Billige Pille: Vier Euro sind nicht die Regel
Die Pille kostet vier Euro. Ich sehe an sich keinen Anpassungsbedarf [der Mehrwertsteuer].
Irreführend
Sicherer Sex ist in Österreich mitunter teuer: Verhütungsmittel wie die Pille müssen hierzulande aus der eigenen Tasche bezahlt werden - und ist nicht kostenlos verfügbar, wie beispielsweise in Italien.
Die Grüne Frauensprecherin Meri Disoski richtet nun eine konkrete Forderung an den Koalitionspartner und will von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) via parlamentarischer Anfrage wissen, ob eine Wiedereinführung der „Umsatzsteuerfreiheit für Langzeitverhütungsmittel“ geplant sei - von 2006 bis 2014 war eine solche nämlich schon einmal in Kraft. Im grün geführten Gesundheitsministerium denkt man indes schon länger darüber nach, Verhütungsmittel generell kostenfrei zur Verfügung zu stellen, seit Mai wird eine entsprechende Machbarkeitsstudie durchgeführt. „Das Gesundheitsministerium unterstützt Arbeiten in Richtung kostenlose Empfängnisverhütung,“ heißt es auf profil-Anfrage.
Die katholische Ärztevereinigung sieht die Forderung nach Steuersenkungen auf Verhütungsmittel kritisch. Im Interview im Ö1-Morgenjournal ortet der Präsident der Vereinigung, der Gynäkologe Romeo Reichel, keinen Anpassungsbedarf der Mehrwertsteuer. Denn: „Die Pille kostet vier Euro. Ich glaube nicht, dass es sich auswirkt, wenn man sie von der Mehrwertsteuer befreit“, so Reichel. Im Gespräch mit profil erklärt er, dass er im Zitat die Pille „Madonella“ gemeint habe, dieses kostengünstige Präparat kostet tatsächlich etwa vier Euro im Monat. Die Grüne Frauensprecherin Disoski entgegnet: „Die Kosten für die Pille variieren zwischen 4 und 15 Euro monatlich. Insbesondere für Jugendliche, vor allem für Frauen, die in den allermeisten Fällen die alleinige Verantwortung für Verhütung übernehmen, ist das eine finanzielle Belastung.“
Bei der Österreichischen Apothekerkammer zeigte man sich durchaus verwundert über den von Reichel angeführten Kostenpunkt. Das Produkt „Madonella“ zähle mit 4,15 Euro für eine Monatspackung zwar zu den preisgünstigsten Pillen; allerdings sei dieses Produkt nur eines von vielen und auch nicht für jede Frau anwendbar, so die Apothekerkammer: „Aktuell stehen in Österreich circa 20 verschiedene Varianten der Pille, die sich hinsichtlich Wirkstoffkombination, Wirkstoffstärke und Einnahmeschema unterscheiden, zur Verfügung. Welche davon hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit die bestgeeignete Variante für die jeweilige Frau und ihre derzeitige Lebenssituation ist, wird gemeinsam mit einer Ärztin, einem Arzt unter Berücksichtigung individueller Aspekte wie Unverträglichkeiten oder Risikofaktoren besprochen und entschieden.“ Auch Alexandra Ciresa-König, Geschäftsführende Oberärztin an der Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe in Innsbruck, bekräftigt dies gegenüber profil: „Verhütung einer ungewollten Schwangerschaft ist ein Teil des selbstbestimmten Lebens von Frauen und muss individuell und passend gewählt werden.“
Das Preisspektrum für Verhütungs-Pillen reicht laut Apothekerkammer von den von Reichl erwähnten 4 Euro bis zu knapp 20 Euro für eine Monatspackung. profil hat auch beim Marktforschungsanbieter IQVIA nachgefragt: Pro Packung kosten die 20 meistverkauften Pillen in Apotheken laut dem Unternehmen im Durchschnitt 25,22 Euro, inklusive Umsatzsteuer. Dabei kann die Packungsgröße variieren - und eine Packung Tabletten für einen bis drei Monaten beinhalten. Gerechnet auf die einzelne Tablette ergibt sich laut IQVIA ein Wert von 0,35 Euro.* Reichls Vier-Euro-Pille kostet in der Packungsgröße für drei Monate 12 Euro, die Kosten für eine Pille belaufen sich laut der Apotheke zur Universität in Wien auf 19 Cent.
Reichel erklärt im profil-Gespräch, er würde die „Madonella“ sehr häufig verschreiben, außer es spreche medizinisch etwas für eine andere Pille. Haben Frauen zuvor noch nie die Antibaby-Pille genommen, verschreibe er die Vier-Euro-Pille „gefühlsmäßig“ in etwa 70 Prozent der Fälle. Eigentlich habe er aber ein ganz anderes Ziel, so der Gynäkologe im profil-Gespräch: Sein „wesentliches Anliegen aus katholischer Sicht“ sei es, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zu reduzieren.
Andreas Nather, Gynäkologe in der Wiener Privatklinik für Frauenmedizin „Woman & Health“, befindet in Bezug auf die Vier-Euro-Pille: „Die Aussage ist irreführend, weil verschiedene Pillen unterschiedliche Wirkstoffe enthalten.“ Nicht zu jeder Pille gebe es ein Generikum, also eine günstigere Variante der Pille mit unterschiedlichem Namen, aber gleichem Wirkstoff. Und auch er betont: Jede Frau habe individuelle gesundheitliche Veranlagungen und dementsprechend individuell müsse man als Gynäkologe darauf eingehen. „Eine Frau mit Thromboseveranlagung braucht eine Pille, die das Thromboserisiko nicht erhöht“, so Nather.
Fazit
Es gibt Pillen, die zu dem von Reichel ins Feld geführten niedrigen Preis angeboten werden - viele sind jedoch teurer. Nicht jede Frau kann einfach so die 4-Euro-Pille schlucken: In Absprache mit Ärzt:innen müssen individuelle Aspekte wie Unverträglichkeiten, Wirkstoffkombinationen und Einnahmeschemas berücksichtigt werden. Die allgemeine Aussage, die Pille koste nur 4 Euro, ist somit irreführend.
*Quelle: IQVIA PharmaTrend – hochgerechnete Verkäufe (Sell-out-Daten) der öffentlichen österreichischen Apotheken, Kalenderjahr 2022, Österreich Gesamt, GO3A HORMON.KONTRAZEPT.SYSTEM (exkl. G03A6 SYST.NOTFALL-KONTRAZEPT.), NFC AAA ORAL S ORD TABLETS/ABA ORALS ORD COATED TABLETS/ABC ORALS ORD FILM-COATED TABS