Faktencheck: Ab wann sich der Umstieg von Verbrenner auf E-Auto lohnt
Mit „technologischer Steinzeit“ vergleicht die FPÖ den Plan der EU, ab 2035 keine Pkw mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen. Die türkis-grüne Bundesregierung will das Aus für neue Benzin- und Diesel-Fahrzeuge in Österreich bereits 2030, also fünf Jahre früher, erreicht haben. Und plädiert für eine „Trendwende“ im Verkehr. Durch den Umstieg auf Elektro-Autos?
Von Kritikern wird deren Klimaverträglichkeit infrage gestellt, Verbrenner dagegen angepriesen. FPÖ-Verkehrssprecher Christian Hafenecker etwa wettert in einer Aussendung gegen Elektromobilität und spricht sich für eine Evaluierung der EU-Entscheidung aus – allerdings mit falschen Argumenten. Ein Faktencheck.
Emissionen auch bei modernen Benzin- und Diesel-Pkw
Der moderne Verbrennungsmotor hat heute einen Schadstoffausstoß, der fast zu vernachlässigen ist.
Falsch
Um die Klimaziele - Österreich will bis 2040 klimaneutral werden - zu erreichen, besteht Handlungsbedarf. Auch im Verkehr. Mit einem Anteil von rund 30 Prozent zählt der Sektor zu den Hauptverursachern heimischer Emissionen. Laut FPÖ fallen Diesel- und Benzin-Autos dabei allerdings kaum ins Gewicht. Denn: Der Schadstoffausstoß moderner Verbrennungsmotoren sei „fast zu vernachlässigen“, sagt Hafenecker.
In den letzten 20 Jahren ist der durchschnittliche CO2-Ausstoß pro gefahrenem Kilometer bei neu zugelassenen Benzin- und Diesel-Pkw tatsächlich um rund 30 bzw. 20 Prozent zurückgegangen, wie aus einem Bericht des Umweltministeriums hervorgeht; allerdings keinesfalls verschwunden. Fachleute widersprechen Hafenecker daher unisono. Neben den laufenden -Emissionen durch die Verbrennung von Diesel und Benzin fallen auch andere, typische „Auspuffgase“ an, die mit Ökostrom betriebene E-Autos nicht vorweisen. 2020 wurden allein im Verkehrssektor etwa 49.220 Tonnen Stickoxide ausgeschüttet.
Zu vernachlässigen sind Emissionen von Verbrennern somit „keinesfalls“, sagt Lina Mosshammer von der Mobilitätsorganisation VCÖ. Hafeneckers Behauptung ist demnach falsch.
E-Auto vs. Verbrenner
Der moderne Verbrennungsmotor ist prinzipiell im Betrieb sauberer als die Herstellung eines Elektro-Fahrzeuges mit seinen Batterien.
Irreführend
Ende November 2022 waren rund zwei Prozent aller österreichischen Pkw rein elektrisch betrieben. Während das Interesse an E-Autos steigt - im letzten Jahr machten diese über 15 Prozent aller Neuzulassungen aus -, werden auch kritische Stimmen lauter. Im Zentrum von Beanstandungen steht stets das Herzstück eines jeden Elektro-Pkw – der Lithium-Ionen-Akku. Und dessen energieintensive Produktion. FPÖ-Verkehrssprecher Hafenecker vergleicht: „Der moderne Verbrennungsmotor ist prinzipiell im Betrieb sauberer als die Herstellung eines Elektro-Fahrzeuges mit seinen Batterien.“ Stimmt das so?
Betrachtung des gesamten Lebenszyklus
Fachleute sind sich einig: Für eine sinnvolle Gegenüberstellung von E-Auto und Verbrenner muss stets deren gesamter Lebenszyklus betrachtet werden: „Von der Herstellung über die Nutzung bis zum Recycling“, sagt Christoph Link von der Österreichischen Energieagentur (AEA). Hafeneckers Vergleich der Produktion eines E-Pkw mit dem Betrieb eines Benzin- bzw. Diesel-Autos hinkt somit.
E-Autos steigen in Ökobilanz besser aus
Auf Anfrage rät der FPÖ-Politiker profil, eine Google-Suche zur Energiebilanz von Fahrzeugen durchzuführen. Recherchen im Internet sowie offline ergeben: Über ein komplettes Fahrzeugleben hinweg steigen E-Autos deutlich besser aus als Benzin- oder Diesel-Pkw. Das Umweltbundesamt kommt in seiner Ökobilanz etwa zu dem Ergebnis, dass ein Elektro-Auto über seinen gesamten Lebenszyklus betrachtet - je nach Pkw-Klasse - zwischen 47 und 63 Prozent weniger Treibhausgas-Emissionen verursacht als ein Verbrenner. In dieser Rechnung zentral: Die Zusammensetzung des Stroms. In Österreich stammen rund 80 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen, weshalb ein in Wien aufgeladenes E-Auto umweltfreundlicher ist, als ein in Warschau geladenes; zwei Drittel des polnischen Stroms stammt aus Kohlekraftwerken. Wilfried Sihn, Geschäftsführer von Fraunhofer Austria, sieht in der E-Mobilität jedenfalls die Zukunft. Aber: „Das geht nur mit bedeutend mehr grünem Strom.“
Energieintensive Herstellung von Batterien
Während die Förderung und Raffination von Erdöl den größten Emissionsanteil im Lebenszyklus von Benzin- und Diesel-Autos ausmacht, tragen Elektro-Pkw durch die Herstellung ihrer - meist aus China stammenden - Batterien einen schweren „CO2-Rucksack“. Laut Umweltbundesamt sind diese Emissionen allerdings nach 45.000 Kilometern Fahrt wieder eingespart – bei österreichischem Strommix. Lädt man sein E-Auto an der eigenen Photovoltaik-Anlage am Dach, also mit 100 Prozent grünem Strom, geht es rascher. Und: Je kleiner die Batterie, desto schneller deren Amortisierung.
Im Übrigen benötigen Batterien immer weniger sozial und ethisch problematische Rohstoffe (Stichwort: Ausbeutung rohstoffreicher, jedoch oft ärmerer Staaten), deren Verwendung Hafenecker anprangert. Markus Kaiser, Elektromobilitätsexperte des ÖAMTC, erklärt: „Wir sehen eine Abkehr von Kobalt.“ Das Metall befinde sich global gesehen nur mehr in zwei Drittel aller neu verbauten Fahrzeug-Batterien, so der Fachmann.
Auch David Wöss vom Institut für Verfahrens- und Energietechnik der Boku in Wien meint, dass Akkus von Elektro-Pkw einen schlechteren Ruf haben, als sie verdienen: „Wenn eine Batterie nach mehrjähriger Verwendung im E-Auto beispielsweise nur noch 80 Prozent an Kapazität hat, kann sie noch viele Jahre als stationärer Speicher für Sonnenstrom dienen, bevor sie dann recycelt wird.“
Fazit
Insgesamt schneiden E-Autos in Bezug auf Emissionen deutlich besser ab als Verbrenner. Für einen sinnvollen Vergleich muss stets der gesamte Lebenszyklus eines Pkw betrachtet werden – von der Herstellung, über die Energiebereitstellung bis zur Entsorgung. Hafeneckers Aussage ist als irreführend einzustufen.
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