Am Klimaziel vorbei: SPÖ-Chefin Rendi Wagners falsche Windrad-Rechnung
Wenn man die Klimaziele ernst nimmt, dann muss man allein bis 2030 alle zwei Tage ein Windradl in Österreich aufstellen. Passiert das? Natürlich passiert das nicht. Heuer wurden vielleicht 20 aufgestellt.
Falsch
Es ist eine zentrale Aufgabe der Opposition: Der Regierung penibel auf die Finger zu schauen – zum Beispiel bei den Klimazielen. Der Plan von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) ist ambitioniert. Bis 2030 soll Österreich zu 100 Prozent mit grünem Strom versorgt werden. Zehn zusätzliche Terawattstunden Windkraft soll es dafür laut Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geben. Ungefähr 440 Megawatt Windkraftleistung müssten jährlich neu dazu kommen – wie E-Control und Umweltministerium berechnen.
Die SPÖ hält das für unrealistisch. So kritisierte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner am SPÖ-Thementag: „Wenn man die Klimaziele ernst nimmt, dann muss man allein bis 2030 alle zwei Tage ein Windradl in Österreich aufstellen. Passiert das? Natürlich passiert das nicht. Heuer wurden vielleicht 20 aufgestellt.“
faktiv-Recherchen zeigen: Auch wenn es beim Ausbau erneuerbarer Energien viel Luft nach oben gibt – Rendi-Wagners Behauptungen stimmen so nicht.
Laut grünem Umweltministerium liegt man in punkto Windräder jedenfalls auf dem „gesetzlich vorgesehenen Zielpfad”. Und: 2022 sei „ein absolutes Rekordjahr beim Ausbau der Windkraft”. Das deckt sich keinesfalls mit der SPÖ-Einschätzung. Wer hat recht?
Fünfmal so viele Windräder
Die aktuellen Aufzeichnungen der IG Windkraft bringen Klarheit: 2022 wurden laut Martin Jaksch-Fliegenschnee von der Interessensgemeinschaft bisher 70 Windräder aufgestellt: „Am Ende des Jahres werden wir voraussichtlich 100 Windräder mit einer Leistung von 450 Megawatt errichtet haben.” Das sind fünfmal so viele Windräder wie Rendi-Wagner behauptet. Und: Bezogen auf die Windkraftleistung wäre 2022 damit tatsächlich ein „Rekordjahr“ beim Ausbau, so die Daten der IG Windkraft.
Keine Belege für Behauptung
Auf profil-Anfrage konnte die Parteivorsitzende der SPÖ keine Belege für ihre behauptete Anzahl an gebauten Windrädern liefern. Aus Rendi-Wagners Büro hagelt es lediglich allgemeine Kritik am Tempo bei der Energiewende: „Fakt ist: Auch heuer werden zu wenige Windräder aufgestellt und somit das Ziel nicht erreicht.“ Zur Erinnerung: Rund 440 Megawatt Windkraft braucht es laut Umweltministerium und E-Control jährlich, um das Ausbauziel bis 2030 zu erreichen. Dieser Wert wird laut aktuellen Prognosen der IG Windkraft 2022 erreicht. Demnach liegt Rendi-Wagner, deren Büro selbst auf die E-Control-Rechnung hinweist, also falsch.
Fehlendes Tempo beim Windkraft-Ausbau
In einem Punkt hat Rendi-Wagner recht – der Ausbau von grünem Strom in Österreich geht nicht schnell genug. Das kritisiert auch die IG Windkraft: „Um die gesetzlich festgelegten Ziele bis 2030 erreichen zu können, ist eigentlich ein Ausbau von mindestens 120 Windrädern mit 550 Megawatt pro Jahr nötig”, so Jaksch-Fliegenschnee. Darauf würden 2022 noch zumindest 20 Windräder fehlen. Wieso die Branchenvertretung einen um rund 100 Megawatt höheren Ausbau als das Ministerium fordert? Jedes Jahr werden teilweise bis zu 100 veraltete Windkraftanlagen demontiert, 2020 wurden sogar mehr ab- als wieder aufgestellt. Dieser Verlust muss durch die Errichtung neuer Windräder kompensiert werden.
Im Übrigen prognostiziert die IG Windkraft für die kommenden Jahre einen (teilweise um die Hälfte) geringeren Ausbau als 2022, der in punkto Klimaziele „nicht sonderlich optimistisch“ in die Zukunft blicken lässt. Der Grund: In Österreich fehlt es an ausgewiesenen Zonen für Windräder und auch die - erst zuletzt - von der türkis-grünen Regierung beschlossene Förderung für Windparks bedarf einer gewissen Vorlaufzeit.
Fazit
Rendi-Wagners Behauptung, dieses Jahr wurden nur 20 Windräder aufgestellt, ist dennoch eindeutig als falsch einzustufen. Seit Jänner stehen bereits 70 neue Anlagen, bis Jahresende sollen 30 weitere folgen. Dass beim Ausbau erneuerbarer Energiequellen allerdings Tempo gefragt ist, um die Klimaziele bis 2030 tatsächlich zu erreichen, steht außer Frage.