Das schlechteste ÖVP-Argument gegen das Anti-Korruptionsgesetz
Ein Bürgermeisterkandidat, der sagt, ich werde das Radwegenetz ausbauen und dafür unterstützt wird, kann in diese Bestimmung (den Gesetzesentwurf zum Korruptionsstrafrecht, Anm.) hineinfallen.
Falsch
Wer in seinem Leben einmal legal einen Politiker bestechen will, sollte sich beeilen. Noch ist es straffrei möglich, einem Bürgermeisterkandidaten Geld für ein zukünftiges Amtsgeschäft anzubieten – zum Beispiel für die Umwidmung eines Grundstücks.
Grund dafür ist eine Lücke im Korruptionsstrafrecht, das zwar die Bestechung von Amtsträgern unter Strafe stellt, nicht aber das Anfüttern von Personen, die sich erst um ein Amt bewerben. Ausgerechnet der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte auf dieses Problem aufmerksam gemacht, wenn auch unfreiwillig. Seine Andeutungen zu möglichen Gesetzesänderungen gegenüber der vermeintlichen russischen Oligarchennichte im Ibiza-Video konnten gar nicht strafbar sein, weil Strache zum Zeitpunkt der Videoaufnahme noch nicht Vizekanzler war.
Die türkis-grüne Regierung will mit einer „Lex Ibiza“ den Bestechungsparagrafen auf Kandidaten für öffentliche Ämter ausweiten. Geplant ist auch, den sogenannten Mandatskauf unter Strafe zu stellen – es soll verboten werden, dass Parteien Listenplätze für Gegenleistungen anbieten können. Die Motivation für die Novelle ist bei der grünen Justizministerin Alma Zadic allerdings größer als bei ihrem Koalitionspartner.
Das wurde auch in einem ZIB 2-Interview mit ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker Ende Oktober deutlich. Stocker bekräftigte zwar die Bereitschaft seiner Partei, das Korruptionsstrafrecht zu verschärfen, meldete aber Bedenken an.
Stocker argumentierte: Ein Bürgermeisterkandidat, der im Wahlkampf den Ausbau des Radwegnetzes verspreche und dafür Spenden bekomme, könnte sich nach der Gesetzesänderung strafbar machen.
Cornelia Koller, Präsidentin der Vereinigung der Staatsanwälte, hält Stockers Befürchtung für unbegründet: „Wenn ein Bürgermeisterkandidat ein Versprechen macht, hat er selbst die Intention, das umzusetzen. Wenn er erst hinterher dafür unterstützt wird, dann ist die Spende nicht kausal für das Amtsgeschäft. Strafbar würde sich der Kandidat nur machen, wenn der Vorteil, den er annimmt, kausal dafür ist, dass er das spätere Amtsgeschäft – also den Radwegausbau – setzt.“
Das Justizministerium argumentiert auf profil-Anfrage gleich wie Koller. Und hält ausdrücklich fest, dass ein Bürgermeisterkandidat, der Spenden für Wahlversprechen bekommt, „nicht strafbar handelt – weder nach geltendem Recht, noch nach dem Entwurf“.
eStockers Behauptung ist also falsch. Wäre sie richtig, dann wären schon heute viele Bürgermeister, Landeshauptleute und Bundeskanzler mit Strafe bedroht. Denn viele Politiker stellen sich einer Wiederwahl. In so einem Setting sind sie gleichzeitig Kandidaten und Amtsträger – damit fallen sie bereits jetzt unter den Bestechungsparagrafen.
Georg Krakow, einst Kabinettschef im Justizministerium, heute Strafrechtler und Vorstandsmitglied von Transparency International hält die aktuelle Regelung deshalb gar für „verfassungsrechtlich bedenklich“: „Es wäre möglich, dass in einem Wahlkampf zwei Bürgermeisterkandidaten gegeneinander antreten und beide versprechen einem Dritten dasselbe Amtsgeschäft gegen einen Vorteil. Der eine ist strafbar, weil er Amtsinhaber ist, der andere nicht, weil er bloß Kandidat ist.“
Für Krakow könnte ein Wahlversprechen jedenfalls nur in Ausnahmefällen strafbar sein: „Wenn ein Spender seine Zahlung mit einem Wunsch für eine konkrete Amtshandlung verknüpft, wäre das problematisch. Wenn er also sagt, das Geld bekommst du, damit du das Radwegenetz ausbaust.“
In einem anderen Punkt ist Stockers Kritik am Entwurf plausibler: Eine gesetzliche Regelung zum Mandatskauf, sagte der ÖVP-General, gebe es „in ganz Europa nicht“. Tatsächlich ist weder dem Justizministerium noch Strafrechtler Krakow so eine Bestimmung in anderen Ländern bekannt. Laut Stocker sei „nicht ausreichend geklärt, welche Konsequenzen der Entwurf auf den Umgang mit Vorzugsstimmensystemen hat“. Bei der ÖVP gilt bei Wahlen bekanntlich: Wer mehr Stimmen bringt, kommt ins Parlament. Dafür machen Wirtschaftsbund, Bauernbund und Co. Wahlkampfgelder für „ihre“ Kandidaten locker – die offene Frage ist, ob das bereits als Listenplatzkauf gilt.
Das wäre tatsächlich widersinnig.