Faktencheck

Gefälschte Covid-Zertifikate: Drei falsche FPÖ-Spins gegen die Justiz

Seit die Justiz gegen den FPÖ-Abgeordneten Christian Hafenecker wegen mutmaßlich gefälschter Covid-Zertifikate ermittelt, wittern die Freiheitlichen politisch gesteuerte Justiz. Die Vorwürfe sind allerdings falsch.

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FPÖ-Nationalrat Christian Hafenecker ist ein gutes Beispiel, wie der Standort den politischen Standpunkt bestimmt. Als die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Oktober 2021 wieder einmal im Umfeld der ÖVP vorstellig wurde und die Volkspartei daraufhin die Ermittlungsbehörden attackierte, inszenierte sich Hafenecker als Beschützer der Justiz: „Mit ihren öffentlichen Ausfällen gegen unabhängige Ermittlungsbehörden lässt die ÖVP alle Masken fallen und offenbart ein Verständnis von Rechtsstaatlichkeit, das in einer westlichen Demokratie des 21. Jahrhunderts nichts verloren hat“, tönte Hafenecker damals. 

Ein Jahr später ist alles anders: Hafenecker kritisiert die Justiz nun genauso leidenschaftlich, wie er sie einst verteidigt hatte. Was er früher als „unabhängige Ermittlungsbehörden“ bezeichnete, ist für ihn heute die „ÖVP-geleitete Staatsanwaltschaft“. Grund für den Stimmungswandel: Hafenecker selbst geriet in den Fokus der Ermittler, die Staatsanwaltschaft Wien verdächtigt ihn und einen seiner Mitarbeiter im Parlament, Covid-Testzertifikate gefälscht zu haben. Hafenecker soll seinen Mitarbeiter dazu angestiftet haben. Der FPÖ-Politiker hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen, für beide gilt die Unschuldsvermutung. Im Interview mit dem Onlinesender AUF1, der von einem Rechtsextremen betrieben wird, erhob Hafenecker Anschuldigungen gegen die Justiz. Man könnte das als plumpen Entlastungsangriff Hafeneckers abtun – doch seine Vorhalte wiegen schwer. Was ist dran an der angeblichen Polit-Justiz? 

"Wenn mit solchen Scheingründen schon hausdurchsucht wird, möchte ich nicht wissen, was sonst noch stattfindet."

Christian Hafenecker, FPÖ

In einem Interview mit dem Onlinesender AUF1

Falsch

Mehrere FPÖ-Politiker empörten sich öffentlich über die – angebliche – „Hausdurchsuchung“ bei einem Mitarbeiter des FPÖ-Klubs wegen des gefälschter Corona-Testzertifikate. Das Problem daran: Diese Razzia ist nie passiert. „Es gab keine Hausdurchsuchung bei Herrn Hafenecker oder seinem Mitarbeiter oder sonst jemanden in dieser Causa. Es gab nur eine Sicherstellung bei einem Mitarbeiter von Herrn Hafenecker“, erklärt die Staatsanwaltschaft Wien auf profil-Anfrage. Konkret handelt es sich bei dem sichergestellten Gegenstand um das Handy des Mitarbeiters.

Der Unterschied ist nicht bloß ein semantischer: Bei einer Sicherstellung muss die Staatsanwaltschaft zuvor genau benennen, welchen Gegenstand die Polizei holen soll – eine Hausdurchsuchung ist dagegen ein deutlich invasiverer Eingriff, dabei können die Ermittler ergebnisoffen nach Dokumenten und Datenträgern suchen. Daher benötigt eine Staatsanwaltschaft für einen solchen Durchsuchungsbefehl eine richterliche Genehmigung, nicht aber für eine Sicherstellungs-Anordnung.

Die Staatsanwaltschaft Wien zu profil: „Die Sicherstellung erfolgte aus Beweisgründen bei einem Mitarbeiter von Hafenecker. Wenn der Verdacht einer strafbaren Handlung im Raum steht und es den Anhaltspunkt gibt, dass wegen einer Sicherstellung Beweisergebnisse hervortreten, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor. So war das in diesem Fall.“

Es geht um das Aushebeln der parlamentarischen Immunität.

Christian Hafenecker, FPÖ

Falsch

Nationalratsabgeordnete sind durch die parlamentarische Immunität vor Strafverfolgung geschützt. Ermittlungen dürfen nur dann aufgenommen werden, wenn sich im Nationalrat eine Mehrheit für den Auslieferungsantrag der Staatsanwaltschaft findet. Hafeneckers Argument: Um seine Immunität als Parlamentarier zu umgehen, sei die Staatsanwaltschaft gegen seinen Mitarbeiter vorgegangen. Das sei deshalb so heikel, weil Hafenecker als Mitglied des ÖVP-Korruptionsausschusses über sensible Akten verfügt.

Allerdings ist in der Geschäftsordnung des Nationalrats festgehalten, dass die Immunität nicht für Tatbestände gilt, bei denen „offensichtlich“ kein Zusammenhang zur politischen Tätigkeit besteht. Und was haben allenfalls gefälschte Covid-Tests mit der Arbeit als Abgeordneter zu tun? Nichts. So argumentiert auch die Staatsanwaltschaft Wien: „Die Handlung, die Hafenecker verdächtigt ist, gesetzt zu haben, steht nicht in Zusammenhang mit seiner parlamentarischen Tätigkeit.“

Wenn Hafenecker eine andere Rechtsauffassung hätte, könnte er den Immunitätsausschuss des Nationalrats mit dem Fall befassen und auf ein Auslieferungsverfahren bestehen. Auf profil-Anfrage gibt der FPÖ-Abgeordnete aber zu: „Eine Behandlung im Immunitätsausschuss habe ich nicht verlangt.“

Hafenecker dürfte also selbst nicht mehr ganz an den Vorwurf glauben, dass mit den Ermittlungen seine parlamentarische Immunität „ausgehebelt“ werde. Die Behauptung ist eindeutig falsch.

Es finden immer öfter Hausdurchsuchungen bei Oppositionellen statt.

Bernhard Riegler, Moderator des verschwörungstheoretischen Senders AUF1 und Mitglied des Landesvorstands der Freiheitlichen Wirtschaft Salzburg

Unbelegt

Haben es Österreichs Staatsanwaltschaften besonders auf Oppositionspolitiker abgesehen? Der Vorwurf ist durch nichts belegt. profil wertete die öffentlich bekannten Hausdurchsuchungen der vergangenen vier Jahre aus, also von Anfang 2019 bis Ende Oktober 2022. Ergebnis: Wenn Politiker oder Parteien betroffen sind, dann waren sie meistens in Regierungsverantwortung.

So ließ die WKStA das Haus von FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und die Wohnung von FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus im August 2019 im Zusammenhang mit der Causa Casinos filzen. Der Vorwurf bezieht sich allerdings – und das ist entscheidend – auf die Zeit der türkis-blauen Regierung.

Im Jahr 2020 wurden Razzien beim ehemaligen ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger, dem damaligen Chef der staatlichen Beteiligungsholding ÖBAG, Thomas Schmid, und bei den Casinos-Aufsichtsräten Walter Rothensteiner und Josef Pröll (ehemaliger ÖVP-Vizekanzler) durchgeführt – allesamt gewiss keine Oppositionellen. Im selben Jahr wurden die Novomatic-Zentrale und die Anwaltskanzlei von FPÖ-Nationalrat Markus Tschank durchsucht. Im Falle Tschanks, der einem FPÖ-nahen Verein vorstand, der Sponsorings der Novomatic erhielt, lässt sich darüber streiten, ob er als Oppositioneller gelten kann – die Ermittlungen beziehen sich auf Zeiträume vor und während der türkis-blauen Regierung.

Unstrittig ist: Als Gernot Blümels Wiener Wohnung im Februar 2021 durchsucht wurde, war er ÖVP-Finanzminister. In der Beinschab-Umfragen-Affäre wurden im Oktober 2021 die ÖVP-Zentrale, das Bundeskanzleramt, das Finanzministerium und das Büro der Tageszeitung „Österreich“ durchsucht. Um das Handy von Burgenlands SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zu beschlagnahmen, brauchte die Staatsanwaltschaft – wie im Falle des FPÖ-Mitarbeiters – keinen Durchsuchungsbefehl, eine Sicherstellungsanordnung reichte aus.

Erst vor zwei Wochen kam es zu Hausdurchsuchungen bei früheren Spitzenfunktionären der FPÖ Graz, die sich mit öffentlichen Klubfördergeldern persönlich bereichert haben sollen. Zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt stellten die Grazer Freiheitlichen den Vizebürgermeister und hatten ein Arbeitsübereinkommen mit der ÖVP.

Der einzige Oppositionspolitiker, bei dem – soweit öffentlich bekannt – in den vergangenen vier Jahren tatsächlich eine Hausdurchsuchung stattfand, ist Hans Jörg Jenewein, der bis 2019 FPÖ-Nationalrat war. Im September des Vorjahres wurden Ermittler bei ihm vorstellig, es geht um den Verdacht, Jenewein habe einen Verfassungsschützer angestiftet, ihm vertrauliche Informationen weiterzureichen. Jenewein bestreitet das. Nach heftigen internen Verwerfungen ist Jenewein inzwischen aus der FPÖ ausgetreten.

Es könnte freilich noch weitere Oppositionspolitiker geben, die von Hausdurchsuchungen betroffen waren, die schlicht nicht öffentlich bekannt sind. Belege dazu konnte der Moderator des verschwörungsmythischen Senders AUF1, Bernhard Riegler, auf profil-Anfrage keine vorlegen. Er hatte die Behauptung in einem Interview mit Hafenecker aufgestellt.

Richtig ist vielmehr: Regierungspolitiker wurden in den vergangenen Jahren von Ermittlungsbehörden nicht geschont. Das zeichnet einen funktionierenden Rechtsstaat aus. Über Schuld oder Unschuld in allen erwähnten Causen müssen freilich unabhängige Gerichte entscheiden.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.

Katharina Zwins

Katharina Zwins

war Redakteurin bei profil und Mitbegründerin des Faktenchecks faktiv.