Doch, Herr Landwirtschaftsminister, Sie sind für Tierschutz zuständig!
Sie wissen, die Tierschutzagenden sind bei Bundesminister Johannes Rauch angesiedelt. (…) Tierwohl ist immer wichtig, aber Tierwohl ist im Zuständigkeitsbereich des Herrn Gesundheitsministers.
Größtenteils falsch
Seine ersten Tage als neuer ÖVP-Landwirtschaftsminister hätte sich Norbert Totschnig sicher anders vorgestellt. Zunächst musste die Angelobung des ehemaligen Bauernbund-Direktors aufgrund seiner Corona-Erkrankung verschoben werden – wofür Totschnig natürlich nichts kann. Doch dann verlief auch das erste große Zeitungsinterview des neuen Ministers mit der „Kronen Zeitung“ mehr als holprig: Totschnigs Pressesprecherin lehnte ein Gespräch mit der für die „Tierecke“ zuständigen Journalistin der „Krone“ ab, wollte sich also den Fragesteller selbst aussuchen – und zog damit den Unmut der größten österreichischen Tageszeitung auf sich. Zentralen Fragen zum Thema Tierschutz (Stichwort: Vollspaltböden bei der Schweinezucht, Ferkelkastration ohne Betäubung) wich Totschnig aus. Er sei nicht zuständig, sagte der Minister: „Tierwohl ist immer wichtig, aber Tierwohl ist im Zuständigkeitsbereich des Herrn Gesundheitsministers.“ Damit macht es sich der Bauernbündler zu einfach, denn er ist sehr wohl verantwortlich.
Ohne den Landwirtschaftsminister geht nichts
Das zeigt ein Blick in die Rechtsordnung: Im Bundesministeriengesetz, das regelt, welches Ministerium für welche Themen zuständig ist, heißt es zwar, dass „allgemeine Angelegenheiten des Tierschutzes“ in den Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsministers fallen. Im Tierschutzgesetz wird allerdings an mehreren Stellen explizit darauf hingewiesen, dass der Gesundheitsminister nichts alleine entscheiden kann, sondern ein Einvernehmen mit dem Landwirtschaftsminister herstellen muss. Das Gesetz selbst regelt die Grundsätze und allgemeinen Anforderungen für die Haltung und den Umgang mit Tieren. Die Details zu einzelnen Tierarten müssen per Verordnung bestimmt werden. Eine Verordnung für landwirtschaftliche Nutztiere wie Schweine oder Rinder, die auch Vollspaltböden und die Kastration regelt, können die beiden Minister für Gesundheit und Landwirtschaft nur gemeinsam erlassen – sonst wäre der Rechtsakt rechtswidrig. Das hätte Totschnig übrigens auch auf der Homepage seines eigenen Ministeriums erfahren: „Verordnungen, die landwirtschaftliche Nutztiere betreffen, sind im Einvernehmen mit dem BMLRT zu erlassen.“ Auf profil-Nachfrage rudert das Ministerium zurück und erklärt sich nun doch für teilzuständig: „Im Einvernehmen mit dem Gesundheitsministerium wurden in der Tierhaltungs-Verordnung neue Maßnahmen gesetzt. So ist ab 1.1.2023 unter anderem die Haltung in unstrukturierten Vollspaltenbuchten für neu gebaute, umgebaute oder erstmals in Betrieb genommene Gruppenhaltungen verboten.“
Experten orten „Chuzpe“ bei Totschnig
Für den Verfassungs- und Verwaltungsjuristen Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck ist die Sache daher klar: „Einvernehmensbindung bedeutet, dass der Gesundheitsminister gegen das Veto des Landwirtschaftsministers nichts ausrichten vermag. Dem Gesundheitsminister also die Verantwortung für den Tierschutz allgemein umzuhängen und zu wissen, dass gegen den eigenen Widerstand zumindest im landwirtschaftlichen Bereich nichts geht, ist fast schon eine Chuzpe. Dies bedeutet, dass der Gesundheitsminister ressortzuständig ist und Vorschläge einbringen kann, aber letztlich auf die Zustimmung des Landwirtschaftsministers angewiesen ist.“ Und schließlich betont auch das grün-geführte Gesundheitsministerium auf profil-Anfrage die „entscheidende Rolle“ des Landwirtschaftsministers in puncto Tierschutz.
Fazit
Norbert Totschnig kann sich seiner Verantwortung zum Tierschutz nicht so einfach entziehen. Auch wenn Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) für den Tierschutz hauptzuständig ist: Wenn es um landwirtschaftliche Nutztiere geht, ist Totschnigs Zustimmung sogar zwingend notwendig. Insgesamt ist die Aussage des ÖVP-Ministers daher als größtenteils falsch einzustufen.
Dass das Tierwohl den Landwirtschaftsminister mehr angeht, als er zugeben will, zeigt auch die Geschäftseinteilung seines Hauses: Dort gibt es eine eigene Abteilung (II/6), die sich auch mit Tierschutz und Tiergesundheit auseinandersetzt.