Eine Sammlung von Wolfgang Fellners falschen Wahl-Prognosen
Wolfgang Fellner hat es schon wieder getan: Der Gründer und Eigentümer der Gratiszeitung „Österreich“ prognostizierte das nahende Ende der türkis-grünen Bundesregierung. „Spätestens im März ist ‚Game over‘“, schrieb Fellner vor zwei Wochen in einem Kommentar. Wobei er sich mit einer Wenn-Dann-Konstruktion eine kleine Hintertür offenhielt: „Wenn Schallenberg diesen Regierungscrashkurs fortführen will, wenn Kurz als Klubobmann den Blockadekurs noch verstärken will, wenn die Grünen weiter lieber ihre Regierungspartner (von Kurz bis Blümel) abschießen, statt mit ihnen endlich Reformen anzugehen, dann gebe ich dieser Regierung kein halbes Jahr mehr.“
Fellners Vorhersagen haben System: Ganze zehn Mal forderte – oder prognostizierte – der Boulevard-Macher im Jahr 2021 Neuwahlen auf Bundesebene. Das heißt: Im Schnitt geistert einmal pro Monat das Neuwahlgespenst durch die Zeitung „Österreich“.
faktiv, der Faktencheck von profil, sammelte Fellners Prophezeiungen und stellte fest: Egal, ob er Wahlausgänge, Rücktritte von Politikern oder Neuwahltermine vorhersagt – die Realität will sich den Weissagungen des Medienmannes nicht und nicht unterwerfen. Ob das eingangs erwähnte Koalitionsende im März wirklich eintritt, muss sich erst zeigen. Allzu hohe Wetten sollte man darauf aber nicht abschließen. Denn folgende neun Fellner-Prognosen haben sich alle als falsch herausgestellt.
Es gibt keine andere Lösung als Neuwahlen, die Kurz mit höchster Wahrscheinlichkeit gewinnen wird. Und die uns dann wieder die Ibiza-Koalition bringen könnte: mit Vollgas zurück zu Türkis-Blau – mit Kurz als Kanzler, Kickl als Finanzminister, Haimbuchner als Innenminister und Edtstadler als Justizministerin.“ (7. Oktober 2021)
Und wie wählt Deutschland heute? Mein Tipp wäre, dass das traditionell konservative Deutschland in letzter Sekunde der CDU und ‚Underdog‘ Laschet zum Sieg verhilft. Das wäre die größte Auferstehung seit Lazarus – aber sie scheint wahrscheinlich.“ (26. September 2021)
Ist diese Koalition noch zu retten? (…) Die nächste Eskalationsstufe ist noch heftiger: Umweltministerin Gewessler sperrt alle Straßenbauprojekte, ohne die Landeshauptleute zu informieren. ÖVP-Abgeordnete stimmen offen dagegen – ein Koalitionsbruch. Dahinter stecken die Landeskaiser: Auch die wollen jetzt ein Ende dieser Koalition. Und wenn die etwas wollen, geschieht es. (…) Türkis-Grün ist gescheitert.“ (22. Juli 2021)
Die SPÖ wird in den nächsten Wochen in den Umfragen unter 20 % fallen, sie wird bei der nächsten Landtagswahl in Oberösterreich zur 15-%-Kleinpartei werden – und sie würde bei einer Neuwahl im Herbst ein Debakel erleiden. In Wahrheit ist Rendi-Wagner seit ihren letzten Interview-Pleiten erstmals selbst dem Rücktritt nahe.“ (13. Juli 2021)
Rendi ist eine sehr sensible, ehrliche Frau. Sie wird demnächst das einzige tun, was ihr noch übrig bleibt: zurücktreten.“ (26. Juni 2021)
Die FPÖ- und Links-Wähler werden Kurz seine Falsch-Aussage im U-Ausschuss nicht mehr verzeihen und wollen den Rücktritt der Regierung erzwingen. An Neuwahlen führt deshalb kein Weg mehr vorbei. Sebastian Kurz wird diese Neuwahl – vermutlich im September – klar gewinnen.“ (19. Mai 2021)
Koalition ist am Ende – im Oktober kommen Neuwahlen. (…) Spätestens seit der grüne Vizekanzler Kogler – damals als Nebenerwerbsjustizminister – mit dem Disziplinarverfahren gegen Christian Pilnacek die ‚ÖVP-Schaltstelle‘ im Justizministerium lahmgelegt hat, ist das letzte Porzellan in dieser Regierung zerschlagen. (…) Wann gibt es diese Neuwahlen? Klar ist: Jetzt, mitten in der Coronakrise, wären Neuwahlen für die ÖVP ein viel zu großes Risiko. Sie könnten zu einer ‚Wut-Wahl‘ werden. Deshalb deutet alles auf Neuwahlen im Oktober hin.“ (4. April 2021)
Diese Koalition steuert auf ihr Ende zu. Bleibt nur die Frage: Wer verliert als Erster die Nerven und geht in Neuwahlen. Hinter den Kulissen gilt längst: Game over.“ (26. Februar 2021)
Mein Gefühl: Sebastian Kurz, der ‚Fouls‘ nicht verzeiht, wird Kogler und Anschober so lange quälen, over-rulen, provozieren – bis die Grünen (angeschlagen von immer schlechteren Umfragewerten) die Koalition platzen lassen. Dann wird Kurz eine ‚Krisen-Koalition‘ mit der SPÖ schmieden – mit der bestmöglichen Gesundheitsministerin Rendi-Wagner, mit dem in einer Wirtschaftskrise idealen Sozialminister Katzian, mit einer breiten Front der Landes-Chefs von Ludwig bis Kaiser.“ (6. Dezember 2020)
„Fellnerismus“
Diese Zusammenstellung bedeutet freilich nicht, dass Wolfgang Fellner immer falsch liegt. Ende März meinte er, würde der Gesundheitsminister in diesem Tempo weiterimpfen, „ist dieses Land nicht einmal zu Weihnachten zweifach durchgeimpft”. Diese Prognose dürfte sich bewahrheiten, auch wenn dafür kein Mangel an Impfstoffen verantwortlich ist, sondern schlicht die geringe Impfbereitschaft in der Bevölkerung. Fest steht: Der umtriebige Medienmanager Fellner, der neben „Österreich” auch Magazine wie „News”, „Rennbahn-Express” oder „Woman” gründete, gerät derzeit von mehreren Seiten unter Druck: Aktuell wird ihm von mehreren früheren Mitarbeiterinnen sexuelle Belästigung vorgeworfen, Fellner bestreitet die Vorwürfe. An anderer Front ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts, in der Zeitung „Österreich“ könnten Umfragen erschienen sein, die im Sinne von Sebastian Kurz frisiert und vom Finanzministerium mit Steuergeld bezahlt worden sein sollen. Alle Beschuldigten weisen diese Vorwürfe vehement zurück, es gilt die Unschuldsvermutung. In der Medienbranche hat sich für das Schaffen des Medienmachers längst der Begriff des „Fellnerismus“ etabliert.
Was damit gemeint ist, bringt Daniela Kraus, die Chefin des Presseclubs Concordia, auf den Punkt: „Professionelle Grundsätze werden oft nicht eingehalten. Das sieht man an den vielen Verurteilungen durch den Presserat. Das sieht man bei der Vermischung von redaktionellen Inhalten und Werbung. Und das sieht man auch bei faktischen Fehlern in der Berichterstattung. Dafür gibt’s genug Evidenz. Deshalb finde ich eine Unterscheidung zwischen Journalismus und Fellnerismus notwendig."
Zwar entscheiden die Konsumenten selbst, welche Zeitung sie lesen. Doch Fellner färbe negativ auf andere Medien ab, glaubt Kraus: „Das Problem ist dann, dass das generell auf den Journalismus zurückfällt. Weil dann bei Konsumenten der Eindruck entsteht: Die sind ja alle so."