Faktencheck: Fehlerquote bei Asylbescheiden deutlich höher als geplant

ÖVP-Innenminister Karner wollte die Zahl der in zweiter Instanz beanstandeten Asyl-Entscheidungen senken - und ist gescheitert.

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Ziel: Die Entscheidungen des Bundesamts für Asyl- und Fremdenwesen (BFA) sollen in der zweiten Instanz in weniger als 30 Prozent der Fälle abgeändert oder aufgehoben werden müssen.

Teilheft Bundesvoranschlag 2023

Untergliederung 18: Fremdenwesen

Falsch

Das Bundesverwaltungsgericht ist eine riesige Beschwerdeverarbeitungsmaschine. Alle möglichen Angelegenheiten werden hier in zweiter Instanz verhandelt – von Dienstrecht und Datenschutz, über Ausländerbeschäftigung bis zu Umweltverträglichkeit. Taucht das Gericht aber in den Medien auf, geht es fast ausschließlich um Asylverfahren.

Das liegt weniger am BVwG selbst, als an der Ebene darunter. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ist die erste Instanz im Asylverfahren und steht seit langem wegen der schlechten Qualität seiner Entscheidungen in der Kritik.

Das BFA untersteht dem von ÖVP-Minister Gerhard Karner geführten Innenministerium. Karner gelobte in Zahlen gegossene Besserung. Im Bundesvoranschlag wurde sogar eine Kennzahl für die Qualität der BFA-Bescheide eingeführt. Das Ziel: Weniger als 30 Prozent der erstinstanzlichen Entscheidungen sollen vom BVwG beanstandet werden.

Das Innenministerium schaffte ein eigenes Tool an, das bei der Fehleranalyse helfen soll. Das Instrument heißt „BERT“ und erfasst laut Presseaussendung alle inhaltlichen Entscheidungen des BVwG zu BFA-Bescheiden, um herauszufinden, wo mit Schulungen und Qualitätsoffensiven nachgebessert werden muss.

Trotzdem bewegte sich die Fehlerquote nicht nach unten. Das ergibt sich aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage, mit der die Neos-Abgeordnete Krisper detaillierte Auskunft von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) zu Beschwerden gegen BFA-Bescheide begehrte. Von rund 20.500 Einzelentscheidungen, die das BVwG im Vorjahr traf, gingen 9.700 zugunsten der Beschwerdeführer aus. Das entspricht einer Fehlerquote von sage und schreibe 47,3 Prozent; die damit um 17,3 Prozentpunkte über dem von Karner im Bundesvoranschlag festgeschriebenen Maximalwert liegt.

Diese Fehlerquote prangern NGO-Vertreter und Asylanwälte als rechtsstaatlichen Übelstand an. „Asylverfahren laufen in Österreich weder rasch noch effizient ab – und das Innenministerium schaut zu“, kritisiert auch Neos-Asylsprecherin Stephanie Krisper: „Das kostet Zeit, Ressourcen und Steuergeld.“ Nachsatz: „In keinem anderen Bereich würde dies so schulterzuckend akzeptiert werden wie im Asylbereich – und hier geht es potentiell um die Zukunft von Schutzsuchenden."

Ein Sprecher von Innenminister Karner lässt auf profil-Anfrage wissen, dass „Umfang und Gründe für Aufhebungen und Abänderungen der BFA-Bescheide vielfältig“ sein können, daraus abgeleitete Fehlerquoten deshalb keine Aussage über die Qualität der Bescheide und allfällige Bearbeitungsfehler zuließen. Eine hohe Qualität sicherzustellen sei jedenfalls ein „prioritäres Anliegen“ der erstinstanzlichen Behörde.

Faktum ist: Die „Heberquote“ ist bei BFA-Bescheiden unrühmlich hoch, zieht nicht nur die Verfahren in die Länge, sondern kostet auch viel Geld. Pro Asylbeschwerdeverfahren sind durchschnittlich rund 1.800 Euro an Sach- und Personalaufwand zu veranschlagen. Die Kosten für die Rechtsberatung für die Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kommen noch dazu. Sie beliefen sich 2022 in Summe auf 13.583.817,39 Euro.

Fazit

Das im Budget festgeschriebene Ziel wurde weit verfehlt. Das Innenministerium kalkulierte damit, dass 2022 weniger als 30 Prozent der Fälle abgeändert oder aufgehoben werden müssen - stattdessen wurde jedoch fast die Hälfte aller Entscheidungen beeinsprucht.

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

war von 1998 bis 2024 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges.

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

war bis Oktober 2024 stv. Online-Ressortleitung und Teil des faktiv-Teams.