Faktencheck

Faktencheck: Spart die Wiener Stadtregierung bei der Pride?

Die Wiener Regenbogenparade soll im Juni erneut ohne Pride Village stattfinden. Der Grund: zu wenig Fördergelder, sagen die Veranstalter:innen und die Wiener Grünen. Neos-Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr widerspricht - dieses Jahr gäbe es sogar mehr Geld. Wer hat recht?

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Stadtrat Wiederkehr hat bei der Vienna Pride den Sparstift angesetzt.

Peter Kraus

Parteivorsitzender Grüne Wien, Aussendung

Größtenteils richtig

Zwischen Regenbogenfahnen, lauter Musik und Glitzer marschiert der Wiener Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr im Sommer des letzten Jahres gegen den Uhrzeigersinn über den Ring. Wie viele andere Politikerinnen und Politiker will er Unterstützung für die LGBTIQ-Community signalisieren, denn seit 1996 ziehen jedes Jahr im Juni hunderttausende Menschen durch Wien, um für die Rechte und die Gleichstellung lesbischer, schwuler, bisexueller, transgender, intergeschlechtlicher und queerer Menschen Stellung zu beziehen; 250.000 Menschen waren im vergangenen Jahr bei der Vienna Pride dabei.

Die Regenbogenparade ist grundsätzlich ein politisch dankbarer Anlass für die Pinken, dieses Jahr regt sich jedoch Unmut. Denn: Zwischen LGBTIQ-Organisationen, Grünen und Neos spielt sich eine durchaus heftige Diskussion ab.

“Vienna Pride wird auch 2023 ohne das Pride Village auskommen müssen. Die Förderung der Stadt Wien wird erheblich niedriger sein als noch vor Corona”, heißt es vom Veranstalter Homosexuelle Initiative Wien (HOSI) auf Instagram. In den Kommentaren darunter echauffiert sich der Wiener Landtagsabgeordnete Ömer Öztas (Grüne): “Die NEOS fallen wieder mal um! Laut LGBTIQ schreien, aber nichts umsetzen.” Auch Peter Kraus, Chef der Wiener Grünen, kritisiert den “Sparstift”, den die Neos bei der diesjährigen Vienna Pride angesetzt hätten: “Das ist aus meiner Sicht überhaupt nicht nachvollziehbar.”

Im Pride Village, einer Zeltstadt am Rathausplatz, informieren vor der Regenbogenparade dutzende LGBTIQ-Organisationen über aktuelle Themen der Community. Neben Infomaterial, Workshops und Sitzgelegenheiten gibt es Essen und Getränke sowie ein Musikprogramm. In den letzten Jahren ist das 2011 ins Leben gerufene Dorf allerdings aufgrund der Pandemie abgesagt worden. Dieses Jahr sind zu niedrige Förderungen der Grund für die Absage, sagt die HOSI Wien. Der angesprochene Neos-Stadtrat Wiederkehr kann Argumentation und Vorgehensweise der Veranstalter nicht nachvollziehen. Die Förderung der Stadt sei sogar von 150.000 Euro um 15 Prozent auf 175.000 Euro angehoben worden, heißt es in einer Aussendung der Wiener Neos. Wer hat recht?

Beide Vergleiche hinken

Auf Anfrage präzisieren die Neos ihren Vergleich: Die 15-prozentige Erhöhung bezieht sich demnach auf die “erstmalig unter der Regierungsbeteiligung von NEOS Wien geschaffene jährliche Förderung für das Pride Village von 150.000 Euro”, die 2021 und 2022 ausbezahlt wurde. In beiden Jahren fand jedoch kein Pride Village statt, weswegen der Vergleich hinkt; für sich genommen ist die 15-prozentige Erhöhung jedoch zutreffend.

Die HOSI Wien führt wiederum ins Treffen, dass die Förderung im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie erheblich niedriger sei. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: In den Jahren 2018 und 2019 wurden tatsächlich signifikant höhere Förderungen ausbezahlt, für beide Jahre waren es insgesamt 900.000 Euro. Aufgrund der Europride war die Förderung in diesen beiden Jahren so großzügig budgetiert. Bei der Europride handelt es sich um eine paneuropäische Großveranstaltung der LGBTIQ-Bewegung, die jeden Sommer in einem anderen europäischen Land organisiert wird; vor vier Jahren wurde sie mit rund einer halben Million Besucherinnen und Besuchern in Wien abgehalten. Der Vergleich der HOSI hinkt also ebenfalls, eine Anfrage dazu ließen die Veranstalterinnen und Veranstalter jedoch unbeantwortet. 

Anträge geben Einblick

profil liegt auch ein Antrag für das Jahr 2020 vor, in dem eine Summe von 250.000 Euro von der Magistratsabteilung für Bildung und Jugend genehmigt wird. Aufgrund der Pandemie wurde die gesamte Vienna Pride jedoch abgesagt - und keine Förderung ausgeschüttet.

2021 stellte die HOSI an die mittlerweile rot-pinke Stadtregierung einen erneuten Antrag in der Höhe von 250.000 Euro, laut Neos “waren nach Prüfung knappe 212.000 Euro budgetiert - 150.000 Euro für das Pride Village und ein Zuschuss von 62.000 Euro für die angefallenen Personalkosten der entfallenden Pride im Vorjahr.” Aufgrund von Covid-19 wurde das Pride Village abgesagt, es fand ein zum Teil digitales Ersatzprogramm statt, die Auszahlung erfolgte dennoch.

Im vergangenen Jahr wurde das Pride Village seitens HOSI Wien abermals abgesagt, wiederum Covid-19-bedingt. Aus “Kulanzgründen” - wie es von den Neos heißt - und dem klaren Ziel, ab 2023 wieder ein Pride Village in vollem Umfang zur Verfügung stellen zu können, wurden seitens der Stadt Wien dennoch 150.000 Euro ausbezahlt.

Fazit

In der Debatte um das Pride Village werden bisweilen Äpfel mit Birnen verglichen - beide Seiten ziehen verschiedene Vergleichswerte heran, um ihre jeweilige Sicht zu stärken. Fest steht: Sowohl die Aussage der Neos über die 15-prozentige Erhöhung, als auch jene der HOSI, dass die Förderung im Vergleich zu den Vor-Corona-Jahren erheblich niedriger sein wird, ist zutreffend. Allerdings bezieht sich die HOSI auf die Jahre der Europride, die deutlich mehr Besucherinnen und Besucher anlockte. Die Neos wiederum verweisen auf jene Jahre, in denen das Pride Village coronabedingt gar nicht stattfand. 

Die Aussage von Peter Kraus hingegen ist als größtenteils richtig einzustufen, denn: Im Vergleich mit den 250.000 Euro, die unter Rot-Grün im Jahr 2020 als förderwürdig erachtet wurden, kam es tatsächlich zu einer Reduktion, wiewohl die Erhöhung von 15 Prozent im Vergleich zu 2021 und 2022 tatsächlich erfolgt ist.

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

war bis Oktober 2024 stv. Online-Ressortleitung und Teil des faktiv-Teams.

Katharina Zwins

Katharina Zwins

war Redakteurin bei profil und Mitbegründerin des Faktenchecks faktiv.