Die gefährlichen Krebstherapie-Ratschläge des blauen Kanals
„Ivermectin heilt Krebs! [...] In der Corona-Zeit wurde das Medikament, welches auch gegen Covid-19 seine Wirksamkeit zeigte, von den Systemmedien als Pferde-Entwurmungsmittel diffamiert. Womöglich, weil die Heilerfolge bei Krebs schon lange bekannt sind…“
Falsch
Der österreichische Krebsspezialist Christoph Zielinski muss es schon wieder tun: Vor drei Jahren beschäftigte er sich für sein Buch „Die Medizin und ihre Feinde” mit “Scharlatanen und Verschwörungstheoretikern”, die gegen die Wissenschaft kämpfen.
Nun propagiert der österreichische Onlinesender AUF1 einen angeblich vielversprechenden, neuen Behandlungsansatz für Krebserkrankte. Und so viel vorweg: Zielinski findet dafür deutliche Worte.
Im Zentrum der Behauptung steht wieder einmal das Mittel Ivermectin, ein antiparasitäres Medikament, das üblicherweise bei Tieren aber auch bei Menschen zur Behandlung gegen Parasiten eingesetzt wird. Impfskeptiker hatten dem Mittel bereits fälschlich eine Wirkung gegen das Coronavirus zugedichtet, laut AUF1 soll es nun auch „Krebs heilen”, wie es in mehreren Beiträgen wörtlich heißt.
Quelle? Trust me, bro
In dem Videoclip ist niemand geringerer als der US-Schauspieler Mel Gibson zu sehen, der in einem Interview mit einem Podcaster von drei seiner Freunde berichtet, die allesamt ihre Krebserkrankungen mit Ivermectin geheilt hätten. Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht.
Bereits ein paar Wochen zuvor hatte AUF1-Senderchef Stefan Magnet von „weiteren Studien“ und „entsprechenden Forschungen auf der ganzen Welt“ berichtet, die die Wirksamkeit von Ivermectin bei Krebspatienten belegen würden.
Er beruft sich dabei auf den kanadischen Arzt William Makis, der in der Vergangenheit wiederholt mit Falschbehauptungen aufgefallen war.
Was ist also dran an der Wirkung des Mittels Ivermectin bei Krebs?
Das Comprehensive Cancer Center der MedUni Wien weist auf profil-Anfrage darauf hin, dass es keine wissenschaftliche Evidenz dafür gibt, und rät dringend davon ab, solche Empfehlungen zu geben oder ihnen zu folgen, da sie potenziell riskant sein können.
Professor Christoph Zielinski gilt als Koryphäe der Krebsforschung in Österreich. Für profil gibt er eine detailliertere Einschätzung zu Ivermectin ab: Das Mittel sei zwar „im Reagenzglas” an Krebszellen getestet worden, aber: „Studien mit verlässlicher statistischer Auswertung fehlen im Fall der Anwendung von Ivermectin bei Krebs, sodass von einer unkritischen Übernahme von Gerüchten in ohne Zweifel für Patientinnen und Patienten schwierigen Situationen deutlich abzuraten ist, zumals in unmittelbarer Vergangenheit die hohe Toxizität von Ivermectin zu tragischen Verläufen bei PatientInnen geführt hat."
Es gäbe laut Zieliniski lediglich einen Ansatz bei einer Untergruppe fortgeschrittener Brustkrebszellen im Reagenzglas. Allerdings lägen auch dazu „keine verlässlichen klinischen Studien in Bezug auf die effektive und in ihrem Nebenwirkungsspektrum überschaubare Dosierung von Ivermectin vor”.
Auch medizinische Institutionen haben Bedenken, sich zu Fehlinformationen zu äußern, da ihre Zitate dann aus dem Kontext gerissen werden könnten. So, wie es auch regelmäßig mit prominenten TV-Moderatorinnen und Moderatoren oder auch Fake-Artikeln, die aussehen, als ob sie auf bekannten Nachrichtenseiten veröffentlicht würden.
Ivermectin als eine Art „zurückgehaltenes“ Medikament gegen Krebs zu benennen, entzieht sich jeglicher wissenschaftlicher Basis, so das Comprehensive Cancer Center der Meduni Wien gegenüber profil.
Das Geschäft mit der Desinformation
Der Aufstieg der sogenannten Alternativmedien ging Hand in Hand mit Desinformation zum Thema Corona. Der Sender AUF1 profitiert von Ängsten, Unsicherheiten und Bedrohungsszenarien, die er selbst verbreitet. Denn neben der reinen Verbreitung von potenziell gesundheitsgefährdenden Informationen wird im Webshop damit auch die Plattform selbst finanziert. Dort können verschiedene Bücher zum Thema Krebs gekauft werden, die gegen die Schulmedizin mobilisieren. So zum Beispiel „Krebszellen mögen keine Sonne“, „Krebsheilung unerwünscht“, oder „Chemotherapie – ein Mordsgeschäft“.
Während der Coronapandemie stieg der Sender zum „Leitmedium für Verschwörungsideologen“ im deutschsprachigen Raum auf, so der Rechtsextremismusbericht des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW). Beauftragt wurde der Bericht von Innenministerium und Justizministerium, als Teil dieses Forschungsberichts wird auch die rechtsextreme Publizistik erfasst.
Der Name AUF1 steht für „Alternatives Unabhängiges Fernsehen“, es wurde 2021 von Stefan Magnet in Linz gegründet. Die FPÖ steht in einem besonderen Naheverhältnis zu AUF1, FPÖ-Chef Herbert Kickl gibt der Plattform seit Corona exklusive Interviews und lobt den Kanal als “kritisches Korrektiv zu den Mächtigen”. Aktuell wirbt die AfD kräftig auf dem Sender für ihre Spitzenkandidatin Alice Weidel.
Hinter dem Sender steht der „Verein für basisgetragene Medienvielfalt“ mit einem Konto bei der ungarischen MBH-Bank, die im Zusammenhang mit der Finanzierung als rechtsextrem eingestufter Parteien steht. So zum Beispiel der spanischen VOX-Party. Neben Spenden finanziert sich AUF1 über seinen Shop und Spenden von Unternehmen. Laut Rechtsextremismusberichts des DÖW waren das im Jahr 2022 mehr als 500 Unternehmen.
Nachdem die FPÖ 2019 aus der Regierung geflogen war, intensivierte sie die Zusammenarbeit mit alternativen Medienkanälen wie AUF1, heißt es im Rechtsextremismusbericht. So berichtete FPÖ-Mediensprecher Hafenecker im Oktober 2020 im Deutschen Bundestag davon, dass es zwischen seiner Partei und den Akteuren der rechtsextremen Publizistik regelmäßig Abstimmungen gibt. Die FPÖ arbeitet jedenfalls mit der “alternativen” Medienlandschaft zusammen, falls es zu einer Regierung zwischen FPÖ und ÖVP kommen sollte und es zu einer Neuaufstellung der Presseförderung kommt, dann könnten Akteure, wie AUF1 finanziell stärker profitieren. So forderte die FPÖ in ihrem Wahlprogramm aus dem Herbst, dass ein Qualitätsjournalismus-Gremium „besetzt durch die Regierung” festlegt, wer gefördert wird. „Alternative Medien werden als rechtsextrem oder Verschwörungstheoretiker diffamiert und von Fördergelder abgeschnitten.” Das sei nicht fair, heißt es im Wahlprogramm weiter, die „Entwicklung und Etablierung alternativer Medienkanäle” solle weiter ermöglicht werden.
Auf eine Anfrage von profil, auf welche Quellen sich die Behauptungen beziehen und warum das Fehlen klinischer Studien nicht erwähnt wird, reagierte AUF1 nicht.
Fazit
Anerkannte Institutionen mit Expertise zur Krebstherapie raten dringend von der Einnahme von Ivermectin als Mittel gegen Krebs ab. Es gibt zwar Versuche zu diesem Thema, die Wirksamkeit ist aber bisher nicht durch klinische Studien an Menschen bestätigt worden. Dazu kommt: Ivermectin wird nur im Zusammenspiel mit anderen Therapieformen getestet.
Mit seriösen medizinischen Angeboten und Vorsorge ist es in Österreich möglich, Krebserkrankungen frühzeitig zu erkennen und angemessen zu behandeln.