FPÖ für schlechte Impfquote mitverantwortlich?
In den Gemeinden, die die niedrigste Impfquote haben, da gibt es keinen FPÖ-Bürgermeister.“
Wer ist schuld an der niedrigen Impfquote in Österreich? Die Bundesregierung sucht den Fehler lieber nicht bei sich selbst und zeigt mit dem Finger auf die FPÖ: So hält etwa Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) die Anti-Impf-Propaganda der FPÖ für die geringe Durchimpfungsrate im Land verantwortlich. Und auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sieht eine Mitschuld der FPÖ und hält das Auftreten der Partei für „extrem verantwortungslos“. Der oberösterreichische Landesobmann der FPÖ, Manfred Haimbuchner, wollte das im „Club 3“-Interview so nicht stehenlassen.
Wenn es nach FPÖ-Chef Herbert Kickl geht, ist ein intaktes Immunsystem die beste Waffe gegen das Coronavirus. Die Wirksamkeit der Impfung stellt er in Frage, einen Impfdruck seitens der Regierung prangert er an. Sieht das sein oberösterreichischer Parteikollege Manfred Haimbuchner nach einer im Frühling durchgemachten, schweren Covid-Erkrankung anders? Konfrontiert mit der Frage, ob er hinter dem impfskeptischen Kurs der FPÖ stehe, gibt er sich defensiv. Einerseits sei es nichts Ungewöhnliches, so Haimbuchner, als Oppositionspolitiker prononciert vorzugehen. Andererseits beteuert er: „Hier der FPÖ die Schuld zu geben an einer niedrigen Impfquote. Das halte ich für sehr interessant. Ich kann Ihnen übrigens jene Gemeinden auch sagen, die die niedrigste Impfquote haben, da gibt es keinen FPÖ-Bürgermeister.“
Tatsächlich keinen FPÖ Bürgermeister?
Aufgezählt hat Haimbuchner die erwähnten Gemeinden in der Sendung „Club 3“ allerdings nicht. faktiv hat sich die Daten vom Tag der Aufzeichnung (10. September 2021) angesehen. Unter den zehn Gemeinden mit niedrigster Impfquote in Österreich befanden sich darin, entgegen Haimbuchners Aussage, gleich zwei, die von der FPÖ regiert werden: Feldkirchen bei Mattighofen lag zu dem Zeitpunkt auf Platz fünf. Nur 36,2 Prozent der Bevölkerung waren dort vollimmunisiert. Bürgermeister der oberösterreichischen Gemeinde ist Johann Danninger von der FPÖ. Auch Platz zehn belegte eine Gemeinde mit FPÖ-Bürgermeister: Hans-Jörg Kerschbaumer ist Oberhaupt des Kärntner Orts Stockenboi (Impfquote: 38,1 Prozent). Die Aussage von Haimbuchner stellt sich, bei Betrachtung der zehn Gemeinden mit niedrigster Impfquote in Österreich, also als faktisch falsch heraus. Haimbuchner führte jedoch nicht an, wie viele Gemeinden er in seine Bewertung miteinbezogen hatte. Sollte er also lediglich die ersten zwei, drei oder vier Plätze der Gemeinden mit niedrigster Impfquote gemeint haben, ist seine Aussage korrekt.
Daten des Österreichischen Gemeindebundes zeigen im Übrigen, dass zwei Prozent (das sind 42 Personen) der 2.095 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister Österreichs der FPÖ angehören. Alleine unter den ersten zehn Gemeinden mit niedrigster Impfquote befinden sich zum Zeitpunkt des Faktenchecks schon zwei davon, also 20 Prozent. Unter den Top-Ten-Gemeinden mit den höchsten Impfquoten ist übrigens keine mit FPÖ-Bürgermeister.
Impfquote nach Gemeinden
Die niedrigste Impfquote Österreichs mit 29,3 Prozent verzeichnet die Tiroler Gemeinde Spiss (Stichtag 10. September 2021). Warum Spiss Schlusslicht ist? Bürgermeister Alois Jäger vom Tiroler Bauernbund (eine Teilorganisation der ÖVP) betont in einem TV-Interview, dass die Situation am Land eine ganz andere sei als in der Stadt: „Die Kinder können im Dreck spielen. Das ist einfach gut für die Abwehrstoffe.“ Wozu braucht es da also eine Impfung? Führende Virologinnen und Virologen werden dem wohl einiges entgegenzusetzen haben. Zum Vergleich das andere „Extrem“: Die höchste Durchimpfungsrate Österreichs verzeichnet am selben Tag das SPÖ-regierte Kleinmürbisch. 81,2 Prozent der burgenländischen Gemeinde ist bereits vollimmunisiert.
Generell stellt sich jedoch die Frage, wie aussagekräftig die Impfquote einer einzelnen Gemeinde tatsächlich ist. Im Kärntner Mörtschach (mit achtniedrigster Impfquote Österreichs) wird etwa vermutet, dass die hohe Anzahl der genesenen Personen in der 840-Einwohner-Gemeinde die Impfquote drastisch nach unten drücke. Anfang des Jahres sei die gesamte Volksschule der Gemeinde in Quarantäne gewesen. Ein weiteres Beispiel ist die Gemeinde Jungholz an der deutschen Grenze (mit viertniedrigster Impfquote des Landes). Bürgermeisterin Karina Konrad (ÖVP-Mitglied) erklärt gegenüber profil, dass die Durchimpfungsrate bei knapp 60 Prozent liege – und nicht bei 35,8 Prozent, wie die Österreichischen Zahlen zeigen: „Viele Bewohnerinnen und Bewohner sind bereits in Deutschland geimpft worden.“
Wo am meisten geimpft wird
Haimbuchner versucht anhand seiner Aussage zur Parteizugehörigkeit der Bürgermeister nun darzulegen, dass die FPÖ nicht für die niedrige Impfquote in Österreich (um die 60 Prozent sind derzeit zweifach geimpft; zum Vergleich: Europas Spitzenreiter ist derzeit Portugal mit einer Impfquote von über 80 Prozent) verantwortlich gemacht werden könne. Ob der Bürgermeister einer Gemeinde ein valider Ausgangspunkt für diese Argumentation ist? „Das bezweifle ich“, sagt Julia Partheymüller. Die Sozialwissenschaftlerin hat die Impfbereitschaft der Österreichischen Bevölkerung im Rahmen des Austrian Corona-Panel Project an der Universität Wien untersucht. „Mangelnde Impfbereitschaft wird nicht allein auf lokaler Ebene verantwortet, sondern auch die Signale von der Landes- oder Bundesebene spielen eine Rolle“, so die Expertin. Das sei ein breiteres Muster. Ihre Analyse zu Haimbuchners Partei: „Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen FPÖ-Präferenz und geringer Impfbereitschaft in unserer Bevölkerungsumfrage.“ Das Resultat der Untersuchung im Detail: Über 70 Prozent der Personen, die bei der Nationalratswahl 2019 NEOS, ÖVP, SPÖ oder Die Grünen gewählt haben, sind bereits gegen das Coronavirus geimpft. FPÖ- und Nichtwähler haben die niedrigste Impfquote: Lediglich 52 Prozent der FPÖ-Wähler sind vollimmunisiert und nur 50 Prozent der Personen, die nicht gewählt haben, sind zweifach geimpft (siehe Grafik). Abgesehen vom Wahlverhalten zeigt die Untersuchung außerdem, dass jüngere Menschen und Personen mit geringem Einkommen häufig zögerlich bezüglich der Corona-Impfung sind.
Bezüglich des Zusammenhangs zwischen Wahlverhalten und Impfbereitschaft ergibt sich nun das klassische „Henne-Ei-Problem“. Anders formuliert: „Verursacht die FPÖ die geringe Impfbereitschaft oder zieht die Partei die Leute an?“, fragt sich Partheymüller. Die Expertin versucht sich gleich an einer Antwort: „Viele Menschen haben das Vertrauen in die Regierung verloren. Die FPÖ hat die Leute nach dem ersten Lockdown dann wie ein Magnet angezogen.“ Es sei jedoch definitiv so, meint die Sozialwissenschaftlerin, dass die FPÖ „auch Ängste und Zweifel nähre und verstärke“. Fakt ist jedenfalls: FPÖ-Anhängerinnen und -Anhänger stehen der Impfung deutlich skeptischer gegenüber als Sympathisanten aller anderen Parteien. Das zeigt auch eine Umfrage zur aktuellen Wahlabsicht (Stand: Juni 2021). Nur 33 Prozent der blauen Gefolgschaft hatte sich demnach bereits impfen lassen. Zum Vergleich: In der Gruppe, die angab, ÖVP wählen zu wollen, gab es mit 84 Prozent die meisten Geimpften.
Und nicht zuletzt auch bei der Oberösterreich-Wahl hat sich gezeigt, dass die Verunsicherung in puncto Impfung groß ist: Rund 6,2 Prozent der Wählerinnen und Wähler gaben ihre Stimme den Impfskeptikern von MFG. Die impfkritische Liste zieht somit in das Landesparlament ein.
Fazit
Da der FPÖ-Landesparteiobmann nicht anführt, wie viele Gemeinden er seiner Aussage zugrunde legt, kann nicht eindeutig bestimmt werden, ob diese richtig oder falsch ist. Die Botschaft von Haimbuchner, dass es keinen Zusammenhang zwischen FPÖ-Sympathien in einer Gemeinde und deren Durchimpfungsrate gebe, kann jedoch eindeutig widerlegt werden. Statistisch gesehen haben Gemeinden, in denen die FPÖ bei der Nationalratswahl 2019 besonders gut abgeschnitten hat, die niedrigsten Impfquoten. Daher ist Haimbuchners Aussage insgesamt als irreführend zu bewerten.