Haben die Klimaproteste am Flughafen Wien wirklich Millionen gekostet?
(...) Denn die Kosten für den Einsatz hunderter Polizistinnen und Polizisten, zusätzlicher Flughafen-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Reinigungskräfte, die das Farb-Chaos schlussendlich beseitigen mussten, geht in die Millionen.
Unbelegt
„Öl tötet“ – stand auf dem Banner, das die Klimaaktivistengruppe „Letzte Generation“ bei ihren beiden Protestaktionen am Flughafen Wien-Schwechat ausgerollt hatte. In der letzten Juliwoche verschütteten vier Mitglieder der „Letzten Generation“ orange Warnfarbe über den Fußboden des Terminal 3. Ein paar Tage später klebten sich die Aktivist:innen am Boden und aneinander fest, um Reisenden den Weg zu den Terminals zu versperren.
Zwar seien die Passagiere vom Flughafenpersonal und der Polizei umgeleitet worden, sodass es zu keinen Beeinträchtigungen gekommen sei. Die Kosten für das zusätzliche Flughafen- und Polizeipersonal sowie die Reinigungskosten der Farbe gehen laut Matthias Zauner, dem niederösterreichischen Landesgeschäftsführer der ÖVP, aber „in die Millionen“.
Kann das sein? Können zwei Störaktionen so hohe Kosten verursachen?
Es gibt keine offiziellen Zahlen
Weder die Polizei noch der Flughafen Wien wissen derzeit, wie viel die beiden Störaktionen gekostet haben. „Wie hoch die Kosten ausfallen, wird noch ausgearbeitet“, heißt es aus Wien-Schwechat. Und auch seitens der Landespolizeidirektion Niederösterreich sagt man auf profil-Nachfrage: „Wie viel das gekostet hat, lässt sich noch gar nicht sagen, denn wir müssen erst einmal die Monatsabrechnung abwarten.“
Woher stammt nun aber die Angabe von Zauner, dem Landesgeschäftsführer der ÖVP-Niederösterreich, die Kosten für die Störaktion am Flughafen gehen „in die Millionen“?
Auf profil-Anfrage rudert Zauner zurück und argumentiert allgemeiner: „Auch wenn bei dieser Aktion die konkreten Zahlen von Polizei und Flughafen derzeit noch erhoben werden, steht fest: 670 Polizistinnen und Polizisten in Alarmbereitschaft, zusätzliche Drohnen und Hubschrauber, eine eigene Sicherheitsfirma im Einsatz, zusätzliche Ordner- und Reinigungskräfte haben exorbitante Kosten verursacht“, so Zauner.
Klimaproteste am Flughafen Wien
Am Samstag versammelten sich 50 Aktivist:innen am Terminal 3, einigte klebten sich fest. Die Polizei führte Identitätsfeststellungen durch. Anzeigen gab es von der Flughafen Wien AG indes gegen die acht demonstrierenden Aktivisten vom Mittwoch.
Unbestritten ist, dass die Störaktionen der Klimaktivist:innen Geld kosten.
An den Einsatzkräften lasse sich die Summe aber nicht hochrechnen, heißt es vonseiten der Landespolizeidirektion Niederösterreich. „Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die waren im Plandienst, die hätten das Wochenende sowieso Dienst gehabt, da wären keine Mehrkosten entstanden. Und dann gibt es natürlich welche, die sind auf Überstunden gekommen”, so die Polizei.
Zauner argumentiert gegenüber profil außerdem mit den Werten der Vergangenheit. „Dass die chaotischen Klimaproteste den Steuerzahler bereits über 2 Millionen kosten, dem Klima aber nichts nutzen, ist bereits seit vergangenem Jahr hinreichend belegt”, sagt der Landesgeschäftsführer der niederösterreichischen Volkspartei.
„Vergleiche zu anderen Versammlungen können nicht gezogen werden. Es bedarf immer der Ausarbeitung eines individuellen Konzepts je nach Anlass und den entsprechenden individuellen, lagebedingten Einplanungen des Kräfteeinsatzes.”
Tatsächlich hat die Landespolizeidirektion Wien im März des Vorjahres auf APA-Nachfrage Zahlen zu den zusätzlichen Personalkosten, die aufgrund von Protesten der “Letzten Generation” entstanden sind, veröffentlicht. Damals ging es um mehrere Protestaktionen in den Monaten Jänner und Februar. Kostenpunkt für das Personal, das nur diesen Demonstrationen in den beiden Monaten zu Jahresbeginn 2023 zugeschrieben werden konnte: 475.242 Euro.
Aber bereits damals sagte ein Sprecher der Wiener Polizei: „Vergleiche zu anderen Versammlungen oder gar Sportgroßveranstaltungen können nicht gezogen werden. Es bedarf hier immer der Ausarbeitung eines individuellen Konzepts je nach Anlass und den entsprechenden individuellen, lagebedingten Einplanungen des Kräfteeinsatzes. Daraus ergeben sich individuelle Kosten je nach Einsatz.”
Wie hoch die Kosten für diese beiden Einsätze am Mittwoch vor einer Woche und am vergangenen Samstag am Flughafen nun wirklich sind, lässt sich also nicht seriös beantworten - noch nicht. Der Flughafen Wien-Schwechat will sich die Kosten von den Protestierenden zurückholen: „Der Flughafen Wien wird alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Beteiligten an den Protestaktionen am Flughafen Wien zur Verantwortung zu ziehen“, schreibt der Pressesprecher des Flughafens Peter Kleemann auf profil-Nachfrage: „Kosten, die aufgrund dieser Störaktionen entstanden sind, wird der Flughafen Wien auf zivilrechtlichem Wege einfordern.“
Alexander Wilfinger vom Institut für Zivil- und Zivilverfahrensrecht an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien rechnet dem Flughafen dabei gute Chancen zu: „In Frage kommen zum Beispiel Reinigungskosten, erhöhter Aufwand für Sicherheitsvorkehrungen oder Verdienstentgang durch Behinderungen des Flugverkehrs. Er kann sich nämlich auf den Standpunkt stellen, in seinem Eigentum am Flughafengelände verletzt worden zu sein. Das ist rechtswidrig und macht ersatzpflichtig, auch gezieltes ,Lahmlegen’ durch Blockaden kann ausreichen“, so Zivilrechtsexperte Wilfinger. Auch wenn der Schaden nicht in die Millionen geht, könnte es für die „Letzte Generation“ teuer werden, meint der WU-Professor, denn „die beteiligten Aktivist:innen haften dann jeweils auf den vollen Betrag, weil sie gemeinschaftlich tätig waren“.
Drohen den Protestierenden wirklich Gefängnisstrafen?
Manchen geht das aber nicht weit genug: „Ich habe überhaupt kein Verständnis für jene Chaoten, die medienwirksam ihr Unwesen am Flughafen Schwechat angekündigt haben und unseren Landsleuten den Urlaub vermiesen wollen“, schrieb die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Samstag in einer Stellungnahme an die APA. „Ihnen möchte ich eine ganz einfache Botschaft ins Stammbuch schreiben: Ihr seid keine Klimahelden, sondern Kriminelle. Wer den Flugverkehr stört, muss hinter Gitter“, so die Landeshauptfrau.
Ist das realistisch?
Jedenfalls nicht sofort, sagt WU-Professor Wilfinger. In einem ersten Schritt könne es dem Flughafenbetreiber darum gehen, eine Wiederholung der Aktion zu verhindern: „Mit sogenannten Besitzstörungsklagen kann er das rasch und verhältnismäßig unkompliziert durchsetzen. Wenn die Handlung später trotzdem wiederholt wird, kann das Gericht im Exekutionsweg Geld- und theoretisch sogar Haftstrafen verhängen“, sagt der Experte für Zivilrecht.
Fazit
Dass die Störaktionen der „Letzten Generation“ am Flughafen Wien Ende Juli einen Schaden in Millionenhöhe angerichtet hätten, lässt sich aktuell nicht belegen. Weder der Flughafen Wien-Schwechat noch die Landespolizeidirektion Niederösterreich können dazu derzeit Angaben machen. Der Landesgeschäftsführer der niederösterreichischen Volkspartei, Matthias Zauner, ruderte auf profil-Nachfrage zurück und stützte seine Argumentation mit Kosten vergangener Protestaktionen. Vergleichen lassen sich diese aber laut der Wiener Polizei, die eine solche Kostenaufstellung im Vorjahr kommuniziert hat, nicht. Fest steht hingegen, dass es für die Aktivist:innen teuer werden könnte. Denn der Flughafen Wien-Schwechat hat angekündigt, sich die entstandenen Kosten zivilrechtlich ersetzen zu lassen. Wenn sie dann erhoben sind.
Millionenklage ausgeblieben
Am 12. September 2024 hat der Flughafen Wien bekanntgegeben, zwölf Klimaaktivist:innen der „Letzten Generation“ zivilrechtlich auf 36.000 Euro zu verklagen. 3.000 Euro werden für die Aktion am 24. Juli gefordert, der Rest für die Aktion am 27. Juli - aufgrund von „Beschädigungen, Verunreinigungen und Behinderungen im Rahmen der unangemeldeten Demonstration“, so der Flughafen Wien.