Faktencheck: Bezahlkarte für Asylwerber bringt vorerst keine Einsparungen

Mit einer Bezahlkarte für Sachleistungen will FPÖ-Landesrat Christoph Luisser Niederösterreich unattraktiver für Asylwerber machen - und Kosten einsparen. Dafür gibt es keinen Beleg.

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Die Einsparungen [bei der Bezahlkarte] sind größer als die Kosten.

Landesrat Christoph Luisser (FPÖ Niederösterreich)

Pressekonferenz

Falsch

Das Prestige-Projekt des niederösterreichischen Landesrates Christoph Luisser (FPÖ) ist etwas holprig gestartet: Seit Monatsbeginn bekommen in seinem Bundesland 113 Asylwerber:innen ihr Essensgeld nicht mehr in bar ausbezahlt - sondern testweise auf Karten des Anbieters Pluxee (vormals Sodexo) gebucht. Mit den sechs Euro pro Tag können sie in Supermärkten und Gasthäusern bezahlen, Tabakprodukte und Alkohol können damit aber nicht gekauft werden. Nur mehr 40 Euro monatlich bekommen sie in bar. Im Ö1-Morgenjournal berichteten Asylwerber:innen jedoch von Problemen beim Karteneinsatz, Hilfsorganisationen übten scharfe Kritik.

Luisser sieht sein Projekt ungeachtet der Kritik als Erfolg: „Das Prozedere und unser Projekt in Niederösterreich wurde exzellent vorbereitet.“ Bei einer Pressekonferenz diese Woche sprach er sogar davon, dass er durch das Bezahlkartensystem einen finanziellen Vorteil für das Land erzielen würde: „Die Einsparungen sind größer als die Kosten.“

Für Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination ist die vermeintliche Ersparnis nicht nachvollziehbar. „Das ist aus mehreren Gründen ein Blödsinn“, sagt er. 

Denn bisher bekamen die Menschen, die auf den Abschluss ihres Asylverfahrens warten, sieben Euro pro Tag von ihrem Quartiergeber ausbezahlt - also etwa der Caritas oder der Diakonie. Künftig bekommen sie vom Quartier nur mehr 40 Euro in bar und sechs Euro täglich auf die Bezahlkarte. Pluxee werde die Abwicklung wohl „nicht gratis machen“, sagt Gahleitner. 

Auf profil-Anfrage räumt das Büro von Landesrat Luisser ein, dass dem Land tatsächlich ein finanzieller Aufwand entsteht, wenn auch nur ein minimaler: Der FPÖ-Mann beziffert die Kosten für das Projekt mit einer Laufzeit von drei Monaten auf Anfrage mit „weniger als 800 Euro“. Die Sachleistungskarte koste dreieinhalb Euro pro Karte und „0,5% der aufgebuchten Summe für den laufenden Betrieb“. 

Würde das Projekt auf alle Asylwerber:innen in Niederösterreich (laut Gahleitner-Gertz handelt es sich derzeit um etwa 1.400 Menschen) ausgerollt werden, so ergäben sich laut dieser Formel des Landesrates monatliche Zusatzkosten von etwa 1260 Euro. 

Aber wo sieht Luisser nun konkret Einsparungspotenzial? Auf Nachfrage meint ein Sprecher des Landesrates zunächst: „Die Einsparung betrifft einen schwer zu beziffernden Teil, nämlich den Wegfall der täglichen Geldauszahlungen an jeden Fremden einzeln und mit Unterschrift. Diese Ersparnis nützt den Betreibern und ist nicht finanziell zu beziffern. [...] Die bei weitem größte Ersparnis wird sich einstellen, wenn das erklärte Ziel, die Deattraktivierung von Niederösterreich für illegale Migranten, erreicht ist.“ Gahleitner-Gertz entgegnet dem jedoch, dass Quartierbetreiber künftig zwar nur mehr die 40 Euro Taschengeld auszahlen, dadurch würde sich der Verwaltungsaufwand jedoch nicht maßgeblich verringern. 

Die zusätzlichen Kosten spare man aber jedenfalls ein, heißt es aus dem Büro des Landesrates, und zwar so: „Den Grundversorgten wurden früher 7 Euro ausgezahlt und jetzt 6 Euro aufgebucht. Daraus ergibt sich eine Ersparnis, die bei weitem die Kosten übersteigt.“

Diese Rechnung geht aber nicht ganz auf. Wie aus einem Schriftstück aus der niederösterreichischen Landesregierung, das profil vorliegt, hervorgeht, bekommen Asylwerber:innen beim Projekt sechs Euro pro Tag auf ihre Karte gebucht - und zusätzlich 40 Euro Taschengeld im Monat bar ausbezahlt. Diesen Betrag haben zuvor nur Asylwerber:innen in einem Vollversorgungsquartier erhalten - nicht aber jene Asylwerber:innen in organisierten Selbstversorgungsquartieren. Die zusätzlichen 40 Euro argumentiert Landesrat Luisser im Morgenjournal mit juristischen Gründen: „Es gibt ja aufgrund europarechtlicher Vorgaben einen Betrag, der zu freien Verfügung bleiben muss. Und davon kann sich jemand gerne Zigaretten kaufen, wenn er das möchte.“

Die Asylwerber:innen haben somit jedenfalls insgesamt, rechnet man mit 30 Tagen, 220 Euro zur Verfügung. Bisher haben Asylwerber:innen in Selbstversorgung pro Tag sieben Euro bekommen und hatten demzufolge in einem Monat mit 30 Tagen 210 Euro zur Verfügung. Mehrere Nachfragen von profil, wie das Büro des Landesrates auf eine Ersparnis komme, blieben unbeantwortet. 

Auch in Oberösterreich startet ab Juli eine Testphase für ein Bezahlkartensystem. Die Kosten für die Einführung sind dabei ähnlich wie in Niederösterreich, allerdings heißt es aus dem Büro des dort für Asyl und Integration zuständigen Landesrates Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) auch: „Hinsichtlich eventueller Kosteneinsparungen gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keine Berechnung. Wir erwarten uns eine Vereinfachung in den aktuell teils sehr komplexen administrativen und nicht-digitalisierten Abläufen.“ 

Update, 12. Juni

Nach dem profil-Bericht sah sich Landesrat Luisser zu einer Klarstellung veranlasst. Entgegen der ursprünglichen Information, die von der Landesregierung an die Quartiergeber kommuniziert wurde (sie liegt profil vor), sollen die Flüchtlinge nun doch nicht mehr Geld bekommen als bisher. Luisser erklärte in einem schriftlichen Pressestatement, dass je nach Anzahl der Tage eines Monats unterschiedliche Beträge am Monatsende „ausbezahlt“ werden. „In Richtung Monatsende gibt es also immer eine Einschleifregelung“, sagt Luisser in der Aussendung. Heißt: Insgesamt bekommen Asylwerber:innen gleich viel Grundversorgungsleistung wie zuvor. Mehrmalige profil-Anfragen zum Thema hatte das Büro des Landesrates zuvor unbeantwortet gelassen. Eine Ersparnis ergibt sich dadurch derzeit dennoch nicht. Luisser ätzt in der Aussendung auch gegen „sogenannte Faktenchecker“, die sich über mehr Geld für Asylwerber gefreut hätten und damit falsch gelegen wären. Dem hält profil entgegen: Es wurde wahrheitsgemäß berichtet, die genannten Beträge können durch Mails belegt werden.

Fazit

Auf Anfrage konnte der niederösterreichische Landesrat Luisser keine Belege für etwaige Einsparungen übermitteln. Im Gegenteil: Die Karte verursacht derzeit sogar einen kleinen Mehraufwand. Ob Niederösterreich durch die Karte für Geflüchtete unattraktiver wird, wie die FPÖ meint, ist offen - am österreichweiten Verteilungsschlüssel ändert sie nichts. Aktuell sind die Einsparungen jedenfalls nicht höher als die Kosten, obwohl der Landesrat das behauptet. Die Aussage ist falsch

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.