indischen. Und in der gesamten Ukraine galt bislang die Osteuropäische Zeit, bei der es eine Stunde später ist als in Mitteleuropa. Nach dem Referendum auf der Halbinsel Krim entschloss man sich dort aber, die Uhren künftig zwei Stunden vor- und damit auf die Moskauer Standardzeit einzustellen.

7. Wie kann die Kenntnis der ­genauen Uhrzeit Leben retten?

Wenn man sich auf hoher See orientieren will, gilt es, zwei Koordinaten zu berücksichtigen: den Breitengrad und den Längengrad. Der Breitengrad gibt den Abstand vom Nord- beziehungsweise Südpol an und lässt sich durch astronomische Beobachtungen relativ leicht bestimmen.

Entsprechende Techniken und Instrumente waren schon früh verfügbar und wurden von den Navigatoren weltweit eingesetzt. Den Längengrad korrekt zu bestimmen, war ungleich schwieriger, denn hier gibt es keinen vorgegebenen Fixpunkt wie die Pole. Um zu wissen, wie weit östlich oder westlich man von einem bestimmten Punkt aus entfernt war, musste man die genaue Uhrzeit ­kennen – und zwar nicht nur die eigene, lokale Zeit, sondern vor allem auch jene, die am Bezugspunkt herrscht.

In verschiedenen Regionen der Erde sieht man die Sonne zur selben Zeit unterschiedlich hoch am Himmel stehen. Hat sie an einem Ort zu Mittag schon den höchsten Punkt erreicht, ist es weiter westlich noch Vormittag. Hier steht die Sonne noch tiefer am Himmel, und zwar umso mehr, je weiter im Westen der Ort liegt. Ein Seefahrer kann auf seinem Schiff leicht bestimmen, wann die Sonne an seiner Position am höchsten steht und es bei ihm zwölf Uhr mittags ist. Weiß er gleichzeitig, dass es zum Beispiel in London gerade erst elf Uhr ist, folgt daraus, dass er sich westlich der britischen Hauptstadt befinden muss. Eine Stunde Zeitunterschied entspricht genau 15 Grad, und somit kann aus den unterschiedlichen Zeiten die genaue Position berechnet werden.

Allerdings war es im 17. und 18. Jahrhundert nicht möglich, die Zeit so genau zu messen. Die Navigatoren konnten zwar die lokale Uhrzeit bestimmen, hatten aber keine Möglichkeit, zuverlässig herauszufinden, wie spät es anderswo auf der Welt gerade war. Radio, Funk oder andere Kommunikationswege standen noch nicht zur Verfügung, und die damals existierenden Uhren waren viel zu ungenau und gingen schon nach wenigen Tagen so falsch, dass sie im Grunde unbrauchbar waren. Als 1707 wegen eines Navigationsfehlers 1450 englische Seeleute ums Leben kamen, lobte das britische Parlament ein Preisgeld für die Lösung dieses „Längengradproblems“ aus. Aber erst 1759 konstruierte der Uhrmacher John Harrison eine völlig neuartige Taschenuhr, mit der die Zeit genau genug gemessen werden konnte, um die Position auf See sicher zu bestimmen.