Dominik Nepp (FPÖ)
Faktencheck

FPÖ Wien streut Fake News: Öffi-Fahrer müssen natürlich Deutsch können

Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp warnt vor „ausländischen Schulabbrechern ohne Deutschkenntnisse“, die künftig als Öffi-Fahrer in Wien arbeiten dürfen. Warum die FPÖ falsch liegt und welche Qualifikationen es tatsächlich braucht.

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Ludwig macht's: Ausländische Schulabbrecher ohne Deutschkenntnisse als Öffi-Fahrer in Wien!

Dominik Nepp

FPÖ-Chef Wien, 5. Jänner 2023, Facebook

Falsch

Das Spiel mit der Angst ist erprobtes politisches Mittel der FPÖ. Sie warnt vor „Klima-Terroristen“, dem Aus der Meinungsfreiheit oder der „Corona-Diktatur“. Sie fürchtet „Bevölkerungsaustausch“ und macht gegen Zuwanderung und Asylwerber mobil. Aufgrund der Migrations- und Bildungspolitik der SPÖ Wien orten die Freiheitlichen zuletzt ein „massives Sicherheitsrisiko“ im Stadtverkehr. Auf Facebook schreibt FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp: „Ludwig (SPÖ-Bürgermeister Wien, Anm.) macht's: Ausländische Schulabbrecher ohne Deutschkenntnisse als Öffi-Fahrer in Wien!“

Warum die Behauptung falsch ist, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um als U-Bahn- oder Straßenbahnlenker in Wien unterwegs sein zu dürfen; und was der städtische Verkehrsbetrieb künftig plant, um den Berufsstand zu attraktivieren.

Denn feststeht: Wer in der Bundeshauptstadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, braucht Geduld: 17 Minuten Wartezeit auf die Straßenbahn, 9 Minuten bis zum nächsten Bus – das ist derzeit keine Seltenheit. Der Grund: Die Wiener Linien haben mit massivem Personalmangel zu kämpfen, der sich auf die Intervalle auswirkt. Das Unternehmen setzt einerseits auf Recruiting-Kampagnen: Jeder Mitarbeiter, der einen neuen Kollegen anwirbt, bekommt 1000 Euro. Die Ausbildung müsse auf der anderen Seite mehr Zeit zum Lernen gewähren und simpler werden, erklärt Geschäftsführerin Alexandra Reinagl im Jänner: „Wir sind gerade dabei, unsere Lernunterlagen in einfache Sprache zu übersetzen.“

Auf profil-Anfrage heißt es, dass damit jedoch kein Herabsetzen der Anforderungen für den Abschluss der Ausbildung einhergehe – anders als Nepp insinuiert. Schließlich werde zwischen Fahrern und Zentrale auf Deutsch gefunkt, alle Lenker benötigen daher zwingend B2-Deutschniveau, erklärt eine Sprecherin der Wiener Linien. Nach dem europäischen Referenzrahmen zeugt dieses Level von „höher fortgeschrittenen Sprachkenntnissen“ und entspricht etwa dem Englisch-Niveau von Maturanten in Österreich. Das werde sowohl schriftlich als auch mündlich konsequent abgeprüft, heißt es. profil konnte Einsicht in die Testunterlagen nehmen, eine Beispielfrage: „Max macht es Spaß, am Wochenende mit seinen Freunden: a) kaufen ein, b) einzukaufen, c) einkaufen oder d) zu einkaufen.“ Für jemanden, der nicht Deutsch spricht, ist das kaum zu beantworten. Laut Wiener Linien fallen deswegen immer wieder Anwärter durch – Zahlen dazu nennen die Wiener Linien keine; versuchen allerdings gegenzusteuern: Wer zunächst „nur“ über B1-Deutschniveau („fortgeschrittene Sprachkenntnisse“) verfügt, kann während der Ausbildung einen Kurs absolvieren, um bis zum Berufseinstieg B2 zu erreichen.

Was es sonst noch braucht, um in Wien etwa U-Bahn oder Bim lenken zu dürfen: Mindestalter 21 Jahre, Mindestgröße 1,60 Meter, keine rot-grün-Sehschwäche, Bereitschaft zur Nacht-, Wochenend- und Feiertagsarbeit. Ein Schulabschluss ist hingegen nicht notwendig – was für Österreicher und ausländische Staatsangehörige gleichsam gilt. Das geht aus Stellenanzeigen – zum Beispiel für einen Posten als Straßenbahnfahrer - hervor. Darin heißt es im Übrigen stets explizit: Mitzubringen sind „sehr gute Deutschkenntnisse“. Insgesamt liegt der Wiener FPÖ-Chef mit seiner Behauptung somit falsch. Personen „ohne“ bzw. mit lediglich „geringen“ Deutschkenntnissen, dürfen Wiens Öffis - auch künftig - nicht lenken.

Derzeit fehlen den Wiener Linien je 100 Lenker für Bim und Bus. Das knapp 9000-Personen-Unternehmen wird vor allem an Stellschrauben wie besseren Arbeitszeiten und Gehaltserhöhungen drehen müssen, raten bestehende Mitarbeiter. An Fahrgäste sollen dadurch entstehende, höhere Personalkosten jedenfalls nicht weitergegeben werden, sagt eine Sprecherin zu profil; eine Verteuerung der Jahreskarte sei „nicht geplant“. Nepp warnte zuletzt vor einem Preisanstieg um 15 Prozent. Wie dieser Faktencheck zeigt, sind seine Behauptungen mit Vorsicht zu genießen.

Katharina Zwins

Katharina Zwins

war Redakteurin bei profil und Mitbegründerin des Faktenchecks faktiv.