Wie man unseriöse Quellen erkennt

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Gleich in der ersten Ausgabe des faktiv-Newsletters ein Geständnis: Als mein Team und ich vor sieben Monaten den Faktencheck gestartet haben, war eines unserer größten Bedenken, ob wir denn genügend irreführende, unbelegte und falsche Behauptungen finden würden, die einer Richtigstellung bedürfen. Wir waren so naiv! Längst wissen wir, dass diese Sorge völlig unbegründet war. Knapp 60 Falschbehauptungen konnten wir inzwischen berichtigen – aufgestellt wurden sie etwa vom Ex-Bundeskanzler, von Landeshauptleuten oder von dubiosen Online-Blogs. Die Themen gehen uns wahrlich nicht aus.

Ab jetzt möchten wir Sie immer montags über unseren neuesten Faktenchecks informieren, die Sie am Ende dieses Newsletters finden. Wir möchten diesen Kanal aber auch nützen, um Ihnen ein bisschen zu erzählen, wie die Faktenchecker aus der profil-Redaktion arbeiten – gerne werden wir auch Fragen aufgreifen, die uns über [email protected] erreichen.

Als Leiter des profil-Faktenchecks verschlägt es mich glücklicherweise nicht nur an düstere Orte wie verschwörungstheoretische Telegram-Kanäle, sondern vor einigen Wochen auch in den Turnsaal einer Schule. Ich hatte gerade einen Vortrag zum Thema Fake News an einem Gymnasium in Niederösterreich gehalten, da stellte mir eine Lehrerin eine interessante Frage, über die ich bis heute nachdenke: "Wie kann ich meinen Schülerinnen und Schülern erklären, wie sie unglaubwürdige Medien von glaubwürdigen unterscheiden?"

Die Frage mag banal klingen, sie ist in Zeiten von digitalen Parteimedien, Propaganda-Blogs, verschwörungstheoretischen YouTube-Kanälen und Co allerdings ziemlich relevant. Wer – wie wohl viele Schülerinnen und Schüler – für sich noch keine Leitmedien identifiziert hat, für den muss dieses digitale Überangebot an Information und Desinformation ziemlich überfordernd wirken. Zumal Fake-News-Schleudern und faktenbasierte Medien optisch kaum auseinanderzuhalten sind. Insofern war ich angetan vom Engagement und vom ehrlichen Interesse der Professorin. Ihre Frage löste aber auch einiges an Unbehagen in mir aus. Wenn Lehrkräfte Schwierigkeiten haben, im Unterricht den Unterschied zwischen vertrauenswürdigen und unseriösen Quellen zu vermitteln – wie muss sich das auf die Medienkompetenz der Generationen auswirken, die mit dem Internet aufwachsen und die dort täglich ungefiltert auf Falschnachrichten stoßen?

Es gibt keine einfachen Antworten. Ich möchte trotzdem versuchen, ein paar Tipps zu geben, wie sich unseriöse Quellen identifizieren lassen.

1.       Die eigene Schwäche kennen
Jede und jeder von uns kann auf Falschnachrichten hereinfallen. Wer sich der eigenen Täuschbarkeit bewusst ist, kann die Gefahr der Täuschung deutlich minimieren. Gerade bei Botschaften, die unser Weltbild stützen, neigen wir dazu, sie unhinterfragt zu glauben. Immer dann, wenn uns eine Nachricht wütend macht oder zu Tränen rührt, ist eine gewisse Vorsicht sinnvoll. Denn Emotionen können auch blind gegenüber Fake News machen. Bevor man die Meldung weiterverbreitet, sollte man sich also fragen: Gibt es ausreichend Belege für die Behauptung? Und: Ist die Quelle, von der die Nachricht stammt, glaubwürdig? (Siehe dazu Punkt 2 bis 4)

2.       Quellen-Check
In den vergangenen Jahren sind viele Onlinemedien entstanden, manche davon erzielen ihre Reichweite – und damit auch ihre Werbeerlöse – durch wildeste Verschwörungsmythen. Natürlich ohne jeden Beleg. Ein Klick auf das Impressum (wer steckt hinter dem Medium?) und ein Blick auf das Redaktionsteam (wer schreibt hier?) können hilfreich sein, um die Glaubwürdigkeit und die politische Ausrichtung einer Website besser einschätzen zu können. Ein Beispiel: Um Herauszufinden, wer hinter dem rechtslastigen Onlinemedium "unzensuriert" steckt, reicht eine dreiminütige Google-Recherche. Laut Impressum gibt die 1848 Medienvielfalt Verlags GmbH das Medium heraus. Wer nun nach dieser Firma googelt, findet heraus, dass der Geschäftsführer Walter Asperl heißt. Und der ist hauptberuflich Mitarbeiter im FPÖ-Parlamentsklub. So ähnlich funktioniert das mit vielen Medien, die einer Partei oder einer Lobbygruppe nahestehen.

3.       Genauer lesen
Die meisten falschen, unbelegten und irreführenden Nachrichten werden mit reißerischen Headlines versehen. Das klingt dann so wie diese Schlagzeile von "Report24", einem Medium aus Oberösterreich, das immer wieder mit unbelegten Behauptungen auffällt: "Gemeindearzt aus Oberösterreich nach dritter Impfung ‚unerwartet‘ verstorben".

Im Titel – und im restlichen Artikel – wurde ein Zusammenhang zwischen dem Todesfall und der Impfung angedeutet. "Report24" konnte dafür keinerlei Beweise vorlegen, im Artikel kommt lediglich ein anonymer Patient des verstorbenen Arztes zu Wort. Selbst wenn es diesen Patienten wirklich geben sollte: Woher soll er wissen, woran sein Arzt verstorben ist?

Die Faktencheck-Redaktion von profil hat den Artikel hier überprüft und festgestellt, dass die Andeutungen darin völlig unbelegt sind. Wenige Tage später nahm "Report24" den Text offline. 

4.       Googeln
Ja, ernsthaft: Manchmal kann es hilfreich sein, zu überprüfen, ob auch andere Medien über einen gewissen Vorfall berichten. Wenn die Information bloß von einem Online-Blog ohne Autorennamen und Impressum verbreitet wird, besteht akuter Fake-News-Alarm.

Lassen Sie sich nicht aufs Glatteis führen, folgen Sie den Fakten. Wenn Ihnen dieser Newsletter gefallen hat, empfehlen Sie ihn gerne weiter.

Jakob Winter

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.