Faktencheck

FPÖ-Fake: Sieben Jahre altes Video soll neues „Asyl-Chaos“ belegen

Die FPÖ publizierte ein Video, „das niemand zu Gesicht bekommen soll“. Angeblich zeigt es „die Neuankömmlinge für den Klima-Bonus“ im „Burgenland im Jahr 2022“. Tatsächlich wurde das Video im September 2015 aufgenommen.

Drucken

Schriftgröße

Burgenland im Jahr 2022: Asyl-Chaos in Österreich. Unsere Grenzen werden regelrecht überrannt.

FPÖ-TV

Youtube, 13. September 2022

Falsch

An Burgenlands Grenzen herrscht schon wieder der Ausnahmezustand. Diesen Eindruck könnte gewinnen, wer sich ein Video ansieht, das derzeit auf WhatsApp kursiert und – in einer leicht veränderten Version – auf Youtube bereits 15.000 Mal angeklickt wurde.

Das Bildmaterial wurde von einem Auto aus gefilmt, er zeigt Dutzende Flüchtlinge, die entlang einer burgenländischen Landstraße unweit des Grenzübergangs Nickelsdorf unterwegs sind. Derartige Bilder kennt man aus dem Jahr 2015, als die Behörden mit der Zahl an Flüchtlingen überfordert waren, die ankommenden Menschen nicht mehr erfassen und in Erstaufnahmezentren bringen konnten.

FPÖ TV hat das Video am gestrigen Dienstag auf die Videoplattform Youtube hochgeladen, laut den Freiheitlichen zeigen die Bilder die Situation im „Burgenland im Jahr 2022“. Unter dem Video erklärt FPÖ TV, was hier angeblich zu sehen ist: „Neuankömmlinge für den Klima-Bonus“. Und weiter: „Was will man uns hier eigentlich verschweigen? Es ist der pure Wahnsinn! Während die SPÖ keine ‚Flüchtlingskrise‘ sieht und die ÖVP in Sachen Asyl- und Migration reine Showpolitik betreibt, werden unsere Grenzen regelrecht überrannt.“

Die FPÖ wittert eine Verschwörung: „Solche Bilder bekommt man in den Mainstream-Medien allerdings nicht zu sehen.“

Auch auf WhatsApp macht seit Montag dieser Woche dasselbe Video in leicht adaptierter Form die Runde – eine unbekannte Stimme aus dem Off sagt zu den Mitschnitten: „Das siehst du nicht im ORF. Auch die Polizei verhindert solche Aufnahmen. Wir werden nur verarscht – aber so richtig.“

faktiv, der Faktencheck von profil, überprüfte das Video von FPÖ TV und aus WhatsApp-Nachrichten. Und fand einen guten Grund, warum seriöse Medien diese Aufnahmen nicht zeigen: Das Video ist sieben Jahre alt. Die Quelle für den Mitschnitt fand faktiv auf Facebook: Am 11. September 2015 postete Facebook-User Christian W. das exakt selbe Video, das nun von FPÖ TV als vermeintlich aktuell verbreitet wird (siehe Screenshots).

Auch die Landespolizeidirektion Burgenland erklärt auf faktiv-Anfrage, warum das Video nicht aus dem Jahr 2022 stammen kann: „Die Aufnahmen spiegeln in keinster Weise die heutige Situation wider.“ Die aktuelle Lage sei geregelt, täglich verzeichne man etwa 400 neu ankommende Flüchtlinge im ganzen Burgenland – und damit einen Bruchteil von 2015, als täglich mehrere Tausend Menschen nach Österreich kamen.

Heute hätten die Behörden die Situation im Griff. Geflüchtete würden nach dem Aufgriff durch die Polizei mit Autos oder Bussen in sogenannte Aufnahmedienststellen gebracht, wo sie ihren Asylantrag stellen könnten. Von „Asyl-Chaos“ keine Rede.

Fazit

Die Behauptung, das von der FPÖ veröffentlichte Video zeige ein aktuelles „Asyl-Chaos“, ist eindeutig falsch und ein klares Beispiel für „Fake News“.

Gegen Mittwochmittag hat die FPÖ das Video übrigens von Youtube gelöscht. Doch längst wurde der Clip von anderen Usern kopiert und von dubiosen Blogs wie gloria.tv übernommen. Der Schaden ist also angerichtet. Eine Richtigstellung der Freiheitlichen gab es bisher nicht.

Update: Nach dem profil-Bericht meldete sich FPÖ-Chef Herbert Kickl in der Causa zu Wort. Auf seinem Facebook-Profil erklärt er, dass seinem Social Media-Team ein Fehler unterlaufen sei: Das betreffende Video ist nicht aktuell, es stammt aus 2015. Wir bedauern diesen Irrtum." Gleichzeitig wiederholt der Parteichef die Aussage, dass sich 2015 wiederhole - eine Behauptung, die sich in den aktuellen Zahlen der täglich neu ankommenden Flüchtlinge nicht widerspiegelt.

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.

Katharina Zwins

Katharina Zwins

war Redakteurin bei profil und Mitbegründerin des Faktenchecks faktiv.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur und ist seit 2020 Textchef dieses Magazins.