Finanzausgleich: Das Märchen von der „benachteiligten“ Steiermark

Die blau-schwarze Landesregierung der Steiermark ist mit einem Budgetloch konfrontiert. Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen fordert die Finanzlandesrätin, den Finanzausgleich neu zu verhandeln. Denn die Steiermark werde seit Jahrzehnten benachteiligt. Das ist größtenteils falsch.

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Wir müssen bei den Finanzausgleichsverhandlungen einen neuen Anlauf nehmen. Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, über Jahrzehnte fortgeschrieben, dass die Steiermark hier benachteiligt ist.

Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP), Wirtschaftslandesrätin

Kleine Zeitung, 20.1.2025

Größtenteils falsch

Trotz eines milliardenschweren Budgetlochs in Windeseile zur Regierungsübereinkunft? FPÖ und ÖVP haben es in der Steiermark vorgemacht. Von der Landtagswahl am 24. November 2024 vergingen nur zwei Wochen bis zur Präsentation des Regierungsprogramms. Das war auch deshalb möglich, weil es sich Blau und Schwarz in der Steiermark einfacher gemacht haben als die Koalitionsverhandler auf Bundesebene. Denn sie haben die Diskussion, wie sie die 6,4 Milliarden Euro Schulden der Steiermark abbauen wollen, ausgespart. 

Dass gespart werden muss, darüber sind sich Freiheitliche und Volkspartei zwar einig, doch auch mehr als zwei Monate nach der Angelobung der Regierung gibt es noch keine Details dazu, welche Bereiche von Kürzungen betroffen sein könnten. In Interviews äußerte ÖVP-Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl vielmehr eine einnahmenseitige Idee zur Sanierung des Budgets: „Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, über Jahrzehnte fortgeschrieben, dass die Steiermark hier (beim Finanzausgleich, Anm.) benachteiligt ist“, sagte sie in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“. Sie wolle sich dafür auch Verbündete in anderen Ländern suchen.

Der Finanzausgleich regelt, wie die Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilt werden. Wird die Steiermark dabei benachteiligt?

Der milliardenschwere Verteilungsmechanismus des Finanzausgleichs ist komplex. Bund, Länder und Gemeinden verhandeln in der Regel alle fünf bis sechs Jahre, wer wie viel vom Steuerkuchen bekommt. Die jüngste Einigung gilt für die Jahre 2024 bis 2028. Dabei wurde auch definiert, wofür es Zusatzgelder gibt – im aktuellen Finanzausgleich etwa für den Ausbau der Kinderbetreuung. 

Karoline Mitterer vom Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) hat berechnet, wie viel die Bundesländer pro Einwohner bekommen. Die aktuellsten verfügbaren Zahlen stammen aus dem Jahr 2022. Bei diesen sogenannten Landesertragsanteilen gibt es keine großen Unterschiede zwischen den neun Ländern. Die Steiermark liegt im Mittelfeld, nur knapp unter dem österreichweiten Durchschnitt. Der Leiter des Büros des Fiskalrates, Bernhard Grossmann, kommt mit Blick auf die Zahlen zum Schluss: „Wenn ich mir den Steuerkuchen und die Verteilung des Finanzausgleichssystems anschaue, sehe ich das Argument nicht, warum die Steiermark da schlechter aussteigen sollte.“

„Es liegt in der Natur eines Gesamtkompromisses, dass kein Verhandlungspartner alle Forderungen durchsetzen kann. Da der Finanzausgleich aber auf einer Vereinbarung der Finanzausgleichspartner beruht, ist davon auszugehen, dass kein Verhandlungspartner benachteiligt wird“, kann auch das ÖVP-geführte Finanzministerium die Argumente der Parteifreundin aus der Steiermark nicht wirklich nachvollziehen.

Wieso also fühlt sich die Steiermark benachteiligt?

Der Grund dafür sind die Gemeindeertragsanteile, also jene Mittel, die an die Kommunen fließen. Steirische Gemeinden bekommen um zwölf Prozent weniger als der bundesweite Durchschnitt. Woran liegt das?

Je mehr Einwohner eine Gemeinde zählt, desto mehr Geld fließt. Und zwar nicht nur absolut, sondern auch pro Kopf. Geregelt wird das über den sogenannten abgestuften Bevölkerungsschlüssel, der vier Kategorien von Gemeinden kennt: Kommunen mit weniger als 10.000 Einwohnern, jene mit 10.000 bis 20.000, jene bis 50.000 und schließlich die mit über 50.000.

Die Steiermark besteht – wie auch das Burgenland und Niederösterreich – aus vielen kleinen und mittelgroßen Gemeinden, das Bundesland wird zudem laut Prognose zur Bevölkerungsentwicklung der Statistik Austria stagnieren, während etwa Wien sehr stark wächst – und dementsprechend auch die Infrastruktur dafür bereitstellen muss.

„Eine Stadt hat natürlich zentralörtliche Aufgaben zu erfüllen: etwa Kultur- oder Freizeiteinrichtungen bereitzustellen sowie ein umfangreiches Angebot an öffentlichem Verkehr und dergleichen, die vom Umland mitgenützt werden können. Um diese Infrastruktur bereitzustellen, bekommen Städte in der Regel mehr Geld als kleine Gemeinden“, erklärt Bernhard Grossmann vom Fiskalrat.

Mehr Geld für alle 

Auf Anfrage relativierte das Büro von Finanzlandesrätin Eibinger-Miedl die Behauptung aus dem Interview: Die angebliche Benachteiligung der Steiermark betreffe nicht nur unser Bundesland, sondern alle österreichischen Bundesländer und die österreichischen Gemeinden als Gesamtes.

Im Zusammenhang mit den Gemeinden bleibt die Landesrätin aber dabei, dass es sich um eine Benachteiligung handle. Allerdings gesteht sie ein: Ein höherer Anteil aus den Ertragsanteilen für die Kommunen würde die Finanzkraft der steirischen Gemeinden verbessern“, aber – Schlüsselsatz – „hätte keine unmittelbaren Folgen auf das Landesbudget. Dennoch sei es für die steirische Landesregierung ein wichtiges Ziel, dass die finanzielle Lage der steirischen Gemeinden verbessert und deren bestehende Benachteiligung beendet wird.

Soll heißen: Der Bund solle weniger aus dem Finanzausgleich herausbekommen als bisher. Finanzlandesrätin Eibinger-Miedl nennt in ihrer Antwort an profil auch konkrete Zahlen, Länder und Gemeinden sollten statt bisher rund 20 Prozent beziehungsweise 12 Prozent künftig rund 25 und 14,5 Prozent bekommen.

Denn vor allem im Gesundheits- und Pflegebereich würden steirische Gemeinden mehr leisten, als sie im Zuge des Finanzausgleichs bekommen. Diese Schieflage zu beenden, würde Gemeinden in der Steiermark weniger abhängig von Förderungen und Zuwendungen des Bundes und des Landes machen, so die Argumentation von Eibinger-Miedl.

Auch der RH kritisierte in einem Prüfbericht des Jahres 2016, dass der historisch gewachsene Verteilungsschlüssel nicht mehr aktuell sei. Und: Es fehle die Treffsicherheit, da sich die Schlüssel nicht an den tatsächlichen Aufgaben ausrichten. Ein Beispiel: befindet sich eine einwohnerstarke Gemeinde nahe einer Großstadt, hat die Gemeinde weniger Aufgaben zu schultern, als ohne Großstadt in unmittelbarer Nähe. Der Finanzausgleich nimmt darauf keine Rücksicht.

„Es gibt manchmal diese Tendenz, wenn ich meine eigenen Ausgaben auf Landesebene nicht mehr gut abdecken kann, dann hole ich mir als Land mehr von den Gemeinden.“

Bernhard Grossmann, Fiskalrat

Doch selbst durch eine Erhöhung der Ertragsanteile für steirische Kommunen würde sich – wie auch die Landesrätin einräumt – unmittelbar gar nichts an der prekären Situation des Landesbudgets ändern. Dazu müsste sich das Land an den Gemeindegeldern bedienen: „Wo die Länder schon mitschneiden: Wenn sie selbst Umlagen definieren und sagen, da hole ich mir von den Gemeinden etwas zurück, weil sie eben meine Aufgaben mitfinanzieren müssen, zum Beispiel Krankenhäuser. Und jetzt gibt es manchmal diese Tendenz, wenn ich meine eigenen Ausgaben auf Landesebene nicht mehr gut abdecken kann, dann hole ich mir als Land mehr von den Gemeinden“, sagt Grossmann.

Im Ergebnis bedeutet das: Selbst wenn die Gemeindeertragsanteile für steirische Kommunen erhöht werden würden, müsste die Landesregierung die Gemeinden stärker zur Kasse bitten, um einen überschaubaren Effekt fürs Landesbudget zu erzielen. Davon will die Wirtschaftslandesrätin aber absehen, wenn sie eine Benachteiligung der Steiermark behauptet.

Der Experte vom Fiskalrat präferiert ohnehin einen anderen Weg, um das Landesbudget in den Griff zu bekommen: und zwar die Ausgabenseite. Wo der Rotstift angesetzt wird, soll ab Mai erarbeitet werden.

Fazit

Dass die Steiermark im Finanzausgleich jahrzehntelang benachteiligt wurde, ist größtenteils falsch, insbesondere im Zusammenhang mit dem Landesbudget. Denn bei der Verteilung der Landesertragsanteile liegt die Steiermark im Bundesländer-Mittelfeld. Ungleichheiten gibt es aber bei den Geldern, die an die Gemeinden fließen. Doch selbst eine Erhöhung dieser Gelder für steirische Gemeinden hätte keinen direkten Effekt auf das steirische Landesbudget. Die Ungleichbehandlung von Kommunen folgt zum Teil einer Logik (größere Gemeinden haben mehr Aufgaben), zum Teil wurde die Mittelverteilung vom Rechnungshof aber auch als wenig treffsicher kritisiert. Dass steirische Kommunen in Summe schlechter aussteigen, liegt an der Struktur des Landes: Viele kleine, einwohnerarme Gemeinden und ein stagnierendes Bevölkerungswachstum – während die Gemeinden der westlichen Bundesländer aufgrund des Verteilmechanismus verhältnismäßig stärker profitieren.

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.