Faktencheck

Gemeindebund-Chef: Eine Million Euro Gewinn mit Grundstücks-Deal

Grafenwörths ÖVP-Bürgermeister Alfred Riedl verdiente an einem Grundstücksverkauf in seiner Heimatgemeinde. Er behauptete, er habe sie geerbt. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit.

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Alle Varianten für das Bauprojekt wurden von offizieller Stelle geprüft. Letztlich fiel die Entscheidung dann auf ein Grundstück, das ich geerbt habe.

Alfred Riedl, Präsident des Gemeindebundes und ÖVP-Bürgermeister von Grafenwörth

Kronen Zeitung, 24. September 2021

Irreführend

Alfred Riedl hat das, was man einen richtigen Riecher nennt. Der Präsident des Gemeindebundes und ÖVP-Bürgermeister von Grafenwörth im niederösterreichischen Bezirk Tulln, ein paar Kilometer nordwestlich von Zwentendorf, landete im Jahr 2019 einen Deal, von dem die meisten Grundstücksbesitzer nur träumen können.

Eine Projektentwicklungsfirma kaufte dem Ortschef in dessen Heimatgemeinde vier Parzellen ab, zum Gesamtpreis von stolzen 1,5 Millionen Euro. Kurz zuvor waren die Gründe in Bauland umgewidmet worden, das brachte eine ordentliche Wertsteigerung für die vormaligen Äcker, Wiesen und Pappelwälder. Aus Grundbucheinträgen und Kaufverträgen, die dem Nachrichtenmagazin profil und der „Kronen Zeitung“ vorliegen, ergibt sich Riedls Gewinn vor Steuern und Abgaben: eine Million Euro.

Die „Krone“, die in dieser Causa gemeinsam mit profil recherchiert, hatte nach einem Hinweis bereits in der Vorwoche über die ersten zwei Parzellen berichtet, die Riedl veräußerte. Kritiker, etwa die NEOS, monierten eine „schiefe Optik“, weil – aus ihrer Sicht – ein Ortschef von einer Umwidmung und einem Grundstückverkauf in der eigenen Gemeinde profitiere. Riedl stellte die Sache gegenüber der „Krone“ als glückliche Fügung dar: „Alle Varianten für das Bauprojekt wurden von offizieller Stelle geprüft. Letztlich fiel die Entscheidung dann auf ein Grundstück, das ich geerbt habe.“

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. profil und die „Krone“ wühlten sich durch Katasterpläne, auf denen die Grundstückparzellen eingetragen sind – und durch die Kaufverträge der betreffenden Grundstücke der vergangenen zehn Jahre. Dabei stellte sich heraus: Vier miteinander verbundene Projektentwicklungsfirmen kauften im Jahr 2019 zumindest neun Parzellen in Grafenwörth, um dort auf 14 Hektar Land 200 Wohneinheiten, ein Hotel und einen Bildungscampus samt Seezugang zu errichten. Projektname: Sonnenweiher. Die Bauarbeiten sind bereits im Gange und laufen bis 2025.

Aus den historischen Kaufverträgen ergibt sich jedenfalls eindeutig: Riedl hat den Großteil der vier Gründe, die er 2019 an die Projektentwickler veräußerte, zuvor selbst gekauft oder ersteigert; und nicht geerbt. Im Jahr 2013 kaufte er gemeinsam mit einer engen Verwandten einen der Gründe, beide Familienmitglieder hielten daran 50 Prozent – im selben Jahr kaufte er sich in eine weitere Parzelle zu 50 Prozent ein, an der die Verwandte bereits die andere Hälfte besaß. Im Jahr 2017 verstarb die Angehörige Riedls, ihre Anteile fielen ihm komplett zu. Zwei der vier Grundstücke hat der Gemeindebund-Chef also tatsächlich jeweils zur Hälfte geerbt, zur anderen Hälfte allerdings selbst gekauft.

Die anderen beiden Grundstücke (siehe Grafik) gelangten aber erst kurz vor dem Projektstart in Riedls Eigentum. Die beiden Parzellen mussten versteigert werden, weil der damalige Eigentümer in den Privatkonkurs geschlittert war. Die Gründe wurden vor der Auktion mit einem Verkehrswert von 48.700 Euro bewertet, wie ein Gutachten belegt. Schließlich waren sie als Grünland gewidmet und damit nicht bebaubar. Trotzdem war Riedl bereit, beinahe die zehnfache Summe des Schätzwertes zu bezahlen, insgesamt 450.000 Euro für beide Gründe.

Wusste er als Bürgermeister damals bereits, dass auf dem Gebiet eine Umwidmung und in der Folge ein großes Bauvorhaben bevorsteht?

Riedl bestätigt auf Anfrage die Grundstücksverkäufe und die Summen. Bei den ersten beiden Grundstücken hätte Riedl jedenfalls „nie im Traum daran gedacht, dass sich so ein Projekt in Zukunft entwickeln könnte“. Zum Zeitpunkt des gerichtlichen Versteigerungsverfahrens für die Grundstücke drei und vier gab es, bestätigt Riedl, jedenfalls bereits Kontakte zwischen den Projektfirmen und der Gemeinde Grafenwörth. Riedl wusste also vom wahren Wert der Parzellen. Seine Rolle beschreibt er als Retter in der Not: Mehrere Personen hätten im Versteigerungsverfahren „spekulativ“ geboten, damit sei das „Limit der Gemeinde rasch überboten“ gewesen. Daher habe er den Auftrag gegeben, dass in seinem Namen mitgeboten werde. Und schließlich den Zuschlag erhalten.

Einen Gewinn realisierte Riedl tatsächlich nur mit den ersten beiden Grundstücken – siehe Grafik.

Doch warum hat Riedl auf die erste Medienanfrage nicht gleich geantwortet, dass er weitere Grundstücke veräußerte – und dass er diese nicht nur geerbt hatte? Dazu erklärt Riedl schriftlich an „Krone“ und profil, er habe schon damals, im Telefonat mit der „Krone“, auf das Grundbuch verwiesen. Dort wären die Informationen ja einsehbar gewesen. Er verwehre sich dagegen, „einen falschen Eindruck erweckt zu haben“.

Eine schiefe Optik bleibt. Das Faktencheck-Fazit zum Zitat: Irreführend.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.