Faktencheck: Warum Gutverdiener von der Pendlerpauschale profitieren
Die Pendlerpauschale begünstigt derzeit reiche besserverdienende Menschen.
Größtenteils richtig
Im Rahmen der Klimakonferenz in Dubai kündigte Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) eine Reform der Pendlerpauschale an. Kritik kam prompt durch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die eine Abschaffung der Pendlerförderung befürchtete. „Viele Landsleute, die gerade aus entlegenen Gebieten zu ihrem Arbeitsort pendeln, haben bereits genügend Lasten zu schultern”, so Mikl-Leitner.
Im Ö1 Mittagsjournal verteidigte Gewessler ihren Plan, denn die Pendlerpauschale würde in ihrer jetzigen Form Gutverdiener begünstigen. Aber stimmt das? profil hat nachgerechnet.
Kein Direktzuschuss
Nach den Lohnsteuerdaten der Statistik Austria bezogen 2022 knapp 700.000 Menschen eine Pendlerpauschale.
Anspruchsberechtigt sind alle, deren Arbeitsweg länger als 20 Kilometer ist. Falls der Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmittel erreichbar ist, besteht nur Anspruch auf die kleine Pendlerpauschale. Ob tatsächlich die Bahn genommen wird, tut nichts zur Sache. Falls der Arbeitsweg mit öffentlichen Verkehrsmittel nicht zumutbar ist, kann eine große Pendlerpauschale geltend gemacht werden.
Die Pauschale landet nicht direkt auf dem Bankkonto, sondern stellt einen Freibetrag dar. Das heißt: Sie senkt die Bemessungsgrundlage anhand derer die Lohnsteuer berechnet wird.
Zwar sind die Freibeträge fixe Summen, die für alle - unabhängig vom Einkommen - gleich hoch sind. Doch wirken sie sich in progressiven Steuerklassen auch progressiv auf den Steuervorteil aus. Das heißt im Falle der Pendlerpauschale: Befindet man sich in einer höheren Steuerklasse, so wird der effektive Vorteil der Pendlerpauschale größer.
Wie groß der Steuervorteil ist, hat profil anhand eines Beispiels vorgerechnet:
Von Fuchsenbigl (Bezirk Gänserndorf, NÖ) bis Petronell-Carnuntum (Bezirk Bruck an der Leitha, NÖ) beträgt der Arbeitsweg 30 km, öffentliche Verkehrsmittel sind für die Strecke nicht zumutbar. Mit einem Bruttogehalt von 1800 Euro im Monat erhält der Arbeitnehmer einen effektiven Steuervorteil von 295 Euro jährlich. Bei einem Bruttogehalt von 9000 Euro im Monat wären es 738 Euro jährlich.
In der untersten Steuerklasse (bis zu einem Jahreseinkommen von 11.693 Euro) ergibt sich übrigens kein Vorteil, da ohnehin keine Lohnsteuer anfällt. In dieser Steuerklasse können jährlich dennoch bis zu 100 Euro extra als Pendlerpauschale über die Negativsteuer bezogen werden.
„Wer im höheren Tarif zahlt, bekommt mehr Vergünstigungen”, sagt Gottfried Schellmann im profil-Gespräch. Für den Steuerexperten lege das Problem nicht an den Freibeträgen per se. Vielmehr sind die engen Korridore der Steuerklassen das eigentliche Problem. Ab einem Jahreseinkommen von 34.000 Euro den Arbeitnehmer mit 41 Prozent zu besteuern, sei nach Ansicht von Schellmann „ziemlich scharf”. Möchte man die steuerliche Regression vermeiden, wären Zuschüsse wie in Form des Klimabonus sozial gerechter.
Kritik an falschen Anreizen
Die Hauptkritikpunkte an der aktuellen Pendlerpauschale sind: Zu wenig sozial, kaum ökologisch. Die Arbeiterkammer präferiert ein Modell, dass Bezieher denselben Betrag bekommen - abhängig vom Arbeitsweg, aber nicht vom Gehalt.
Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt kritisiert wiederum, dass die Pauschale vor allem eine Autofahrersubvention sei. Aus seiner umweltökonomischen Sicht setze die Pendlerpauschale die falschen Anreize. Dadurch werde es attraktiver, in dünn besiedelte Regionen zu ziehen. Die Folge: Zersiedelung. „Je mehr zersiedelt ein Raum ist, desto schwieriger wird es, Mobilität in der Region zu organisieren. Die Betroffenen sind stark vom Auto abhängig. Dadurch vermehrt sich der motorisierte Individualverkehr, was wiederum die Zersiedelung fördert. Ein Teufelskreis”, so Lichtblau.
Fazit
Fest steht: Die Pendlerpauschale gewährt Steuerzahlern in höheren Steuerklassen einen größeren Steuervorteil. In ihrer bisherigen Form profitieren zwar alle Pendler, doch begünstigt die große Pendlerpauschale vor allem höhere Einkommen mit einem Auto mehr als Öffifahrer. Die Aussage von Ministerin Leonore Gewessler ist daher größtenteils richtig.