Babler im Faktencheck: Asylquote und Transformationsmilliarde

Andreas Babler verteidigte im ORF-Sommergespräch Kärntens Grundversorgungsquote. Zurecht? Und: Was hat es mit der Transformationsmilliarde auf sich?

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Es ist eine unlautere Statistik, weil dort auch die Ukraine-Vertriebenen mitgerechnet sind, wo die meisten in Ostösterreich sind. Wenn wir über Asylwerber sprechen [hat Kärnten] eine Quote von [...] 93 Prozent [...] und ist einer der höchsten Quotenerfüller. Aber ukrainische Schutzvertriebene sind [...] in diese Quote mitberechnet [...], also insofern immer fair bleiben [...].

Andreas Babler im ORF-Sommergespräch, 26. August 2024

Größtenteils richtig

Im Sommergespräch mahnt SPÖ-Bundesparteivorsitzender Andreas Babler zu Fairness. Moderator Martin Thür spricht ihn auf Kärntens niedrige Grundversorgungsquote an, Babler relativiert: Die Statistik sei „unlauter“, da sie auch Ukraine-Vertriebene umfasst; bei Asylwerber:innen würde Kärnten weitaus besser dastehen. Ein zulässiges Argument?

Zunächst zur angesprochenen Quote: Die Bundesländer haben sich in der Grundversorgungsvereinbarung auf einen Modus geeinigt, der regelt, wie viele „hilfs- und schutzbedürftige Fremde“ jeweils betreut werden sollten. Die Quote wird dabei anhand der Bevölkerungsanzahl errechnet. Heißt: Wenn in Wien 21,7 Prozent der österreichischen Bevölkerung wohnen, müssen dort auch 21,7 Prozent der Leistungsbezieher:innen betreut werden. 

Derzeit befinden sich insgesamt 71.005 Menschen in Grundversorgung, 2036 davon in Kärnten. Als einziges Bundesland erfüllt aktuell Wien seine Quote – in der Bundeshauptstadt werden doppelt so viele Personen betreut, wie die Regelung vorsehen würde. Kärnten bildet mit 45,82 Prozent das Schlusslicht.

Babler moniert nun, dass Ukraine-Vertriebene bei dieser Quote inkludiert werden. Unter „hilfs- und schutzbedürftigen Fremden“ werden nämlich mehrere Gruppen zusammengefasst, darunter Asylwerber:innen, Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte und vertriebene Ukrainer:innen. Diese Kritik an der Grundversorgungsquote ist für Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination grundsätzlich nachvollziehbar: „Ukrainer:innen können sich aussuchen, in welchem Bundesland sie wohnen, und wählen häufig Wien. Asylwerber:innen hingegen werden als einzige Gruppe auf die Länder verteilt.“ Dabei „bietet“ die Bundesbetreuungsagentur (BBU) den Ländern Asylwerber:innen an, die diese jedoch ablehnen können. Auch Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte dürfen ihren Wohnsitz in Österreich frei begründen.

Betrachtet man die Zahlen auf diese Gruppen aufgesplittet, ist es tatsächlich so, dass Kärnten seine Quote bei Asylwerber:innen erfüllt. Das Bundesland liegt sogar noch besser, als Babler ins Feld führt: Mit 19. August waren laut asylkoordination in Österreich insgesamt 14.797 Asylwerber:innen in Grundversorgung, in Kärnten müssen davon 6,26 Prozent, also 926 Personen, betreut werden. Kärnten übererfüllt dieses Soll Ende August mit 932 Asylwerber:innen, erreicht also eine Quote von 100,64 Prozent und liegt besser als Niederösterreich (47,85 Prozent) oder das Burgenland (67,88 Prozent), allerdings hinter Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg. 

Was Babler im Sommergespräch jedoch nicht erwähnt: Kärnten ist nicht nur bei Ukrainer:innen säumig, sondern auch bei Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten.

Würden nur die vertriebenen Ukrainer:innen aus der Grundversorgung abgezogen, ergäbe sich wieder ein anderes Bild und Kärnten würde seine Quote nicht erreichen.

Auf Anfrage ergänzt die SPÖ Bablers Ausführungen im Sommergespräch: „Auch, dass subsidiär Schutzberechtigte weiter über die Grundversorgung und nicht über das AMS in den Arbeitsmarkt integriert werden, ist ein Missstand.“

Fazit

Das Bundesland Kärnten kann bei Asylwerber:innen in Grundversorgung gute Zahlen aufweisen – noch bessere, als Andreas Babler nennt. In den anderen Gruppen ist das Bundesland allerdings säumig: Würde man nur die Ukrainer:innen ausklammern, würde Kärnten seine Quote dennoch weit verfehlen. Insgesamt ist die Aussage daher als größtenteils richtig einzustufen.

Die Transformationsmilliarde bringt Einnahmen, bringt Wirtschaftswachstum, volkswirtschaftliche Gewinne sogar. Beispielsweise wenn wir sprechen, dass wir die Gesundheitsversorgung wieder aufbauen in diesem Bereich mit 30.000 Beschäftigten durch die Vermögensbesteuerung gegenfinanziert [...] wissen wir, dass sich die zu 70 Prozent selbst finanziert, weil das sind ja Menschen die dann [...] Steuern zahlen, Kaufkraft entwickeln.

Andreas Babler im ORF-Sommergespräch, 26. August 2024

Irreführend

Ein intensiv diskutiertes Thema der SPÖ ist die Finanzierbarkeit ihres Wahlprogramms. Martin Thür zählte im Sommergespräch etwa einige Forderungen der SPÖ auf: Von der Wohnbaumilliarde, der Patientenmilliarde, einer Biodiverstiätsmilliarde, der Kindergrundsicherung, einem Klima-Investitions-Fonds für Gemeinden bis hin zum Transformationsfonds für die Wirtschaft. „Wie wollen Sie sich das alles leisten?“, wollte Thür vom SPÖ-Vorsitzenden wissen, der sich wiederum für die Werbung bedankte.

In der Antwort vermengt Babler dann allerdings einiges, spricht von einem Transformationsfonds, einer Biodiversitätmilliarde und einer Transformationsmilliarde. 

Babler bezieht sich auf einen mit 20 Milliarden Euro dotierten Transformationsfonds für die Industrie, der eine zentrale Rolle in der Finanzierbarkeit spielen soll: Die SPÖ möchte Förderungen, mit denen die Dekarbonisierung der Wirtschaft gelingen soll und die bisher etwa im Klimaschutzministerium und im Wirtschaftsministerium angesiedelt sind, bündeln – und aus dem jährlich zu beschließenden Bundesbudget herauslösen.

Nur: Was hat dieser Fonds mit dem Aufbau der Gesundheitsversorgung zu tun? Babler argumentiert im Sommergespräch nämlich wie folgt: „Die Transformationsmilliarde bringt Wirtschaftswachstum. Beispielsweise wenn wir die Gesundheitsversorgung wieder aufbauen in diesem Bereich, mit 30.000 Beschäftigten durch die Vermögensbesteuerung gegenfinanziert, wissen wir, dass sich die zu 70 Prozent selbst finanziert, weil das sind ja Menschen die dann Steuern zahlen, Kaufkraft entwickeln.“ 

Damit will der SPÖ-Chef den Selbstfinanzierungsgrad von Steuersenkungen und öffentlichen Investitionen illustrieren – die allerdings mit dem Transformationsfonds nicht direkt zusammenhängen. Die SPÖ bezieht sich auf eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) aus dem Jahr 2017, die besagt, dass Österreich im Jahr 2015 etwa 1,56 Milliarden Euro für stationäre und mobile Pflege ausgegeben hat. Durch direkte (z.B. Einkommenssteuer von Pflegekräften), indirekte (z.B. Mehrwertsteuer auf Waren und Dienstleistungen, die durch die Pflege benötigt werden) und induzierte Effekte (z.B. Ausgaben der Pflegekräfte in der Wirtschaft) flossen rund 620 Millionen Euro an Steuern zurück an den Staat. Hinzu kamen im Jahr 2015 etwa 740 Millionen Euro an Sozialversicherungsabgaben. Zusammen ergeben diese Steuern und Abgaben rund 1,36 Milliarden Euro. Das heißt: Obwohl der Staat viel Geld für die Pflege ausgibt, bekommt er durch Steuern und Sozialversicherungsabgaben einen großen Teil, nämlich 70 Prozent, des Geldes wieder zurück.

Auch wenn beim Zuhören vielleicht der Eindruck entstehen mag, haben der Transformationsfonds und der Aufbau der Gesundheitsversorgung also an sich nichts miteinander zu tun. Die Zahlen aus der Wifo Studie, die der SPÖ-Chef zur Finanzierung der Gesundheitsversorgung anführt, sind korrekt. Wie schaut es aber mit der Prognose der SPÖ zum Wirtschaftswachstum durch den Transformationsfonds aus?

Der Fonds ist vor allem als Industrieplan zu verstehen. Mit zielgerichteten Investitionen will man verhindern, dass Wertschöpfung in Zukunft absiedelt. Die SPÖ möchte sich an anderen EU-Ländern orientieren, die Zukunftstechnologien – wie etwa Batterien für Elektroautos – millionenschwer fördern. Nur damit könne garantiert werden, dass das Bruttoinlandsprodukt auch künftig noch so hoch sein wird, um das heimische Gesundheits- und Pensionssystem gegenzufinanzieren.

Bei der Vorstellung des Transformationsfonds im März 2024 in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin sprach Babler davon, dass sich der Fonds durch positive konjunkturelle Effekte sowie durch eine Millionärssteuer und die Schließung von Steuerlücken finanzieren soll. Wenige Wochen später in der „ZiB 2“ ging Babler dann vor allem auf Dividendenerlösen der öffentlichen Hand – etwa aus ASFINAG, Verbund und ÖBAG-Beteiligungen – ein.

Die Sozialdemokraten wollen also Mittel, die es bereits jetzt für die Ökologisierung der Wirtschaft gibt, aus dem Bundesbudget herauslösen und in einem Fonds, der in der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) angesiedelt ist, zur Verfügung stellen. „Das soll den Unternehmen, die um diese Förderungen ansuchen, auch Planungssicherheit für die nächsten zehn bis 15 Jahre garantieren“, heißt es auf Nachfrage aus der SPÖ. Ein Transformationsbeirat soll dann entscheiden, „wie und für welche Projekte die Mittel vergeben werden“, so die SPÖ. Mit wie viel Geld dieser Topf dann wirklich dotiert sein wird, lässt sich laut SPÖ noch nicht konkret sagen – die 20 Milliarden sind ein Richtwert. Ob 15,7 oder 22,3 Milliarden Euro oder ein anderer Wert dazwischen investiert werden muss, werde sich zeigen.

Fazit

SPÖ-Parteichef Andreas Babler hat in seiner Antwort auf die Frage, wie seine weitreichenden Vorhaben finanziert werden sollen, zwei Dinge vermischt. Der Transformationsfonds der SPÖ soll als „Fördersystem aus einer Hand und öffentliche Beteiligungen an Start-ups im Bereich der Klima- und Energiewende“ fungieren. Mit der Selbstfinanzierung von Steuersenkungen und öffentlichen Investitionen spricht Babler im gleichen Atemzug etwas anderes an. Dividiert man beides auseinander, bleibt dennoch offen, woraus sich der Transformationsfonds genau speisen soll, zumal die Höhe der Mittel auch von konjunkturellen Entwicklungen der Zukunft abhängt. Auch, wie viel Einnahmen sich generieren beziehungsweise wie stark ein Wirtschaftswachstum aus daraus getätigten Förderungen ausfallen könnte, lässt sich nicht seriös vorhersagen. Die Aussage ist daher irreführend.

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.