Faktencheck: So viel geben rote und türkise Kanzler für PR aus
Die Eigen-PR der Regierenden ist viel zu teuer. Dieser Satz wurde so oder so ähnlich schon von jeder Partei einmal ausgesprochen – meist dann, wenn diese Partei selbst gerade nicht an der Macht war. Es gehört zum Einmaleins der Oppositionsarbeit, Kanzler und Minister mit parlamentarischen Anfragen nach Werbeausgaben und Pressesabteilungen einzudecken. Die Antworten bieten Futter für Angriffe.
Aktuell sorgt eine derartige Anfragebeantwortung wieder einmal für Debatten: SPÖ-Abgeordnete Julia Herr hatte bei ÖVP-Kanzler Karl Nehammer erfragt, dass im Bundeskanzleramt über 100 Personen für Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt sind. 450.000 Euro machen die Personalkosten pro Monat aus. „Je schlechter die Vertrauenswerte, umso mehr Personal und Geld wird im Kanzleramt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit aufgewendet“, kritisiert Herr. Die Replik von ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger: „Die SPÖ attackiert in Wahrheit die Ex-Kanzler Christian Kern und Werner Faymann. Es ist erstaunlich und verblüffend, dass der Sozialdemokratie ihr eigenes PR-Budget nun sauer aufstößt.“ Bereits unter den beiden roten Kanzlern hätten 100 Kommunikatoren im Kanzleramt gearbeitet, sagt Egger.
faktiv, der Faktencheck von profil, hat die Kosten für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit analysiert – darunter fallen neben Personalkosten auch Werbeschaltungen, also Inserate. Die Daten verraten, unter welcher Regierung es tatsächlich zur Kostensteigerung kam.
Kostenpunkt Inserate
Wir sehen aber, dass nicht nur im Bundeskanzleramt (…) die Ausgaben vor allem für Inserate oder für PR eben steigen. (…) Wir sehen, dass frühere – auch SPÖ-geführte – Regierungen deutlich sparsamer umgegangen sind.
Größtenteils richtig
Vorneweg: Selbstverständlich haben Regierungen Kommunikationsbedarf. Inserate zur Briefwahl, zum Klimaticket oder zur Impfkampagne können durchaus sinnvoll sein. In der Vergangenheit standen Kanzler aber im Verdacht, Boulevardmedien mit auffällig vielen Anzeigen zu füttern, um sich gewogene Berichterstattung zu erkaufen. Erhärtet wird die These dadurch, dass es für Werbemaßnahmen der Regierung meist keine überprüfbaren Kriterien gibt – welche Zielgruppen erreicht werden sollen und welche Effekte damit intendiert werden, bleibt oft geheim.
Werner Faymann (SPÖ) galt als „Inseraten-Kanzler“, weil er reichweitenstarke Blätter bevorzugt mit Anzeigen bedachte. Ein Blick auf die Zahlen zeigt allerdings, dass er in Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) seinen Meister fand. Kurz steigerte den monatlichen Anzeigenetat im Vergleich zu Faymann bereits in seiner ersten Amtszeit um 19 Prozent. Das war vor Corona.
Seit Pandemiebeginn läuft über das Kanzleramt die Impf-Kampagne, auch deshalb stiegen die Inseratenausgaben in der zweiten Amtszeit von Kurz auf ein Allzeithoch. Unter Nehammer gingen die Anzeigenbuchungen wieder zurück, sind aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie vor der Pandemie.
Die SPÖ-Kritik, wonach ÖVP-Kanzler mehr Geld für Öffentlichkeitsarbeit aufwenden, ist in Hinblick auf die Inseratenetats größtenteils richtig (siehe Grafik). Allerdings können Kurz, Schallenberg und Nehammer mit einem erhöhten Kommunikationsbedarf während Corona argumentieren. 90 Prozent der Anzeigen aus dem Kanzleramt informierten im Jahr 2022 zum Thema Pandemie und Impfung.
Unstrittig ist, dass es billiger geht. Das hat Brigitte Bierlein, die Kanzlerin der Übergangsregierung, bewiesen. In ihrer Amtszeit sank das Werbevolumen auf einen Bruchteil der roten und türkisen Kanzler – mehrere Schaltungen, die in ihre Zeit fielen, wurden noch von ihrem Vorgänger Kurz gebucht.
Der Personalstand
Frau Abgeordnete @frauherr! Haben Sie diese Frage dem letzten SPÖ-Kanzler auch gestellt? In seiner Zeit war der Personalstand in diesem Bereich ähnlich.
Fakt
In der aktuellen Diskussion könnte der Eindruck entstehen, Karl Nehammer würde eine Hundertschaft an Pressesprechern beschäftigen, die sich um persönliche Kommunikationsagenden des Kanzlers kümmern. Tatsächlich hat der Kanzler bloß drei persönliche Pressesprecher, eine davon ist für internationale Angelegenheiten zuständig – ein üblicher Wert im Vergleich mit anderen Ministerien.
Die restlichen 97 Personen - umgerechnet auf Vollzeitkräfte sind das 84,5 -, die Öffentlichkeitsarbeit für das Kanzleramt machen, sind im Bundespressedienst beschäftigt. Die Stelle ist Teil der Verwaltung und damit nicht direkt mit dem Kanzlerkabinett verbandelt. Der Regierungschef profitiert trotzdem von der Stärke dieses Dienstes.
Denn die PR-Truppe organisiert Pressekonferenzen, rückt den Kanzler mit Fotos ins rechte Licht, fasst Berichte von Zeitungen und Fernsehsendern für Entscheidungsträger zusammen und beantwortet Anfragen von Bürgern an die Regierung: „Während der Corona-Pandemie kamen zum Beispiel auch alle Fragen von ‚Schwurblern’ zu uns“, erzählt ein Mitarbeiter.
Im Jahr 2007 zählte der Dienst 54,5 Vollzeitkräfte und ist seitdem immer weitergewachsen, wie aus einer Auswertung für faktiv hervorgeht. Heute arbeiten im Pressedienst des Kanzleramts 30 Vollzeitkräfte mehr als vor 15 Jahren, eine Steigerung um 55 Prozent. Argumentiert wird das mit neuen Anforderungen wie der Betreuung der Social-Media-Kanäle und der Website.
Wer aber ist für den starken Personalanstieg verantwortlich? Zum größten Zuwachs kam es in den Jahren 2016 und 2017: plus 33 Mitarbeiter. Damals regierten Faymann und dann Kern. Unter Kern war der Personalstand im Bundespressedienst beinahe gleich hoch wie heute: 2017 lag er bei 83,4 Vollzeitkräften. Zum Vergleich: In Nehammers Kanzleramt sind es aktuell 84,5. Den Höchststand an Mitarbeitern erreichte der Dienst unter Sebastian Kurz.
Dennoch liegt Nehammers Pressesprecher Daniel Kosak richtig, wenn er schreibt, dass bereits unter Kern ähnlich viel Presse-Personal im Kanzleramt werkte wie unter dem aktuellen Kanzler. In diesem Punkt läuft die SPÖ-Kritik ins Leere. Ein substanzieller Anstieg der Mitarbeiter im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit ist in den letzten fünf Jahren nicht erfolgt.
Fest steht: Die Opposition wird weiter gegen die teure Eigen-PR von Kanzler und Ministern wettern – und sich im Falle eines Wechsels in die Regierung an ihren eigenen Ansprüchen messen lassen müssen.